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Dresdner Journal : 30.04.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188204307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820430
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820430
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-04
- Tag 1882-04-30
-
Monat
1882-04
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 30.04.1882
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Ilvrausxvbvrr Lüni^I. Expedition dos Dresdner dourn»!», Dresden, /«iu^erstrnsso Xo. 80. Nachbestellungen auf daS „Dresdner Journal" für die Monate Mai und Juni werden zum Preise von 3 M. angenommen für Dresden bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für auswärts bei den betreffenden Postanstalten. Antindiguuge» aller Art finden im „Dresd ner Journal" eine sehr geeignete Verbreitung, und werden dieJusertionSgebühreu imJnseraten- theile mit 20 Pf. für die gespaltene Petitzeile oder deren Raum berechnet; für Inserate unter der Rubrik „Eingesandtes" beträgt die Jnser- tionsgebühr pro Zeile 50 Pf. In Dresden-Neustadt können Abonnements bestellungen abgegeben werden in der Kunst- und Musikalienhandlung des Herrn Adolf Brauer (Hauptstraße 2), sowie bei Herrn Kaufmann Arthur Reimann (Albertplatz vis a vis dem Alberttheater), woselbst auch Inserate zur Beförderung an unser Blatt angenommen werden und einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. tiönigl. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20.) Amtlicher Llieil. Dre-den, 29. April. Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Frau Prinzessin Georg haben mit Hoher Familie heute die Prinzliche Villa in Hosterwitz bezogen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge- ruht, dem pensiomr'en städtischen Oberförster Dietze im ForsthauS Burgaue bei Leipzig daS Ritterkreuz II. Classe.vom AlbrechtSorden, sowie dem Standes beamten Heyne in Berndorf und dem Sparkassen» und ArmenvereinSkassirer Heyne in Oelschütz daS all gemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Bekanntmachung. Zu Schwurgericht-Präsidenten für die im dritten Kalendervierieljahre 1882 beginnende Sitzungsperiode sind nach 8 83 deS Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 ernannt worden: bei dem Landgerichte Dresden der Landgerichts direktor von Mangoldt daselbst, bei dem Landgerichte Leipzig der Landgerichts direktor Pusch daselbst, bei dem Landgerichte Chemnitz der Landgerichts präsident Brückner daselbst, bei dem Landgerichte Bautzen der Landgerichts direktor 0r. Wiesand daselbst, bei dem Landgerichte Freiberg der LandgerichtS- director Vollert daselbst, bei dem Landgerichte Zwickau der Landgerichts direktor l)r. Wolf daselbst, bei dem Landgerichte Plauen der LandgerichtS- direktor Kurtz daselbst, was hierdurch bekannt gemacht wird. Dresden, den 25. April 1882. Der Präsident des Königs. Sächs. Oberlandesgerichts. In Stellvertretung: Klemm. . von Dallwitz. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Karlsruhe, Freitag, 28. April, AbendS. (W. T. B) Die Zweite Kammer hat heute den von den Mitgliedern der katholischen LolkSpartei Röt tinger und Genossen gestellten Antrag auf Auf hebung der KreiSverfassung abgelehnt. (Vgl. die „TageSgeschichle") Wien, Freitag, 28. April, AbendS. (Tel. d. Boh.) In der heutigen Sitzung de» Gemeinde- rathS gab der Vicebürgermrister Prix mit Hin weis auf den RingtheaterproceH und die Journal- berichte eine eingrhrnde Darstellung über die Arndrrungen und Verbesserungen, welche seit dem Ringtheaterbrand an der Feuerwehr unternommen wurden. Der Vicebürgermrister fügte die Erklä rung bei, daß der Gemeinderath seit 10 Jahren die Reorganisation de» StadtbauamteS anstrebe. Die Durchführung wurde jedoch immer vertagt, weil die Commune über die Neuorganisation noch nicht genügende Erfahrungen gesammelt hatte. In Gemeinderathskreisen machten diese Erklärungen unangenehmes Aufsehen. Zuletzt beschloß derGe- weinderath, die Reorganisation der Feuerwehr zu beschleunigen. (Vgl. die erste Beilage.) Wien, Sonnabend, 29. April. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Da» „Fremdenblatt" und die „Dresse" versichern auf Grund zuverlässigster Informationen, daß Pläne zur Umgestaltung Bosnien» und der Herzegowina uach dem System der früher« Mili- tärgrenze keinerseits jemal» beantragt oder an geregt worden sind. Prag, Sonnabend, 29. April. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Dem „Prager Tageblatt" zufolge trafen gestern Abend zwei Züge Dragoner in Brür ein; für beute werden zwei weitere Züge erwartet. Die Fabrikanten fürchten für den Betrieb ihrer Fabriken wegen KohlrnmangelS. In Brür besetz- ten die Dragoner sämmtlicke Straßen gegen Dur, um den Strikendrn die Rückkehr au» Dur un möglich zu machen. Jäger und Gendarmerie) au» Komotau besetzten die Schächte um Brür, wie Tschausch, Guide, Triebschitz, Iuliu», Oberleuten»- dorf. Eine Deputation sämmtUcher Werkbesitzer deS Teplitzer Revier» fubr heute nach Prag zum Statthalter, um die Sachlage darzulegen und ener gischen Schutz für ihre Person und ihr Eigenthum zu erbitten. Die Localbehörden entwickeln eine lebhafte Energie. In Teplitz find augenblicklich 10 Züge Cavallerie und 3k Compagnien Infan terie al» Besatzung. Die Strikenben wurden um Tausende von feiernden Arbeitern vermehrt. 3 Hauptagitatoren wurden verhaftet. (Vgl. die „Ta- gesqeschichte" unter Reichenberg.) Pari», Freitag, 28. April, Abend». (W. T. B) Nach dem Berichte deS Ministerpräsidenten de Freycinet über die Herstellung eine» Binnen- meere» in Afrika soll da» Mandat der mit der Prüfung der Ausführbarkeit betrauten Commission mit dem 30. Juni d. I. erlöschen, die Entschei dung ist daher i« Laufe deS Juli zu erwarten. Urber Algier wird au» Süd-Oran gemeldet: Eine französische wissenschaftliche Mission war süd östlich von Mechrria mit topographischen Arbeiten beschäftigt, al» eine Reiterbande Si-Sliman'S dieselbe überfiel und ehe au» Mechrria Hilfe kam, 40 Mann, darunter 2 Offiziere, tödtrtr und ebenso viel verwundete. Di-Sliman war mit seiner Beute bereit» entkommen, al» Hilfe erschien. Eine fran zösische Colonne soll die Fliehenden über die Grenze verfolgen. Madrid, Freitag, 28. April, Abend». (W. T B.) Dir Drputirtrnkammer hat drn Grsetzent- wurk übrr dir Convertirung der spanischen Schuld angenommen. London, Freitag, 28. April, AbendS. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung de» Oberhauses erklärte auf eine von Lord de la Warr gestellte Anfrage der StaatSsrcretär de» Auswärtigen, Earl Granville, dir Angabe, daß der englische Botschafter zu Rom, Paget, da» Protokoll, be treffend die Abtretung der Assab-Bai, unterzeichnet habe, für absolut unbegründet. Der Vicekönig von Irland Earl Cowper, hat seine Entlassung eingereicht. London, Sonnabend, 29. April. (Tel. d. DreSdn. Jouin.) Der bisherige Lordpräfident deS Geheimen RatHS, Earl Spencer, bat den durch den Rücktritt deS Earl Cowper erledigten Posten deS Bicekönigö von Irland angenommen und be hält drn Sitz im Cabinct bei. Dubliner Ge rüchten zufolge wird Spencer'S erste Amtshand lung die Befreiung der Verdächtigen sein. Das Cabinet hält heute eine Berathung, um darüber schlüssig zu werden, ob Parnell und Genossen auf freien Fuß gesetzt werden sollen, oder nicht. St. Petersburg, Sonnabend, 29. April. (Tel. d. DreSdn. Journ0 Der „RegierungS-Anzeiger" veröffentlicht einen UkaS, betreffend die Verhängung deS ZustandrS verstärkten Schutzes übrr da» Mili- tärgouvernement Nikolajew und die Stadthaupt mannschaft Sewastopol und die Unterstellung der selben unter den zeitweiligen Generalgouvernrur in Odessa. Die neueste deutsche „St. Petersburger Zei tung" erfährt, daß da» Kriegöministerium De tail» für die im Princip beschlossene Erbauung neuer Korts in Warschau, Kowak und Zonionz (Gouvernement Grodno) ausarbeite. Die Gesammt kosten sind auf 60 Millionen veranschlagt; die Arbeiten sollen in 10 Jahren beendet sein. In diesem Jahre sollen die Kort» bei Warschau in Angriff genommen werden. 