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Dresdner Journal : 29.04.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188204298
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820429
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820429
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-04
- Tag 1882-04-29
-
Monat
1882-04
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 29.04.1882
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V98. Sonnabend, den 29 Sipril. 1882. Ldoooemkat«prel»r l» x»2r»> S«ut»ek«u L»icd«: iLbrlieb: . . . . 18 Lticrtl jLlirliob: 4 ULdk bv ?k. LiorAo« liuwwera: 10 kf. rk»ld <>ei devticdeo Iteicks, tritt?ost- uod 8tvwp«Ira,ctiI«x trima. Insernteoprelsor kür d«n k»um einer ^«Pidtooev ?stitteile 20 kk. Unter „üinxerLneit" di« 2eils SO t'f. Lei 1'»b«Uen- und 2iüerns»tr ÜO H ^uk»etd»x. DreMn Journal. Io8er»ten»on»kw» »ns^trt«: r^ixtt,: n. Lran-tÄettrr, Oon»l»i«ionLr de« Dresdner dourri»!«; S«mdor^ »«rlin Vi,o - l.«ip»x v«"l «. 7/ncixenxtein d VaA/cs, >«rli»-Vi«L «»wdsiA- kr»lk - ^rrnkturt ». ».-Nüne-k-a: DuU ^/<E« Lsrlio: /»iraii<ie»i<i«nt, Lremsne D Lc^totte,' 8r««l»s /,. ÄnnAen « Lureau eL»,i/ /cadat^),' kr»ntki>rt » « D ^«eAer'»ctie Uuctit>»n6Iuo8; NörUt«: (r. A/üi/er; U«rmov«r: 6. .^e/>u«xier/ k»ri» L«rUo-kr»nUnrr ». N - StnU^Lrt: Daube 8»wdnr^: ^1d. äte>ner. Irsebeineo r l^xlicl» mit ^uinukms der Sonn- und ?eiertL^a ^beuli» tur eien tollenden vr . . > Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. ller»u«xederr XüniLl. Lipeditioo des Dresdner dourniU», Dresden, ^vin^erstrDise Xo SO. Hlachbekessungen auf das „Dresdner Journal" für die Monate Mai und Juni werden zum Preise von 3 M. angenommen für Dresden bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), sir anSwärtS bei den betreffenden Postanstalten. Ankiindignngen aller Art finden im „Dresd ner Journal" eine sehr geeignete Verbreitung, und werden dieZnsertionSgebühre« im Jnseraten- theile mit 20 Pf. für die gespaltene Petitzeile oder deren Raum berechnet; für Inserate unrer der Rubrik „Eingesandtes" beträgt die Jnser- tionsgebühr pro Zeile 50 Pf. In DreSdeu-Nenstadt können Abonnements bestellungen abgegeben werden in der Kunst- und Musikalienhandlung des Herrn Adolf Brauer (Hauptstraße 2), sowie bei Herrn Kaufmann Arthur Reimann (Albertplatz vis ü vis dem Alberttheater), woselbst auch Zuserate zur Beförderung an unser Blatt angenommen werden und einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. tiönigl. Expedition -es Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20.) Nichtamtlicher Lheil. Telegraphische Nachrichten. München, Donnerstag, 27. April, Abend«. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten bat in der heutigen Schlußsitzung das Kinanzgesetz mit 143 gegen 7 Stimmen angenommen. Die Kammer der Reichsräthe hat daS Kinauzgesetz eia- stimmig genehmigt. (Vgl. die „TageSgesch.chte*) Wien, Donnerstag, 27. April, AbendS. (Tel. d. Boh.) Die Demission des ReichssinanzministerS v. Szlavy (vgl. die „Tageszeichichle*) hat in allen Kreisen schmerzliches Aufsehen erregt. Szlavy's Entschluß, zu demisfioniren, gilt als unerschütter lich. Als sein Nachfolger wird der Tectionschef v. Kallay genannt. Auch Ludwig TiSza, Graf Szapary, Graf Josef Zicby werden genannt. Jedenfalls wird es ein Ungar sein. Dux, Donnerstag, 27. April, AbendS. (Tel. d. Boh) Die heute stattgehabte Sitzung der Werk«- besitzer lehnte die Forderungen der