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Dresdner Journal : 28.01.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188201285
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820128
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820128
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-01
- Tag 1882-01-28
-
Monat
1882-01
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 28.01.1882
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irn solchen Frage willen! Da« Cabinet verlangt die Be- rechligung, vor dem Congreß eine These zu verthei- digen, die sicherlich tue beständigen Ueberlieferungen der republikanischen Partei für sich hat, und ehe man dem Ministerium diese Erlaubniß giebt, will man e» lieber zum Falle bringen, ohne sich um die Folgen zu bekümmern! Wir können e» nicht glauben; am fol» genden Tage würden unsere Freunde von Neuem sein, war sie vor 10 Wochen waren, einfache Deputirte. Sie würden nicht» verloren haben, denn sie würden ihr Programm demokratischer Reformen, dessen Aus führung das Land unermüdlich verlangt, von Neuem vorlegen. Aber e» scheint uns, daß die Kammer an Autorität eingebüßt hätte." — Aehnlich hält e» der „ Vol- taire" für unmöglich, daß man den Mann, welcher die Seele der Nationalvertheidigung gewesen, welcher die Kräfte der Reactionären vollständig gebrochen, jetzt erbärmlichen Jntriguen, kleinlicher Rachsucht, elenden persönlichen Interessen opfern wolle. — Auffallend ist die Haltung der Monarchisten, deren Existenz in der Kammer man seit dem Beginn dieser Session so gut wie vergessen hatte. Sie sollen entschlossen sein, für Gambetta zu stimmen, weil ihnen die Aussicht auf ein Ministerium de Freycinet keineswegs angenehm ist. ES bleibt aber abzuwarten, ob sich dem wirklich so verhält. Vielleicht hat dieses Gerücht bloS in den Artikeln einiger royalistischen Blätter, die für die Haltung der Partei in der Kammer noch nichts beweisen, seinen Ursprung. In diesen Artikeln wird Gambetta mit einem Stier verglichen, der in die Porzellanbude der Republik eingebrochen sei und dessen Verheerungen die Monarchisten mit Vergnügen zufehen müßten. — JuleS Simon bleibt im „Gaulois" dabei, baß eS unklug wäre, Gambetta au» der Regierung scheiden zu lassen, so lange er nicht wirklich gerichtet worden. JuleS Simon hat die Besorgniß, der Gegner, den er mit unversöhnlichem Haste verfolgt, fei noch nicht un populär genug, um nicht nach einiger Zeit wieder von Neuem zur Gewalt zu gelangen. Aber eS ist nicht recht logisch, daß er zu gleicher Zeit verlangt, keiner der streitenden Theile solle heute dem andern rin Zugeständniß machen. Die Situation könne nur durch die Unterwerfung eines der Kriegführenden, nicht aber durch einen Ausgleich gelöst werden. Da« traurige, die Majestät der Justiz Herabwür digende Schauspiel, daS sich feit Monaten mit unge bührlicher Weitschweifigkeit vor dem Afsifenhofe von Washington abspielte, ist vorgestern zu Ende ge gangen. Guiteau wurde deS Mordes, begangen an dem Präsidenten Garfield, von den Geschworenen schuldig gesprochen, und damit ist nun endlich trotz aller Excentricitäten und SimulirungSkünste des An geklagten, trotz aller ausgesuchten Chicanen feines Ver- theidlgerS, die nur zu lange schwebende Streitfrage, ob Irrenhaus oder Galgen, in letzterm Sinne entschieden worden. Mit diesem Spruche sind die Manen deS unglücklichen Präsidenten gesühnt; gleichzeitig jedoch wurde im Washingtoner Gerichtssaale die Corruptions- partei nach Gebühr gebrandmarkt, nahm doch der Vertheidiger Guiteau'», Scoville, keinen Anstand, Grant, Conkling und den jetzigen Präsidenten Arthur