6 Werst von Warschau auf der linken Seite der Weichsel werden 7 Kort», auf einer Strecke von 27 Werst vertheilt, ange legt; jede Befestigung ist 250 Faden lang. 2 Werst hiervon entfernt werben 4 ebenso große Fort», jenseits von Praqa 6 Werst von der Stadt 4 Forts von größeren Dimensionen errichtet. Zur Ausführung dieser Arbeiten sind für das laufende Jahr zunächst 10 Millionen assignirt. Dresden, 29. April. Seit Jahren ist das nordamerikanische Volk daran gewöhnt, Untersuchungen, die von gesetzgebenden Körpern angeordnet werden, mit dem entschiedensten Miß trauen anzusehen, weil man guten Willen und Unpar teilichkeit fast niemals dabei vorfintet. Diese Auf fassung konnte nur bestätigt werden, alS der New-Iorker Abgeordnete Belmont im Repräsentanten Hause eine Untersuchung über die korrupte Beeinflus sung der südamerikanischen Politik, speciell über eine „peruanische Guanogesellschaft" beantragte. Nachdem erst der Antrag durch Kasson einigermaßen abgeschwächt und in dieser Form angenommen worden war, beschloß der auswärtige Ausschuß, der die Unter suchung zu leiten hatte, wieder aus Kasson'S Antrag, eine weitere Einschränkung. Der Ausschuß hatte näm lich einen gewissen Shipherd, von der „Peruvian Company", vorgeladen, und dieses Individuum erklärte bei seiner ersten Vernehmung, er werde mit nichts hinter dem Berge halten; nur, setzte er boshaft hinzu, werde er bedauern, Congreßmitglleder compromittiren zu müsfen. Der „rechtmäßige" Vertreter der amerika nischen Guanoansprüche, bei denen er sich um ca. 1500 Millionen handelt, erwies sich als ein äußerst schlauer und auf die Interessen seiner Clienten bedach ter Advocat, der auch alle nähere Auskunft über die Constitution der von ihm vertretenen „Compagnie" (Persönlichkeiten, Capitalanlage, Einzahlungen rc.) ab- lehnte. Seine Anfrage an den Untersuchungsausschuß, ob er nach dem Wortlaute der betreffenden Reso lution (public oküeial«) ferne Enthüllungen auch auf CongreßmitgUeder auSzudehnen habe, erregte merk liche Unruhe im Ausschuß, und dieser beschloß in einer Privatsitzung, daß sich Shipherd in seinen Aus sagen auf „Beamte" im engern Sinne beschränken solle. Shipherd war vor 20 Jahren in Chicago Pastor einer Congregißenkirche, und seine erste „Gründung" war die einer religiösen Wochenblattes. 1869 ging er „insGeschäft", d.h. er fing eine Grundeigenthumr- agentur an und machte Bankgeschäfte, Beide- rn zwei deutiger Weise und mit zweifelhaftem Erfolge. Wäh rend dieser Zeit hatte Shipherd auch in New-Uork eine Winkelbank mit Zweiggeschäften in Boston und Frankfurt a. M. begründet und sich — auf Credit — in Besitz der Südbahn von Long-Island gefetzt. Er träumte davon, alle Bahnen auf Long-Island aufzu kaufen und womöglich em zweiter Jay Gould zu werden; denn seine Einbildungskraft fchwelgte fort während in Millionen. Der Krach von 1873 machte allen seinen Herrlichkeiten ein Ende. Mehrere Jahre lang war er von der Bildfläche verschwunden, erschien aber 1876 wieder als ein kleiner Makler in New-Aart und eröffnete 1878 in Nr. 10 Spruce - Street eine Advocatur. Seide scheint er dabei nicht gesponnen zu haben. Im vorigen Jahre endlich tauchte er als Präsident der „peruanischen Gesellschaft" auf. Wie er es zum Präsidenten der „peruanischen Guano- gejellichaft" gebracht und aus welchem Fundamente die amerikanischen Ansprüche beruhen, hüllt sich gänz lich in den Nimbus der Mythe. Um dem an sich etwas loien und mysteriösen Zu ammenhang einen gewissen Kitt zu verleihen, produc.rte Shipherd vor dem Untersuchungscomit« des CongresseS em an den verstorbenen Präsidenten Garfield gerichtetes Schrei ben, worin er diesem seine Ansichten über das lukra tive Geschäft auSeinandersetzt und den General Grant als G neraldirector der