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Dresdner Journal : 11.01.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188201111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820111
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-01
- Tag 1882-01-11
-
Monat
1882-01
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 11.01.1882
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Ntichstagsverhaudlnngen. * Berlin, 9. Januar. In der heutigen (20.) Plenarsitzung de» Reichstag» befanden sich am Tische de- Bundesrathes: der Relchrkanzler Fürst BiSmarck, der StaatSminister v. Stosch, die Staat-secretäre vr. v. Bötticher und Schelling und zahlreiche Commissare. Präsident v. Levetzow eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 2 t Min. mit einem herzlichen Neujahr-Wunsche für die Herren Collegen. Nach einigen schon bekannt gewordenen geschäftlichen Mittheilungen tritt da» Hau» in die Tagesordnung ein. Erster Gegenstand derselben ist die zweite Berathung der allgemeinen Rechnung über den Reichshaushalt für da» Etatjahr 1877/78, auf Grund de» Bericht» der Rechnungscommission. Abg. Strecker empfiehlt al» Berichterstatter der Rech- auag-commisflon nachträglich« Genehmigung einiger Etat«über- schrrttungrn Abg. Lipke bringt die Frage zur Sprache, ob der Führer eines Kriegsschiffe» »erantwonlich zu machen sei sür die unter seiner Leitung entstandenen tzavarirkoftrn an einem Schiffe der kaiserl. Marine; er glaubt diese Frage nicht zu einer der Ge setzgebung machen zu solle«, sondern es »erde genügen, wenn die RechnungScommtsfion io jedem einzelnen Falle erwäge, ob rin« Heranziehung zur Entschädigung de» betreffendrn Offizier» gerechtfertigt sei. Etzes der Admiralität v. Stosch: Diese Frage gehöre nicht zur Lognitioa de« Hause«, er könne einen Gesetzentwurf in Aussicht stellen, welcher diese Frage entweder der Lognition der Havarieeommission, oder der der Seegerichte überweise. Abg. Kayser beantragt, für die Etat-Überschreitung von «8>b,a» M. zur Herstellung eine-Pfianzenkalthaujes im Garten de» Generalpostamt-gebaude« in Berlin die Genehmigung nicht »u ertheilen, da dir obersten Rcichtbeamlen in ihren Gehalten so gestellt seien, daß sie solche Vergnügungen sich selbst leisten könnten; sür die Postunterbeamten hätie der Grneralpostmeister nicht die kleinste Zulage, weil sonst die Ueberschüffe nicht hoch genug bliebe». Nach kurzer Replik zwischen dem Abg. Kayser und dem Referenten Strecker genehmigt da» Hau» die nach gewiesenen Etat-Überschreitungen. Die beiden folgenden Gegenstände der Tagesord nung sind die zweite Berathung der Uebersichten der Reichsausgaben und Einnahmen für das EtatS- jahr 1880/81, auf Grund deS Berichts der Rechnung»- commission — und die zweite Berathung der Rech nung der Kaffe der Oberrechnungskammer für dos EtatSjahr 1878/79 und 187980 nebst den dazu ge hörigen Nachweisungen über die Einnahme und Aus gabe an Schreibmaterialien und Druckformularen, be züglich desjenigen Theil» der Rechnung zur Decharge, welcher die RelchSverwaltung betrifft, auf Grund de» mündlichen Bericht» der RechnungScommission. Dieselben werden ohne DiScussion sür erledigt erklärt. Letzter Gegenstand der Tagesordnung ist die Inter pellation de» Abg. vr. Frhrn. v. Hertling, betref fend die weitere Ausbildung der bestehenden Fabrikgesetzgebung. Dieselbe lautet: »An den Herrn Reich-kanzler erlaube ich mir die An frage zu richten: Liegt e« in der Absicht der verbündeten Regierungen in ihrer Fürsorge für da« Wohl der arbeiten den Klaffen die bestehende Fabrikgesetzgebung einer weitern Au«bildung zu unterziehen, insbesondere in der Richtung, daß dieSonntag-arbei» thunlichst beseitigt, dir Frauenarbeit weiter eingeschränkt und eine übermäßige