als Mitschuldige darzustellen. Aber erst wenn die„Beute- politiker" rn der Union endgiltig der öffentlichen Ver achtung preisgegeben fein werden, kann von der rechten Sühne für Garfield'» Ermordung die Rede sein. Wie im frühern Verlaufe, fo ließ auch gegen da» Ende des ProcesseS Guiteau's allerdings ungewöhnliches Ge bühren eher auf einen frechen, unverschämten Men schen, als auf einen Wahnsinnigen schließen. In seiner BertheidigungSrede am 21. d., in welcher er behaup tete, daß er am 2. Juli vor. I. nicht bei gesundem Verstände gewesen sei, wiederholte er die im Laufe seine» ProcesseS häufig abgegebenen Erklärungen und trug dieselbe erkünstelte Rührung zur Schau. Bei den Worten: „Ich habe stets Gott, dem Herrn, ge dient", brach er zusammen und begann zu schluchzen. Er vergrub sein Gesicht einige Secunden in ein Taschentuch und wischte sich die Augen, machte aber später dennoch seyr kühne rednerische Versuche. Seine Schilderung deS Mordanfalles auf Präsident Garfield verlas er mit theatralischem Pathos. Zuweilen schloß er seine Augen oder schlug sie himmelwärts auf. Dabei beugte er feinen Körper rückwärts und vorwärts, sprach bald im Flüsterton, bald mit erhobener Stimme. Er sagte den Geschworenen, daß, so sicher ein Gott im Himmel sei, die Nation nicht dulden werde, daß ihm ein Haar seines Hauptes gekrümmt werde. Er fügte hinzu: „Sie können meinen Leib' in das Grab legen, allein eS wird ein Tag der Abrechnung kommen." Bei der Beurtheilung de» Angeklagten darf man die Thatsache nicht au» den Augen lasten, dag der selbe ein Politiker und Aemterjäger der schlimmsten Sorte war, und daß er in einer politischen Schule aufwuch», welche stet» dem Grundsätze huldigte, daß der Zweck, resp. der Erfolg die Mittel heilige. Guiteau konnte au» früheren Ereignissen schließen, wie sehr da» amerrkamsche Volk geneigt ist, den Erfolg anzu- beten und auf der Stätte de» himmelschreiendsten Un recht» Gra» wachsen zu lassen. Und wa» für ein Erfolg war e» in den Äugen deS Aemterjäger», wenn er durch einen kühnen Handstreich da» Präsidentenamt und mit ihm das ganze System der Beutevertheilttng in andere Hände legen konnte I E- war wohl eine maßlos überspannte, aber keine wahnsinnige Talcu- lation, wenn er voraussetzte, daß Diejenigen, welche er ins Amt einsetzte, ihn für solche Dienste belohnen würden. Im Grunde genommen werden ja die gegenwärtigen ame rikanischen Parteien und Cliquen durch ein ausgebildetes System der Belohnung höchst zweifelhafter Partei dienste zufammengehalten, und eS war Nicht so ganz unlogisch, anzunehmen, daß Diejenigen, welche einen PräfidentschaftSdiebstahl billigten, schließlich auch einen Präsidentenmord gutheißen würden War es denn angesichts der furchtbaren politischen Lorruption fo ungereimt, vorauszusehen, daß auch diese» Verbrechen im großen Beutekrieg, wie so manches andere, unge ahndet bleibe? Der VolkSzorn war allerdings zu fürchten; aber man durfte auch annehmen, daß er sich bald legen, vielleicht gar einer versöhnlichen Sentimen talität Platz machen werde. Und selbst dann, wenn Alles fehlschlug, wenn der neue Präsident den gelei steten Dienst nicht anerkennen wollte oder konnte, blieb immer noch ein Rettungsmittel übrig — die Wahn sinnstheorie. Die Wahnsinnstheorie, durch welche sich schon mancher geistig gesunde Verbrecher dem Galgen ent zogen hat, spielte auch in dem Proceß Guiteau eine überaus wichtige Rolle. Glücklicherweise hat diese Theorie nicht triumphirt, denn obgleich es für alle Wohlmeinenden ein wahrer Trost gewesen wäre, wenn man in Zukunft mit Fug und Recht sagen könnte, daß nicht ein schlauer, enragirter