Arbeiter ab und wählte ein Comitö, bestehend auS dcmWerkS- besitzer Schneide! und den Direktoren Luschin und Prokop, zur directen Verhandlung mit der Be- Hörde. Der Duxer Strike bat sich auf säwmt- Uche Werke deS Teplitzer Bezirkes ausgedehnt. Auf deu Werken Hartmann, Union, Christiana ist eine Revolte auSgebrochcv. Ein Offizier wurde durch Weiber iusultirt. (Vgl. die „Tac;eS- geschichte*.) Paris, Donnerstag, 27. April, AbendS. (W. T. B.) Die Regierung hat eine Commission er nannt, welche sich mit der Prüfung der AuSführ- Feuilleton. Nedigirt von Otto Banck. Inga Svevdson. Novelle von Otto Roqnette. (Fortsetzung.) Die Frauen hatten eine sorgenvolle Nacht durch wacht. Erst vor einer Stunde waren die Knechte zu- rückgekehrt, und zwar mrt Nachrichten, die, obgleich sie von Rettung sprachen, all« Schrecken erneuerten. Als sie jetzt den Wagen und die Stimme deS Vater» hörten, fühlten sie sich schon halb befreit, denn es gab doch überhaupt eine Rückkehr au» der fürchterlichen Flammengefahr. Mit welcher liebevollen Hingabe man Inga in Obhut nahm, bedarf nicht der Darstel lung. Der Tag brach an, al» Roderich mit dem Arzte ankam. Er erklärte den Zustand der Kranken für eine heftige Erschütterung der Nerven. Sonst sei sie unverletzt, aber daS Sprachorgan sehr angegriffen. Man solle sie nicht viel fragen oder reden lassen. Er verschrieb etwa» und meinte, e» werde hoffentlich kein Fieber nachkommen. So vergingen mehrere Tage. Die Mutter und Sonradine theilten sich in die Pflege der Kranken, deren Zustand immer derselbe, darum aber nicht min- der beängstigend blieb. Roderich, von jeder Bethä- ttgung am Krankenlager ausgeschlossen, nur auf die gleichen, me befriedigenden Nachrichten von daher an- gewiefen, war in verzweifelter Stimmung. Die Aeltern liehen e» fchwrigend gelten, daß er der durch barkeit eine- Binnenmeere» in den SchottS von SüdtuviS und Algier beschäftigen soll. Lu den Mitgliedern dieser Commission gehören: v. Lesseps, General Cbanzy, Dupuy de Lome, DumaS, Becquerel und einige andere Mitglieder des In stituts. Zur Unterstützung der Spanier in Saida hat die französische Regierung eine Summe von 00000 KrcS. zugefichert; die spanische Regierung bat ihrerseits eine Entschädigung der französischen Staatsangehörigen zugesagt, welche bei dem can- tonalistischen und carlistischen Aufstande, sowie bei dem Aufstande auf Cuba zu Schaben gekommen find. Nach hier eingegangenen Nachrichten bat der Sultan von Marokko eine Convention unter zeichnet, welche die französischen Truppen ermäch tigt, Aufständische, welche Einfälle in das Gebiet von Algier unternehmen, nach den benachbarten Gebieten zu verfolgen. Gleichzeitig hat der Sultan zur Entschädigung der Opfer der letzten Einfälle eine Abschlagszahlung von 100AM KrcS. geleistet. Rom, Donnerstag, 27. April, AbendS. (W. T. B.) Die clericalen Blätter veröffentlichen eine päpstliche Encyklika an die Bischöfe von Si- cilien, in der sich daS Papstthum gegen die Kla gen zu rechtfertigen sucht, welche in den anläßlich der Erinnerungsfeier der ficilianischen VeSper gehaltenen Reden gegen daS Papstthum erhoben wurden. London, Donnerstag, 27. April, AbendS. (W T. B.) Die Trauung deS Prinzen Leopold, Herzogs v. Albany, und der Prinzessin Helene von Waldeck ist heute Mittag 1 Uhr vollzogen worden. In der heutigen Sitzung deS Unterhauses er widerte auf eine Anfrage deS BaronS WormS der UnterstaatSsecretär deS Aeußern, Sir Charles Dilke, nach