Ausdehnung der Arbeitszeit sür erwachsene männliche Arbeiter verhindert «erde, daß ferner jpecielle Borschristrn über die im Sinne de« » irv Abs. 8 der Gewerbeordnung in den gewerblichen Anlagen vorzunehmenden Schutzmaß- rrgrln erlassen und die mit der Fabrikinspection beauftragten Beamten mit untsaffendereu Befugnissen au«gestattet werben?' Nachdem auf Anfrage deS Präsidenten der Reichs kanzler Fürst Bismarck sich zu sofortiger Beantwortung bereit erklärt hat, erhält da- Wort zur Begründung der Interpellation Abg. vr. Frhr. v. Hertling: Die namentlich von social demokratischer Sette hervorgerusene und in die Schichten der arbeitenden Klaffen tief eiogedrungene Bewegung hat mir und meinen Freunden die Pflicht auserlegt, zu der so brennenden Frage Stellung zu nehmen Daher die vorliegende Interpel lation. Wir erachten e« al« dringend nothwendig, au» for mellen und sachlichen Gründen ein Zusammenwirken der Re gierung mit den gesetzgebenden Körpern zu erstreben, und ohne gerade mit positiven Vorschlägen zu kommen, erscheint es un« doch sachgemäß, die Aufmerksamkeit der Regierung schon jetzt auf gewisse Punkte zu lenken; dazu ist nöthig, dem Arbeiter einen größern Einfluß aus die Bedingungen der Lohn- und Arbeit«verhältniffe überhaupt zu sichern, ihm durch Alter-Ver sorgung ein menschenwürdigere» Dasein ju schaffen und der seine Kraft aufreibenden Sorge für die Familie so weit al» möglich zu entheben Die den Arbeitern empfohlene Sparsam- keit kann nicht schützen, weil der Lohn rin Sparen selten zu- läßt. Um die sittliche Ordnung de« Staate» ausrecht zu er halten, den Umtrieben der Agitatoren entgegen zu wirken, muß die Versorgung der Wittwen und Waisen weiter in- Auge ge faßt werden, und in dieser Beziehung haben meine Freunde und ich bereit« im Jahre 18/7 vor diesem hohen Haus, unsere Ansichten präclstrt, bezüglich derselben auch >878 Amendement» gestellt, welche keine Beachtung sanden Wie damol», stellen wir un« auch heute aus den Boden de» verfichrrung«zwanae« sür die in Fadul,u drschästigten Arbeiter und glauben, daß der Staat hier ohne Schwierigkeit wird eiagreisen können. Dir Fragt der Sonntagöruhe ist von unserer Seit» ebenfalls drreit» >878 in diesem Hause zur Erörterung gebracht Die eingehenden Verhandlungen de« Reichstag« von 1878 hätten bereit« hrrau«gestellt, daß nur da» positive verbot der Gonntagtarbeit den angeftrebten Zweck er reichen könne Der bishei^e Zustand der Gesetzgebung aus diesem Gebiete, daß Riemand zur Sonntagtarbeit gezwungen werden könnte, sei durchau» unzureichend; au« den Berichten der Fabrikinsprctoren gehe hervor, daß vielsach der Arbeiter, wenn er am Sonntag zu arbeiten sich weigere, ohne Weitere» entlasten »erde. Au» einem rheinischen District werde gemel det, daß ein Fabrikant, der Gesängen« beschäftige, deren Tdauqk. il auch am Sonntage verlangte. Der Director der Strafanstalt habe indeß Einspruch erhoben, so daß die Gesangenen am Sonntage Ruhe haben, während die freien Arbeiter desselben Fabrikanten am Sonntag arbeiten müssen. (Hört, hürtl im Lentrum) Hier müste energisch durch allgemein güliae Ge- setzt»maßregtln einaegriffen werden. Bezüglich der Einschrän- kung der Frauenarbeit sei da« letzte Ziel der Lentrum-partei die gänzliche Beseitigung der verheirathelen Frau au« der Fabrik Diese« Ziel ser freilich nicht ohne Weitere« und sofort zu erreichen, aber ein herzhafter Schritt zu diesem Ziele könnte schon jetzt gemacht werden: dir Bnchraukung der täglichen Arbeittzeit aus zehn Stunden; demnächst würde in erster Linie aus speciellen Schutz der Wöchnerinnen und aus da» Verbot jeglicher Nachtarbeit Bedacht zu nehmen sein Auch für die Arbeit-zeit der erwachsenen Männer sei al« letzte« Ziel eine io stündige Beschäftigung tät lich in