Aemterjäger, sondern ein Wahnsinniger den Präsidenten der Vereinigten Staaten ums Leben gebracht habe, so kann doch Nie mand wollen, daß einem solchen Wunsche die Wahrheit zum Opfer gebracht werde. Ungleich trauriger, als diese bittere Wahrheit, wäre der Gedanke gewesen, daß der Präsidentenmörder, obwohl geistig gesund, auf Grund der Wahnsinnstheorie straflos ausging. Die Aussagen der verschiedenen Experten haben der Jury sowohl wie dem Publicum Manches zu denken gegeben. War es auch keine leichte Aufgabe, zu einer klaren Vorstellung über den Geisteszustand deS Angeklagten zu gelangen, so fehlte eS doch nicht an bestimmten Anhaltepunkten, welche die Bildung einer festen Ueber- zeugung ermöglichten. Wenn man es versteht, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen und allzu gelehrte Spitzfindigkeiten m die Sprache des gefunden Menschenverstandes zu übertragen, so wird man immer hin einige Punkte erhalten, welche das wüste Dunkel des Geistes- und Gemüthslebens Guiteau's erhellen, vr. Spitzka hält ihn sür wahnsinnig und für eine „moralische Monstrosität", wogegen alle anderen Ex perten sich der Ansicht zuneigen, daß der Angeklagte, obwohl excentrifch, doch geistig gesund und gar wohl im Stande war, zwischen Recht und Unrecht zu unter scheiden. Der Experte vr. Talcott, vom homöopathi schen Asyl in Middletown, erklärt, daß Personen, welche glauben, von Gott zur Begehung eines Mordes in- spirirt zu fein, gewöhnlich Hallucinationen haben und offen von ihren Absichten sprechen. Das war bei Guiteau bekanntlich nicht der Fall, und die Vermutyung liegt deshalb nahe, daß er bei der Begehung des Ver brechens nicht an jene Inspiration geglaubt. In der That scheint die Jnspirationsiheorie eine nachträgliche Ausrede gewesen zu sein. Unmittelbar nach dem Attentat be rief sich Guiteau nicht auf Gott, fondern auf den Bicepräsidenten Arthur und die „Stalwarts". Die Aussagen des Zeugen Reynold beweisen, daß er selbst seine That ganz anders beurtheilte, so lange er seine Hoffnungen aus die „StalwartS" baute, und daß die JnsprrationStheorie erst dann zu Hilfe genommen wurde, als jene Hoffnungen schwanden. Die „New-Aorker StaatS-Zeitung" tritt dem Mißbrauche entschieden entgegen, welcher mit derWahn- sinnStheorle in den CriminalgerichtShöfen immer häu figer getrieben wird, und weist namentlich auf das Beffpiel Englands hin, wo neuerdings entschieden wor den ist, daß auch der Verlust des Gedächtnisses als ein Beweis de» Wahnsinns betrachtet werden müsse. ES sei klar, daß man mit dergleichen Theorien, die meist jeder klaren Definition entbehren, einer noch so intelligenten Jury imponiren und die Köpfe der Ge schworenen fast nach Belieben verwirren kann. Die „N.-U. St.-Ztg." schließt ihre Betrachtungen mit fol genden Sätzen: „In der amerikanischen Justizpflege hat das Uebel wohl noch größere Dimensionen ange nommen, als anderswo. Wir sind auch hier noch nicht so weit gekommen, den Wahnsinn auf bestimmte Grenzen zu definiten. Die Frage, ob ein Angeklagter geistig gesund, oder wahnsinnig, für seine Handlungen verantwortlich, oder unzurechnungsfähig fel, muß ge- wöhnltch von der Jury entschieden werden. Dabei Haden Advocate» und Experten den freiesten Spiel- yaum, ihre WahnsinnSthrorien auSelnanderzusetzen. Die Experten werden nicht ein Mal vom Gerichtshöfe, fon dern von den proceßführenden Parteien emberufen. Mit einem Worte: wir haben, wie gerade jetzt im Guiteauproceß, Experten für die Anklage und Experten für die Vertheidlgung. Kein Wun der, daß unter solchen Umständen gar merk würdige Gutachten und sonderbare Entscheidungen zu Tage gefördert werden. In