einem Berichte deS englischen Lice- consulS in Odessa sei bei den Vorgängen in Balta ein Jude getödtet; viele andere seien schwer ver letzt worden. Auch sei ein Kall von Schändung einer Krau constatirt; Kinder seien nicht ermordet worden. Der durch Zerstörung von Privateigen- thum Ungerichtete Schaden werde auf circa 1 Mil lion Rubel geschätzt. Die russischen Behörden seien energisch bemüht, die Schuldigen zn ver haften. Lon Deutschland sei in der russischen Zudenfragk eine Collrctivnote der europäischen Mächte nicht angeregt worden. Schließlich wurde die Bill, betreffend die Wablbestechung, vom Unter- Hause iu zweiter Lesung ohne Abstimmung ange nommen. London, Freitag, 28. April. (Tel. d DreSdn. Zourn.) Der Giftmörder Lamson ist heute früh 9 Uhr hingerichtrt worden. Derselbe hatte gestern sein Verbrechen eiugestanden. Riga, Donnerstag, 27. April, AbendS. (W. T. B.) DaS hiesige Militärgericht hat in dem Procrsse gegen den lettischen Offizier Aisup, wel cher der Aufreizung der Letten zur Sprengung deS RitterhauseS in Riga angeklagt war, nach 1 stündiger Bcrathung wegen Mangelt an Beweis auf Freisprechung erkannt. Kiew, Donnerstag, 27. April, Nachmittags. (W. T. B.) Heute begann der AuSzug der von hier ausgewiesenen Juden; in dem Stadttheil Podol allein wurden infolge deS AuSzugS gegen 600 Wohnungen frei. Bukarest, Donnerstag, 27. April, AbendS. (W. T. B.) Bon den Deputirten LatzeScu ist eine Inga'» Schicksal am meisten Betroffene war, und auch Paul Schellborn, welcher täglich vorsprach, gehörte ohne eigentlicher Bekenntnis schon zu den Eingeweihten. Konradine schien so ganz in dem Walten um das Krankenlager aufgehen zu wollen, daß Roderich sie kaum noch zu sehen bekam. Da geschah e» eines Morgen« nach dem Früh stück, daß sie, nachdem die Aeltern sich entfernt hatten, allein mit ihm zurückblieb. .Roderich*, begann sie, „laß unS als Geschwister ein gute- Wort mit einan der reden! Ich dränge mich in Dein Geheimmß, aber ich glaube es zu dürfen, ja zu müssen I Du liebst Inga, und ich hoffe — ihr sollt noch mit einander glücklich werden!* „Konradine —!* rief er, ihre Hand ergreifend; und das Gefühl der Beschämung war m diesem Augenblicke bei ihm mächtiger als alle anderen Re gungen. „Wie ich hinter Dein Geheimniß gekommen bin?* fuhr sie fort. „Ich wüßte e« kaum zu sagen, denn e» fiel mir nicht ein, Euch zu beobachten, aber — ich wußte eS mit einem Mal! Roderich, ,ch bekenne eS Dir ehrlich und offen — ich war ,m ersten Augen blicke nicht erfreut darüber! Aber ich ging ernsthast mit mir zu Rathe und kam zu der Ueberzeugung, daß ich Dich an Jnga'S Scite als Schwester immer lieb haben könne — denn ich liebe auch Inga von Herzen!* Konradine hatte Thränen in den Augen, über die sie doch bald wieder Macht gewann. „Wir standen so eigenthümllch mit einander, Roderich,* fuhr sie fort, „daß Du zu der Annahme kommen konntest, an mich gebunden zu sein — Du bist e« nicht, Roderich! Du bist ganz frei! Wir Zwei, die wir so vertraulich Interpellation an den Minister deS Auswärtigen, betreffend die durch den Berliner Vertrag ange- ordnete Schleifung der Donausestungen, angemrldet worden. Der Deputirtenkammer ist eine Regie rungsvorlage zugegangen, in welcher die Ermäch tigung der Regierung zur Bestellung der für die rumänische Armee im Zadre 1883 nothwendig wer denden Waffen nachgesucdt wird. Nach einer Meldung aus Galacz sind der türkische und der serbische Delegirte zur Lonau- commisfion