großen „peruanifchen Guano- gesellschast" in Vorschlag bringt. Zum Glück Halen alle bisherige Erhebungen die völlige Grundlosigkeit dieser Verdächtigungen erwiesen, und eS hat sich weiter nichts ergeben, als daß der Schwindler Shipherd die beiden Genannten in seine Netze zu verstricken und für seine Pläne zu gewinnen suchte, aber hierbei völlig FiaSco machte. Die Annahme, daß der frühere Staats sekretär des Auswärtigen bei dem Schwindel seine Hand im Spiele gehabt habe, wurde durch das schroffe Auftreten B'.aine's zu Gunsten Perus gegen Chili gewissermaßen provocirt; denn Blaine hat erst im December vor. IS. Shipherd fallen gelassen, indem er dessen Pläne für chimärisch erklärte unv Zweifel an Shipherd's Verstand an den Tag legte. Zur Cha rakteristik deS staatSgefährlichen Schwindel- mag er wähnt werden, daß dessen ziemlich deutlicher Zweck, die Betreibung angeblicher amerikanischer Ansprüche an Peru, dessen Unterstützung im Kriege gegen Chili durch Einschüchterung und Bedrohung dieser Republik mit der aktiven Einmischung der Vereinigten Smaten war, und zwar mit dem schließlichen Prospekte, sich der Haupteinnohmequellen Perus — der Salpeter- und Guanolager — zu bemächtigen, mit dem weitern Hin blick auf ein allgemeines Protektorat, nach Befinden mit Annexion — der Bereinigten Staaten über die südamerikanischen und centralamenkanischen Republiken. Feuilleton. >i»digirt »on Otto Bauck. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 28. April: „König Lear", Trauerspiel in 5 Acten von Shake speare. Uebersetzung von H. Voß dem Jüngern. Die Urtheile über dieses Drama, wie die über die meisten Werke deS Dichters, haben nach und nach durch gegenseitige Vergleichung und Verarbeitung in der Weltliteratur einen internationalen Charakter an genommen. Dennoch unterscheiden sie sich summarisch von einander, namentlich die englischen von den deut schen Betrachtungen. Während die letzteren von dem besondern Trieb geleitet werden, alle Erscheinungen möglichst rationell psychologisch zu erklären, waltet in jenen eine objektivere Natur und Ruhe vor, ein naiveres Elngeständniß der menschlichen Unzulänglich keit, die in der Poesie wie in der Wirklichkeit eine größere Summe von Problemen gelten läßt. Dieser Art steht unter den Deutschen die ehrfurchtsvolle Re- ferve Goethe'- neben seiner mächtig ousflammenden, in daS tiefe ahnungsvolle Dunkel hineinleuchtenden Divi- nation am nächsten. Doch nicht die zerstreuten ein zelnen Bemerkungen diese» Geniu» über einen andern noch größeren, einen „Stern von höchster Höhe", sind zu den maßgebenden Ansichten über Shakespeare'» Hauptdichtungen verbreitert worden, sondern jene der systemvollen Auslagen, die wie Schlegel, Ulrici, zum Theil auch Tieck, Grrvinu», Deliu», Tschischwltz, Otto Ludwig, Rötscher, Kreißig und Andere die literarische und historische Kritik des unsterblichen Briten in die Hand genommen haben. Coleridge, Shelley, Hudson, George Eliot, Knight, Lewe-, Dowdon und viele andere englische Interpreten, wenn auch unter sich sehr verschieden, zeigen doch eine andere, entschieden englische Auffassung, und e» ist vielleicht nicht uninteressant, von den derartigen Bemerkungen über die Leartragödie, namentlich nach der Intention de- letztgenannten Kritiker-, EinigeS vorzusühren. Durch die Grüße seiner Anlage und die Manich- faltigkeit seiner Einzelheiten, dadurch, daß e- die Exi stenz einer Harmonie zwischen den Naturkrästrn und den menschlichen Leidenschaften erschließt, ferner durch feine groteske Ausführung und durch seine Erhaben heit besitzt daS Learwerk eine gewisse Verwandtschaft mit den großen gothlschen Kathedralen. ES darf als eine selbst für die großartigste Phantasie unmögliche Aufgabe bezeichnet werden, ein Gebäude, wie den Dom von Köln oder Mailand zugleich in feiner gigantischen Einheit und in seiner beinahe unbegrenzten Mannig faltigkeit aufzufasfen und zu verstehen. Noch weniger ist