manchen Smaten kommt der Zweifel dem Angeklagten zu Gute; in an deren, wie z. B. in New-Jerfey, muß der Wahnsinn der angeklagten Person zur Evidenz erwiesen werden; m allen aber herrscht die größte Unbestimmtheit be» treffS Dessen, was als Wahnsinn betrachtet werden soll. Unter diesem System kommt eS leider häufig genug vor, daß geistig gesunde Personen als irrsinnig eingesperrt und gesunde Verbrecher freigesprochen wer den. Während dre Gesellschaft vor wirtlich irrsinnigen und gefährlichen Personen noch lange nicht genügend geschützt ist, steht sie zugleich vor dem ungleich größern Uebel, daß geistig gesunde Verbrecher sich confequent bemühen, unter dem Deckmantel der WahnsinnStheorie straflos auszugehen. Und da viele von ihnen hierin erfolgreich gewefen sind, ist eS nur natürlich, daß Andere um so weniger vor einem Capitalverbrechen zurückschrecken, als ihnen im schlimmsten Fall dieselbe Hoffnung auf Straflosigkeit bleibt. Zwei Maßnahmen dürften geeignet sein, diesem Uebelstand einigermaßen adzuhelfen. Zunächst sollte der Wahnsinn, soweit dies nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft mög lich ist, mit einiger Bestimmtheit desinirt werden. Sodann sollten die Experten nicht von den proceß» führenden Parteien, fondern vom Gerichtshof vorge laden und angewiesen werden, die Jury ohne jeden Wortschwall und gelehrten Kram über jeden einzelnen Fall aufzuklären." Auch die „New-Aorker Handelr-Zeitung" verurtheilt in entschiedener Weise den Unfug, welcher sich im Washingtoner Gerichtssaale abgespielt hat, und sagt: „Guiteau ist zu einem wahren Schrecken der Nation geworden und erinnert an den Elephanten, der einem ung'ücklichen Privatmanne in einer Lotterie als Hauptpreis zugefallen war. So geneigt man auch fein mag, der ungewöhnlich schwierigen Stellung, welche der öffentlichen Anklage und dem Verhörsrichter gegenüber einem fo exceptionrllen Angeschuldigten wie Guiteau zugefallen, die billigste Rechnung zu tragen: fo hat sich doch im Laufe des Verhörs mehr und mehr als allgemeine Ueberzeugung festgestellt, daß da bei durchaus verkehrten Ansichten über die Pflichten der Humanität und der Gerechtigkeit gegen einen des höchsten Verbrechens Geständigen fo ungebührlicher Raum verstattct worden ist, daß dadurch nicht nur die Zweck- der Justiz und der öffentlichen Moral ver eitelt zu werden drohen, sondern auch eine wesentliche Beeinträchtigung der Achtung des Volkes vor Gesetz und Recht und den höchsten Zwecken des Staates zu befürchten steht. Die Freiheit der Bewegung zum Zwecke feiner angeblichen Selbstvertheldigung, welche dem, abgefehen von allen Motiven, eines Mordes nicht nur Angeklagten, fondern auch Geständigen ver gönnt worden ist, hat zwar ohne Zweifel zu einer genauern Einsicht in dieses psychologische Problem bei- getragen, zugleich aber auch den nicht auszugleichenden Nachtheil gehabt, die Verhandlungen über einen Cri- minalsall, auf den die Augen der gejammten Welt ge richtet sind, oft zum Gegenstand allgemeiner Erheiterung herabzuwürdigen, ohne dabei dem eigentlichen Ziele, der Klarheit in der Beurtheilung deS ungewöhnlichen Falles, auch nur im Entferntesten näher zu kommen. Daß diefer merkwürdige Fall ein Ende erreicht, wel ches der vielfach getheilten öffentlichen Meinung auch nur annähernd zur Befriedigung gereichen werde, ist fast zur Unmöglichkeit geworden durch die absurde, aber leider durch das bestehende Strafverfahren ge ¬ rechtfertigte Thatsache, daß dem Angeklagten nicht nur die Rechte eine» Zeugen in seiner eigenen Sache ein geräumt, sondern ihm auch, unter Voraussetzung der gehörigen Frechheit auf feiner