Aussicht zu nehmen, in diefer Richtung würde aber em vorzeitige» Eingreifen nicht den gewünschten Erfolg haben. Rothwendig sei e» aber schon jetzt, gewiste Extreme der Aut- deutung der menschlichen Arbeitskraft, 1b bi» iS stündige Ar beitszeit, Ueberschichten und dergleichen durch ein energisches Eingreifen de« Staate« und der Gesetzgebung zu beschneiden Bei dem Umstande, daß die Löhne im Allgemeinen nicht ge stiegen seien (Hört, hört! link-.), sehe sich der Arbetter häufig zu seinem größten körperlichen und geistigen Schaden zur Uebernahme solcher Ueberschichten genöthigt (Sehr richtig I) Bezüglich de» zweiten Theil- der Interpellation sei ja bekannt, daß nach wiederholten Versuchen auf dem Gebiet, de- Ar- beiterschutzeS rndlich eine Vorlage in Au-sicht stehe, und dürfe man also auf diesen Punkt eine befriedigende Bu-kunst er warten. Da- bewährte Institut der Fabrikinspectoren müsse in seinen Rechten und Besugnisten gestärkt, vor Allem unabhängiger gestellt werden; diese Regelung der Lompetenz erfolge am besten durch dir Reichsgesctzgebung. Nach dem Borgetragcnen sei also die deutsche Fabrikgesetzgebung einer weitern Fortbildung fähig und dringend bedürftig. Freilich werde auch die beste -abrik- gesetzgebung nicht sociale Schäden heilen ohne die sreie Thätig- keit des Einzelnen und o Me die versittlichende Macht der Kirche! (Bravo! im Lentrun) Die Kirche reiche auch dahin, wohin die Machtmittel de» Staate« nicht mehr reichen; dazu bedürft sie aber der vollen Freiheit, die ihr wiedergegeben wer den müffel (Beifall im Lentrum.) Reichskanzler Fürst v. Bi-marck: Die Antwort, welche der Herr Interpellant al« die ihm liebste angedrutet hat, kann ich ihm nach meiner Ueberzeugung vorweg geben (BravoI im Lentrum); ich glaube, daß die Anregung eine sür den Augenblick unnöthige war. Ich will nicht sagen, daß sie nicht eine dankenswerthe Unterstützung der Bestrebungen der Regierung gewesen wäre, aber al« solche halte ich sie für ver- früh! Der Interpellant ist sich darüber klar gewesen, daß die verbündeten Regierungen verwandte Anträge noch in diesem Jahr vorau«sichtlich rinbringen werden; er hat aber geglaubt, daß einige von ihm angeregte Punkte unabhängig und vorweg erledigt werden könnten. Ich glaube im Gegentheil, daß sie nur in Verbindung mit den für das Frühjahr (Bewegung in Au-sicht stehenden Intentionen der Regierung sachgemäß er ledigt werden können. Ich glaube namentlich, daß den meisten Zielen des Vorredner» nur auf der Basis corporativer Asso ciationen näher getreten werden kann, wie eS nach mcnjch- licher Unvollkommenheit möglich ist Um diese Bast« zu ich -ffen, steht un« noch mindesten» ein arbeit-volle» Jahr, vielleicht mehr al- da», bevor. Die Vorlage über die BerusSstatistik ist die erste Grundlage dazu, und da« würde mir lieber gewesen ein, diese Vorlage gefördert zu sehen, al» eine Interpellation u erörtern, deren Beantwortung der Vorredner mir dadurch ehr erschwert hat, daß er sie selbst schon so beantwortet hat, saß ich kaum noch viel hinzuzufüge» habe. Er hat die Schä den, von denen unsere Industrie und die Mitwirkung der Ar beiter in derselben begleitet ist, lebhaft und drastisch geschildert, auch nicht läugnen können, daß die Regierung mit größtem Interesse und eifriger Sorgfalt auf Abhilfe denkt. E« ist, wie ich heute fchon gesagt habe, die einzige Aufgabe, die mir die Nothweudigkeit, im Dienst zu bleiben, interefsant macht, und er kann daher meinen Eiser in dieser Beziehung nicht beleben. Ob durch die akademische DiScussion, in die wir nach der hier vorliegenden umfangreichen Rednerliste eingehen werden, unsere Aufgabe gefördert wird? Ich glaub, und hoffe e», denn di« Frage gehört zu denen, die, je mehr sie discutirt und von