bereits dort eingekroffen. Dresden, 28. April. In Aegypten bereitet sich eine, wie uns scheint, vorerst mehr lnleressante, als bedenkliche Verwickelung vor. Wie man weiß, hat sich der jetzige Kriegsmini- ster des Vicekönig-, Arabl Bey, durch eine Militär verschwörung emporgeschwungen. Derartige Thaten bringen selten gute Früchte. Neue Complote ehr geiziger avancementslustiger Offiziere bildeten sich m der ägyptischen Armee, und die Disciplin erweist sich als dermaßen gelockert, daß kaum Aussicht vorhanden ist, die Ordnung wieder herzustellen. 13 der in das letzte Eomplot verwickelten Offiziere wagie der KriegS- raih nur mit „Verbannung* zu bestrafen. Wie das „Journal deS Däbats* berichtet, bereiten sich im Nü- thale bedeutungsvolle Ereignisse vor. Die Beduinen, die über Arab» Bey sehr erbittert seien, so daß derselbe nur noch mit einer EScorte ausgehe, hätten nicht die Resignation der FellahS und seien wenig geneigt, sich durch die Organstatoren der letzten Pronunciamleutos ausbeuten zu lassen Er herrsche eine sehr lebhafte Gährung unter den Nomadenstämmen, und die rapiden Fortschritte, welche die Unordnung täglich macht, könn ten binnen Kurzem sür die Sicherheit der Europäer beunruhigend wirken. An sich würden diese, in den orientalischen Reichen nicht ungewöhnlichen Vorgänge kaum überraschen; aber es tritt eine andere Complication hinzu, welche die Pessimisten in ihren, an die Mstitärcomplote ge knüpften Befürchtungen bestärkt. Schon seit längerer Zen erhebt Italien Ansprüche auf die Assab-Bai, welche ebenfalls bedeutungslos wären, wenn nicht an läßlich der ägyptischen Wirren eine türkische Inter vention rm Pharaonenlande in das Bereich der Mög- lichselten gehörte. Man hält aber die Platte sür sehr geneigt, bezüglich der Assab-Bai den italienischen Wünschen zu entsprechen. Mit Rücksicht auf die nichts weniger als befriedigenden französisch-italienischen Be ziehungen und in Anbetracht dessen, daß die Haltung Italiens gegenüber den ägyptischen Vorgängen einen entschieden anllsranzösischen Charakter trägt, verdient eS ferner besondere Beachtung, daß Italien in der Assab-Bai-Angelegenheit England auf seiner Seite hat. Wir würden also, wenn eS zu Differenzen käme, zu nächst England, Italien und die Pforte Frankreich gegenüber giuppirt sehen. Die lranzösischen Blätter sprechen sich daher auf das Entfchiedenste gegen eine türkische Intervention in Aegypten aus, und nament lich das Organ Gambetta's, die „Rüpublique franyaise*, marschnt in dieser Beziehung bei der französisch italie nischen Preßcampagne an der Spitze. Das Interessanteste an der hoffentlich noch durch die Geschicklichkeit unserer Diplomatie zu begleichenden Differenzen sind die hinter den Coulissen sich abspie- lenden Vorgänge. Man kennt die amüsant erfundene Komödie Scnbe's „En GlaS Wassers in welcher der große Staatsmann Bolingbroke erst eine Fraueninirigue be wältigen muß, bevor eS ihm gelingt, die englische Politik in friedliche Bahnen zu lenken. Was in den cultivirten Ländern Westeuropas heute nicht mehr möglich wäre, bildet im Orient immer noch einen mit einander stehen, dürfen ja auch darüber reden. Aber ich bekenne Dir, Du bist nicht der Erste, mit dem ich darüber spreche. Ich habe mich an die Mutter gewendet, gestern Abend erst, und sie gefragt, ob ich Dir sagen dürfe, waS ich nicht länger auf dem Herzen behalten mochte. Sie war einverstanden, sogar zu frieden damit. Und nun ist mir leicht, daß es vom Herzen ist und wir wieder ganz offen mit einander flehen. Inga wird gesund werden, der Arzt sprach heute früh von Neuem die Hoffnung aus, und dann werdet Ihr einander angehören, und ich werde mit Euch glücklich sein!