Seite, gestattet wurde, die thatsächliche Leitung der Bertheidigung und selbst des Verhör» an sich zu reißen. E» müssen in der That schreiende Mängel in einem Strafverfahren vor handen sein, da» in einem Falle, wie dem de» Prä- sidentenmörder», zu solchen Resultaten zu führen ver mag, ohne daß dem Untersuchung»richter zuletzt eine größere Schuld beigemessen werden könnte, al» die, dem Geiste de» Gesetze» eine allzu liberale Auslegung gegeben zu haben." In Bezug auf die über Guiteau zu verhängende Strafe wird voraussichtlich eine neue lange Controverse entstehen. Bereit» meldet der Telegraph, daß Scoville, der Vertheidiger Guiteau'», den Antrag zu Gunsten eine» neuen ProcesseS vorbereitet. Da die neue Sitzung»- frist deS Gerichtshofes, vor welchem der Proceß ver handelt wurde, am 23. d. begonnen hat, kann Guiteau erst in der nächsten Sitzungsperiode, welche im April er öffnet wird, verurtheilt werden. Die Hinrichtung darf, einem alten Herkommen gemäß, erst nach Verlauf von 30 Tagen nach Beendigung de» Apriltermins vollstreckt werden, so daß also Guiteau eine Galgenfrist von über 5 Monaten genießen wird. Tagesgeschichte. Dresden, 27. Januar. Nach längerer Pause geht uns über das Befinden Sr. königl. Hoheit de» Prin zen Albert die Mitthellung zu, daß nach fünfmonat licher Unterbrechung gestern bei Höchstdemfelben wie der eine nicht unbeträchtliche Blutung eingetleten ist. Der Schwächezitstand ist infolge davon gegenwärtig größer, als in den vorhergehenden Wochen. Der Appetit ist gering; Fieber nicht vorhanden. Dresden, 27. Januar. Auch heute traten beide Kammern zu Sitzungen zusammen. Die Erste Kam mer ertheilte nach kurzer Debatte der zwischen den StaatSregierungen deS Königreichs Sachsen und deS GroßherzogthumS Sachsen über die Mitbenutzung eini ger königl. sächsischer Landesanstalten seiten der groß- herzoglichen Regierung vorläufig verabredeten Ueber- einkunft ihre Genehmigung und bewilligte sodann die Cap. 1—5, 7, 17 und 18 deS Etat- der Ueberschüsse nach den Beschlüssen der Zweiten Kammer. Die Zweite Kammer beschloß, drei von dem Abg. Freytag vorgelegte Anträge auf Vorlegung von Gesetzentwürfen über den Vorbereitungsdienst zu Er langung der Fähigkeit zum Richteramt, über die Dienst verhältnisse der Gerichtsschreiber und der Gerichtsvoll zieher und über die Ausführung der deutschen RechtS- anwalt-ordnung und der Gebührenordnung für Rechts anwälte durch Hauptvorberathung zu erledigen. Ein Antrag deS Abg. Gclbke auf Vorlegung eine- Gesetz. entwurfS, nach welchem für Bezirke, in denen rin Be- dürfniß hervortritt, die Einführung eines gemeinsamen FlurschutzeS vorgeschrieben werden kann, wurde der Gesetzgebungsdeputation überwiesen und endlich der Antrag deS Abg. Grahl, nach welchem unter Umstän den der Austritt aus einer PrivatfeuerversicherungS- anstatt und der Uebertritt zu einer andern Anstalt gestattet werden soll, auf Antrag der GesetzgebungS- deputation einstimmig angenommen. Nächste Sitzung Montag. * Berlin, 26. Januar. DaS Befinden Sr. königl. Hoheit deS Prinzen August von Württemberg, welcher vom Generalarzt vr. Leuthold behandelt wird, ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg." erfährt, durchaus zu friedenstellend, doch ist der Prinz genöthigt, den rechten Arm, in welchem leiver eine große Schwäche zurück geblieben ist, noch in einer Binde zu tragen. Die allerhöchsten und höchsten Herrschaften lassen täglich über daS Befinden desselben Nachrichten einziehen. DaS Geburtsfest des Prinzen am 24. d. M. ist auS Anlaß dieses Unfalles dies Mal in aller Stille ver lausen. — Wie daS „Deutsche Tageblatt" hört und die „N. Pr. Ztg." bestätigt, ist der Bicepräsident deS SlaatSministenumS v. Puttkamer zum Capitular deS DomstiftS in Naumburg ernannt worden. — Die in der gestrigen Sitzung deS Reichstag- vom StaatS- minister v. Puttkamer gehaltene, von unS bereit- inhaltlich mitgetheilte Rede schloß wörtlich, wie folgt: Meine Herren, er giebt jetzt so Biele unter unS, die, von einem gewissen Pessimismus beseelt, nicht» wie schwarze Re- actionswolten am Himmel sehen Meine Herren, ich kann Sie versichern, eS giebt andere Wolken am europäischen Wolken- Himmel al» die>e, sür die allerdings Manchem unter un» da» Erkennungsvermögen zu mangeln scheint Aber das kann ich Ihnen sagen, wenn diese Wolken sich einstmals über uns ent- - - - , " denn unsere Wege scheiden sich von jetzt ab. Ich bleibe hier." „Er trat einen Schritt zurück, dann sagte er leise: „Du scherzest. Es kann nicht Dein Ernst sein, mich allein zu lassen und hier zu bleiben, hier bei dem Kapellmeister Halmir, einem Dir fremden Mann. Ich war der Mann, der Dich liebte und Dich als sein Elgenthum beschützte und bewachte." „Und er ist der Mann, der mich groß und berühmt machen wird, weil ich sein Werk groß und berühmt machen soll. Er braucht mich, und ich brauche ihn, darum bleibe ich hier." „Annina!" rie, der junge Mann leidenschaftltch und flehend. „Sei barmherzig. Denke daran, daß ich Heimath und ein leidliches Auskommen, Aeltern und Geschwister vrrließ, um mit Dir herumzuziehen durch die ganze Welt, weil Du noch immer nicht ein willigen wolltest, ein ruhige» bürgerliche» Leben in Behaglichkeit und Sicherheit an meiner Seite als meine rechtmäßige Frau zu führen, und ich ohne Dich nicht sein konnte." „Eine schöne Bürgerfrau hätte ich abgegeben", lachte sie leise auf. „Habe ich Dich gebeten, um mei netwillen Deine alten Aeltern, Deine Heimath zu ver lassen? Du gefielst mir. Dein hübsche» Gesicht war aut anzusehen, und ich drehte mich gern mit Dir im Tanz, wenn Du heimlich in unsere Schenke geschlichen kamst. Konntest Du Dich je einer weiteren Gunst rühmen? Den Mann, der um die Augen eine» Mäd chen» Pflicht und Ehre vergessen konnte, der davon lief von Hau» und Hof, um einer Dirne zu folgen, den habe ich, obgleich ich nur eine Bettlerin bin, heimlich im Herzen verachtet." (Fortsetzung folgt.) Verborgene Schätze. (Schluß zu Nr. 21.) Es ist in der That schwer, sich einen Zustand der Gesellschaft zu denken, wie gebildet dieselbe auch sein mag, in welchem eine so unnatürliche Einrichtung in etwas Anderes als in Elend ausgehen füllte, und wir haben keinen Grund zu glauben, daß selbst in der glorreichsten Zeit des alten Aegyptens die Erziehung der Frauen der Größe ihrer Verantwortlichkeit ange messen war. Im Gegentheil, eS ist sehr gewiß, daß die ägyvtischen Frauen von ehemals nicht weniger eigen willig,nicht weniger leidenschaftlich, nicht weniger rücksichts los als die ägyptischen Frauen von heute waren. CtesiaS und Lanc, die in einem Abstand von 23 Jahrhunderten schrie ben, geben ihnen genau denselben Charakter und dieser ist sicherlich am wenigsten geeignet für die Ausübung einer unverantwortlichen Macht. Doch in diesem Punkte sind wir nicht blosen Bermuthungen überlassen. Ge wisse griechisch-ägyptische PapyruSrollen der Ptolemäi- schen Zeit gewähren uns gerichtliche Belege für die Übeln Resultate deS nationalen Ehegesetzes zu dieser Zeit. Diese Dokumente bestehen ans einer Reihe von Petitionen, die von zwei Zwillingsschwestern, namens ThaveS und Taon», die zu Memphi» unter folgenden Umständen in den Tempeldienst eingetreten waren an Ptolemäu» Philometer gerichtet wurden: Ein Aegypter auS Memphi» „wählte" und setzte, nach