die- bei einem ähnlich gearteten Poetenwerke mög lich, dem die Festigkeit und Bestimmtheit einer archi tektonischen Schöpfung fehlt. Alle- in der Tragödie ist in Bewegung, und zwar ist diese Bewegung die emeS Sturmes. Ein grotesker Kopf, der eben erst von einem nahe gelegenen Punkte uns anfchaute, ver ändert auf einmal seine Stelle und seinen Ausdruck; wir sehen, wie er jetzt in der Ferne verschwindet mit Lippen und Augen, die unS nicht mehr grotesk, sondern traurig und pathetisch erscheinen. Alle» was wir rings um sehen, dreht sich im Wirbel, und doch wissen wir, daß über diesen Wechsel und dieser anscheinend unzu- sammenhängenden Masse ein Gesetz waltet. Wir fühlen zuversichtlich, daß eS eine Logik dieses Wirbel sturmes giebt. Während Alles aus feiner eigenen Stelle gerissen und seinen natürlichen Stützen beraubt wurde, indem alle Instinkte, Leidenschaften und alle Vernunft aus den Fugen zu gehen scheinen, rückt doch jedes Einzelne in diesem anscheinenden Chaos wieder mit untrüglicher Sicherheit und Genauigkeit in seine Stelle ein. In Lear steht Shakespeare mehr als in irgend einem andern Stück vor den Mysterien deS Menschen- lebens Ein hastiger Verstand würde Erklärungen für dieselben versucht haben, ein weniger kräftiges Ge- müth würde den vorherrschenden Ton dieses Mückes zu einem gierigen oder pathetischen Verlangen nach der wahren Bedeutung dieser schweren Probleme in dem menschlichen Geschicke entwickelt haben. Shake speare weist jede Neugier dieser Art zurück, obgleich ersichtlich ist, daß auch er sie fühlt. Er will da» Leben so darstellen, wie es wirklich ist, und wenn das Leben unerklärliche Räthsel bietet, so muß sie Shake speare auch bieten. Aber indem Shakespeare nur das Leben wirklich da'stellen und keine halben Erklärungen seiner schwierigen Probleme geben mag, will er da» Leben nicht bloS von innen anschauen, sondern wo möglich auch von einem außerweltlichen, außermensch l'chen Siandpunkt. Und indem er von einem solchen daS Leben beschaut, will er zu ergründen suchen, welchen Anblick dieses wandelbare und wunderbare Phänomen wohl den Augen der Götter darbietet. Darum begiebt sich die Tragödie sozusagen mehr auf mythologischem als auf christlichem Hintergründe. SS kommt eine großartige Ironie in die Handlung als deren geistige Beleuchtung. Deshalb ist Alle- in dieser Tragödie, wa- groß ist, auch klein, Alles was tragisch erhaben ist, auch grotesk. Deshalb sieht man darin, wie der Mensch in einem eitlen Schatten wandert, im Uebel umhertastet, in wunderbare Jrrthümer geräth, aus dem Lichte sich in Finstern'ß verirrt und wiede rum aus der Finsterniß ins Licht zurückschwankt, feine Kraft in unfruchtbaren und ohnmächtigen WulhauS- brüchen vergeudet: deshalb sieht man den Menschen in seiner Schwäche, Unvernunft, Trübsal, Jammer, Armuth und Niederträchtigkeit, aber auch in seiner ewigen Größe und Majestät. Und deshalb sind auch die Personen, obgleich sie ganz bestimmte Männer und Weiber sind, ideale und allgemeine Typen: Goneril und Regan, die zerstörende Kraft, der gemeine, hungrige Egoismus der Mensch heit, der mit allem Guten Krieg führt; Kent, die reine ungemischte Treue; Cordelia ungemiich:e Zart heit und Stärke, ein reiner, alles gut machender Eifer. Bei der Wirkung deS Stückes vermeinen wir daS Da sein einer Kraft zu fühlen, die noch viel mehr »st, als die blose Geschichte eines vom Unglück heimgesuchten alten Manne». Wir haben ein unbestimmte» Gefühl, daß das Stück eine großartige unpersönliche Tragweite hat, wie der gefesselte Prometheus de» Aeschylos und Goethe'S Faust LS kommt unS vor, als schauten wir ungeheure wolkenart.ge Symbole einer erhabenen Romantik, deren schreckliche- Gebilde das symbolische Märchen der unerforschlichen Wahrheit und Wiiklich- ke t ist. Wenn Lear, ein Mann, gegen den man schwerer sündigte al» er Unrecht that, der Tröstung der Liebe
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