* „O Du reine, treue Seele!* sagte Roderich mit einem tiefen Seufzer Konradine aber fiel ihm um den Hals, küßte ihn und rief: „Mit diesem Kusse sind wir wieder, wa» wir als Kinder waren: gute Kame raden, treue Freunde, Geschwister, wie wir zusammen erzogen worden! Und so soll eS bleiben! Immer! Immer!* Sie entwand sich feinen Armen und eilte h nau». Er empfand diefe Lösung nicht mehr so, als er sie noch vor Kurzem zu empfinden gehofft hatte, denn cS war nur Demüthigung, die er fühlte, nicht innere Befreiung. Gleich darauf trat die Mutter ein. „Wir durchleben harte Tage, mein Sohn,* begann sie, „und eS «st mir nicht mehr verborgen, daß Du sie nächst unserer Kranken am härtesten zu tragen hast DaS Räthsel, wie Inga in den brennenden Wald gerathen konnte, ist gelöst. Sie hat un» entfliehen wollen Unter ihre« Sachen fand ich so eben diesen Brief. Die Aufschrift ist an mich, und so habe ich ihn gelesen. Lies aucy Du, aber bleibe gefaßt! Bleib ei um unsertwillen — Du weißt, wie ernst auch de- Vater- Gemüth beschäftigt ist! — Bleib eS wichtigen Factor. Die zarten Hände der HaremSdamen greifen noch zuweilen in die Politik deS türkischen Reiche- ein, und nach der Wiener „Presse* hätte sogar der außerordentlich» Gesandte des Ka serS Wil helm, Fürst Radziwill, bei dem Obereunuchen sich mit mehr Förmlichkeit verabschiedet, al» bei Sr. Ex- cellenz dem leitenden Minister. Die Damen deS Harems, sowohl diejenigen des Khedive, wie diejeni gen des Sultans, sind zumeist Tscherkessinnen; die Führer der Verschwörung in Aegypten sind aber gleich falls Tscherkessen, und man hätte daher den Schlüssel zur Lösung der Räthsel leicht gefunden. Die Nach richten von der Verhaftung „eingeborener Damen* in Kairo und von der bcsondern Theilnahme, welche der Sultan den verhafteten tscherkessischen Osfizieren zu wende, würden nach den „Daily News* durch zarten, in Kairo und Konstantinopel geübten Fraueneinfluß hinlänglich erklärt sein. Die zu befürchtenden Verwickelungen sucht man aber nicht blos m den türkisch-ägyptischen Harem»- intriguen, sondern weil mehr noch m den inneren Verhältnissen der bei der Angelegenheit meistdethetlig- ten französischen Republik. In dieser Beziehung hat sich die Lage seit einigen Tagen verschlimmert. Seit der tunesischen Expedition und vor Allem während deS Ministeriums Gambetta ist die öffentliche Meinung ohne Unterlaß bearbeitet worden, um ihr den Satz, daß eine türkische Einmischung in Aegypten mit den Interessen Frankreichs durchaus unverträglich sei, zu einem Glau benssätze zu machen, und e» ist auch wirklich gelungen, einen dahin gehenden, allerdings noch nicht sehr inten siven Strom in der Oefientlichkest zu erzeugen. Frey- cinet selbst konnte sich diesem nicht entziehen, und eS ist bekannt, daß er bisher eine iürklsche Einmischung für unstatthaft erklärt hat, weniger vielleicht, weil er von deren Verderblichkeit so fest überzeugt war, als vielmehr, weil er feinem unversöhnlichen Gegner, Gam betta, keine Waffe in die Hand geben wollte. Wenn der Sultan einen neuen Vicekönig einsetzt, vielleicht gar mit militärischer Unterstützung, so würde Gam betta sofort zum Angriff lchretten, die Interessen Frank reichs als preisgegeben darstellen