dem Noviziat eine» Jahre», ein Mädchen, genannt Nefer-t al» seine Frau ein. Nach dem alten ägyptischen Gesetz ent äußerte er sich zu ihren Gunsten feine» ganzen Besitz thum», indem er die Bedingung nicht au»ließ, daß sie während feine» Leben» sür ihn sorgen, ihn gehörig einbalfamiren und begraben und die herkömmliche Kapelle zu feinem Trauergottesdienste bauen lassen sollte. Sie hatten, dem Anschein nach, während des Noviziatsjahres glücklich gelebt, Nefer-t war Mutter von Zwillingen geworden und der Mann stand im Be griff, die Ehe zu bestätigen. Nicht sobald jedoch hatte Nefer-t ihre „Einsetzung-urkunde" erhalten, als sie sich und ihr Vermögen einem griechischen Soldaten, namen» Philipp übergab, der ihr einige Zeit lang den Hof gemacht hatte. Nefer-t und Philipp beschlossen hierauf den Mann los zu werden. Es gab nur einen Weg diese- auSzusühren, denn „eingesetzte Ehen" waren unlöslich. Der tapfere Philipp nun postirte sich, mit dem Degen in der Hand, an die Thür des HauseS seine» Nebenbuhlers, darf recht anmuthigjam Flusse ge legen war. Unser Aegypter kam im Augenblick her aus; als er aber den gezogenen Degen erblickte, lief er nach dem Fluß, sprang hinein und schwamm auf eine Insel in der Mitte de« Strome», von welcher er gelegentlich durch ein vorüberfahrende» Boot mitgenom men wurde. Nicht wagend nach Memphi» sich zurückzube geben, wandte sich der arme Mann nach Herakleopoli», wo er krank wurde und starb. Seine Brüder brachten dann seine Leiche nach Memphi», wo dieselbe ver nachlässigt mehrere Jahre lang gelegen haben muß (wahrscheinlich in einem öffentlichen Todtenhause) da zu der Zeit, wo die oben erwähnten Petitionen aufgesetzt wurden, die Zwillingsschwestern (die offen bar zu Frauen herangewachsen waren) behaupten, daß ihre Mutter ihre» Vater- Ueberreste noch nicht be graben hat. Inzwischen wurde Nefer-t'- Besitzthum, da- auf Zeit vom Staate mit Beschlag belegt worden war, gegen Zahlung einer Geldstrafe wieder freigege ¬ ben, worauf sie die hilflosen Zwillingsschwestern au» dem Haufe jagte und mit ihrem neuen Ehemann in ungestörtem Wohlsein von ihres früheren Gatten Geld lebte. WaS mit den Zwillingsschwestern wurde, wird am besten mit ihren eigenen Worten erzählt. Sie schreiben: „Sie warf un- aus dem Hause und ließ uns Hungers sterben. Da dachten wir an Ptolemäus, einer von Denen, die im großen Serapeum in Zurück gezogenheit leben. Er war ein Freund unsere Vaters. Wir gingen daher zu ihm und er unterstützte un-. Es war damals die Klagezeit um den Tod de- Api» und wir wurden zur Trauer um diesen Gott ange worben." Unter der duldsamen griechischen Herrschaft lebend wurde da» ägyptische Volk nach seinen eigenen Gesetzen regiert; und an diesen Gesetzen, die au» einem unbekannten Alterthum stammten, hingen sie mit unablässiger Treue. Al» jedoch die eingeborene Bevölkerung gelegentlich sah, wie die griechischen Ansiedler von griechischen Gesetzen regiert wurden, so begann sie, die» dürfen wir annehmen, da» griechische Gesetzbuch mit ihrem eigenen „alten Gesetz" zu vergleichen und die Vorzüglichkeit de» erster» an zuerkennen. Spätere PapyruSrollen bezeugen jedenfalls verschiedene, wahrscheinlich vom Volk-Willen geforderte Abänderungen dieses „alten Gesetze»". Hr. Revillout ist der Meinung, daß zwischen dem 21. Jahre Euer- gete» l. und dem 7. Jahre von Ptolenäu» Philopator eine Art gesetzlicher Maßregel erlassen wurde, wonach eine verheirathete Frau da» Eigenthum ihre« Manne» während seiner Lebenszeit nicht mehr veräußern konnte. Wie die» auch hier sein mag, gewiß ist, daß Eigen
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