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sich steigernd und - gleich einer dreiteiligen Liedform - zum verhaltenen Beginn zurückkehrend. Najaden und Tritonen jagen sich im ausgelassenen Spiel der Wellen. Sonne strahlt. Die Musik, einem Scherzo mit trioartigem Einschub vergleichbar, ist farbig und bildhaft. Wechselnde Motive werden frei verarbeitet. Es sprüht und funkelt. Ruhig verklingt der Satz. Ein gegensätz liches Bild: Dunkle Zypressen, zerklüftete Felsen, ein Nachen mit einem Sarg gleitet der Toteninsel zu. Wer kennt nidit Böcklins Bild? Die „Toteninsel“ wurde so populär, daß man sie zum Schlafzimmerbild degradierte. Düstere Stimmung, in der dennoch so etwas wie die Süfee italienischer Schönheit mit schwingt. Oboe und Englischhorn stimmen eine Klageweise an. Vergäng lichkeit des Lebens .. . Trompetenrufe eröffnen das effektvolle Finale. Eine Fülle von Motiven wird durcheinandergewirbelt. Bacchanal: Musik derTrunken- heit und des Taumels. Musik des entfesselten Rausches und der Raserei. Es scheint, als habe Reger in diesem Finale sein umfassendes Können beweisen wollen, wobei er klanglich nicht immer der Gefahr einer dynamischen Über steigerung entging. Peter Tschaikowski wurde in den Monaten Mai bis August 1888, als er an seiner 5. Sinfonie arbeitete, oft von Stimmungen des Zweifels und der Resignation überfallen: „Ist es nicht an der Zeit aufzuhören? Habe ich nicht meine Phantasie über anstrengt? Ist die Quelle nicht versiegt?“ Nach der Petersburger Uraufführung am 5. November 1888 war der russische Meister überzeugt, seine „Fünfte“ sei ein mißglücktes Werk. Tschaikowski irrte. Durch den Abstand der Zeit wurde eine gerechte Wertung möglich: Die „Fünfte“ bedeutet einen strahlenden Höhepunkt im Schaffen Tschaikowskis, sie steht gleichberechtigt neben der „Sinfonie Pathetique“; ja es gibt sogar Stimmen, die meinen, dal? die „Fünfte“ überhaupt die bedeu tendste Sinfonie ist, die Tschaikowski jemals geschrieben hat. Mit einer langsamen Einleitung wird der erste Satz eröffnet. Diese Melodie - in allen Sätzen als treibende Kraft wiederkehrend - stellt gleichsam eine Art Schicksalsmotiv dar (ähnlich wie in des Meisters vierter Sinfonie!), über das der Komponist in einem Brief an seine mütterliche Freundin Frau von Meck berichtete: „Unser Ich wird, in Musik übersetzt, nicht mehr sein können, als eine idee fixe im Sinne von Beriioz." Das heilst soviel wie ein unveränder licher musikalischer Gedanke in Art eines Leitmotivs. Der sich steigernde Rhythmus des ersten Themas, der lyrische Strom des zweiten und das leiden schaftliche Gefühl des Abganges (3. Thema) werden, ganz im Sinne der klassischen sinfonischen Form, von Tschaikowskis Schöpferkraft zu einem geschlossenen Ganzen von packender Eindringlichkeit zusammengebalit. Der langsame Satz enthält zwei sich wiederholende Hauptgedanken, die durch einen Mittelteil getrennt sind. Das Schicksalsmotiv, die „idee fixe“, erfährt eine bedeutsame Verarbeitung. Der Melodienstrom, die Innigkeit des Gefühls und die starke menschliche Ausstrahlung verleihen dem Satz ein persönliches Gepräge. Das Scherzo wurde von Tschaikowski als „Walzer“ niedergeschrieben, in seiner eleganten, unterhaltsamen Art ein starker Kontrast zu dem auf wühlenden Seelengemälde der Anfangssätze. Das Finale erinnert mit seinem Hauptthema an russische Tanzrhythmen, und auch das zweite Thema wird von starken Bewegungsimpulsen getragen. Während im Walzer die „idee fixe“ nur verhalten aufklingt, gewinnt sie im Finale an Bedeutung. Festliche Marschrhythmen leiten zum Höhepunkt und Schluß der Sinfonie über, wobei Tschaikowski noch einmal auf das Hauptthema des ersten Satzes zurückgreift, um so das gesamte Werk formal und inhaltlich abzurunden. Textliche Mitarbeit; Gottfried Schmiedel III|11|4 Kg 533j58 DDR 1 438 134 F