und bei dieser taktisch unter den obwaltenden Umständen nicht ungünstig Ue- genden Frage daS Ministerium zu stürzen suchen. E» ist nun zwar sicher, daß die große Mehrheit in Volk und Kammer die abwartende, friedliche Politik Frey- cinel'S im Gegensatz zu der Gambetta's ganz und voll gebilligt hat und noch billigt. Man darf auch wohl annehmen, daß de Freycinet fern Möglichstes thun wird, um die Gambettlstlsche ActwnS- und Ja- terventionspolitik nicht aufnehmen zu müssen; aber man zweifelt immer noch einigermaßen, ob er hierzu stark genug sein wird. Der Gegensatz zwischen Italien und Frankreich hat sich, wie der „TempS* betont, durch die vom Minister Mancini am 22. d. in der italienischen Deputirtenkammer abgegebenen Er klärungen und die Antwort deS englischen Unter- staatssecretärS Sir EharleS Dilke auf die Anfrage deS BaronS Worms im Unierhause wieder verschärft. Dem osficiösen Blatt zufolge hätte der Letztere die Souveränetäl der Pforte über die Bai von Assab an erkannt, während der italienische Minister, indem er die ausschließliche Abhängigkeit deS betreffenden Gebietes von Italien behauptet, das türkische Hoheitsrecht indirect bestritten habe. Er meint jedoch, erst die Veröffent lichung der Documente werde den italienischen Stand punkt sicher erkennen lassen Inzwischen ist am vorgestrigen Tage der italienischen Depulirtenkammer der die Assab- Bai betreffende Gesetzentwurf vorgelegt worden. Der selbe proclamirt die Souveränetäl Italiens auf Assab, dehnt die italienischen Gesetze auf die dort wohnenden Italiener und mit den gebotenen Aenderungen auf die Elnheunifchen auS. Assab wird zum Freihafen erklärt. AuS dem den Gesetzentwurf begleitenden Berichte er- um Deiner selbst willen! Wir Alle müssen jetzt un seren Kräften elwaS zumuthen!* Sie reichte ihm den Bries und verließ das Zimmer. — Roderich la», und ein neues Schuldgefühl stand nur drohender in seinem Herzen aus. Jnga's Zeilen lauteten: „Theuerste müt terliche Freundin! Ich verlasse Ihr lieber Hau», heimlich, und muß den Vorwurf der Undankbarkeit tragen. Forschen Sie nicht nach der Ursache meiner Flucht. Es glebt Geheimnisse, die man mit in daS Grab nimmt. Oder sagt Ihnen eine Vermuthung et was davon — ich fühlte Ihren Blick zuweilen fo durchdringend —, fo lassen Sie eS verschwiegen blei ben! ES soll durch mich kein Frieden und kein Glück getrübt werden, und darum muß ich hinweg! Ich gehe zu meinem Bruder. Von dort auS gebe ich Ihnen Nachricht. Verzeihung, beste und gütigste Frau! Und ewigen, unvergessenen Dank! — Inga!* Roderich eilte hinunter in sein Zimmer, um in dem innersten Schauder, welcher ,hn erfaßte, von Nie manden angeredet zu werden. Gegen sich felbst wendete er nun anklägerisch d'e ganze Wucht seine» leiden schaftlichen Schmerze». „Ich war e», ich', so rief er sich zu, „der sie m die Flucht jagteI Der diefe» reine, holde Geschöpf in Qualen und Schrecken, auf verirrte Wege, du:ch Nacht und Flammen getrieben! Um un fern Frieden nicht zu trüven, opferte sie den ihren und muß für ihr großmüthigeS Entsagen Qualen erdulden, die ich verdient hätte, ich, der einzig Schuldige! Wenn eS keine Rettung sür sie giebt, wie soll ich leben, mit d esem Stachel im Herzen, m«t dieser unauslöschlichen Qual im Gewissen!* — Er hatte Zeit, seine Verzw if- lung duichzukosten, denn er blieb allein, und Niemand Hindette ihn, allem zu bleiben. Jeder im Hause hatte
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