Schlacken, vorurtheilen, absichtlichen oder unabsichtlichen Jrr- thümern gereinigt werden, mehr und mehr gewinnen und die Hoffnung der Lösung immer näher rücke». Ich bin daher, abgesehen von der vorher erwähnten persönlichen Beschwerde, dem Vorredner dankbar, daß er diese Fragen der öffentlichen DiScussion anheim giebt. Wenn ich vor dem Feste den Wunsch geäußert habe, die Interpellation selbst zu beantworten, so bin ich dazu nicht veranlaßt worden durch da» Bewußtsein, daß ich darüber mehr al« irgend ein Anderer sagen könnte, sondern durch die Empfindung, daß sich in dem jetzigen Stadium über diese Frage jo sehr wenig sagen läßt und daß da« Wenige wesentlich in der Kundgebung meiner persönlichen Ueberzeugung besteht. Di« vtrbündetrn Regirrungen sind bikher nicht in der Lage gewesen, sich schlüssig zu machen, sie warten dazu da« Material ab, woran wir jetzt arbeiten. Ja, ich bin jetzt nicht einmal in dem Falle, w»e sonst wohl, im Namen de» Kaiser« bestimmte Ziele zu bezeichnen, indem Se. Majestät in Fragen von solcher Wichtigkeit doch die defiaitiv«» Entschließungen nicht saßt, bevor da« Für und Wider sorgfältig und soucUtu» er wogen ist, di» Ziele der laiserl. Politik find in drr Botschaft gekennzeichnet; hter aber haadelt e« sich um die Weg«, und in B«zug aus die W-ihl der Wege bi» .ch so unbediogt sicher »icht, daß ich hrute mit Bestimmtheit sage» kann, wa« wir dem Reich«- tage, wir ich Hosse, etwa im April werden vorlegrn können. (Bewegung ) Ich bin mit mir ttzeil« noch nicht darüber einig, theil« nicht mehr jo, wie früher. Noch »icht, weil ich der Be lehrung'bedarf — ich bin nicht durch dir Weih« der öffent liche» Wahl gegangen und auch nicht in der Lage, üb«r alle Dinge der Biel« eine feste, unabänderlich» Meinung zu haben (Heiterkeit), sondern ich überlege mir die Sach« wrgsalng Wi« ich in mtintn Lonceptrn auch vitl streiche, cassire und um- arbrite, so auch in diesem Falle. Ich kann diese Dinge, welche sich meine« Erachten« der menschlichen Herrschaft in demselben Maße entziehen, wir der Organitmu« der ärztlichen, nicht so durchschauen, daß sich meine Meinung nicht einer Belehr»»» und Ä.ndrruug unterwarft Ich sage dir» i» Erinnerung da ran, daß ich über dir llnsallversichrruug srit dem vorigen Jahre die Ueberzeugung gewonnen habe, daß ohne korporative Unter lage dir Sach, sacmch nicht in« Lrbrn zu bring»» ist (Bravo recht», hör«! hört! link«), di» bei drr vo>läge un» vorschwebend,, auf den ersten Angriff gewählte, ich möchte sagen, bureaukratische Einrichtung hat mich einfach überführt, daß die Masse der Nummern sür die Lentrolbrhörde gar nicht zu bewältigen sein würde. E« ist nothwendig eine LrbeitStheilung geboten und zwar eine solche, die den Interessenten mit heranzieht (Bravo!) und dir den schließlichen Träger de» Schaden» combinirt mit der Aufgabe, den Schaden zu verhindern. Ich meine eine Be ziehung der Fabrikinspectoren zu de» Lorporationen. Letztere würden wesentlich au» den identischen Gefahrenklaffen bestehen und nach Art der Brandafsecurranzen aus die Verhütung der Unfälle zugleich zu achten haben; e» müssen in dieser Beziehung die Fabrikinspectoren unterliegen einer von öffentlicher Lonlrole getragenen collegialischen Lorrectur, denn ohne diese gerathen wir in persönliche Willkür. Wenn ich sagte, ich bm nicht »ehr so srst in meiner Ueberzeugung, so habe ich eine Ursach« davon schon erwähnt, ich hab« mich überzeugt, daß dir corporative Association zwang«weise eingr- führt werden muß. Ein« andrr« Ursache liegt in den Autsall der Wahlen. Ich kann wich ja der Lhalsache nicht verschließen, daß gerade in de» industriellen, in den Arbeiter- kreiftn, vorzug-weise Gegner der Regierung gewählt worden find, nicht überall, aber doch in der Majorität der Wahlkreise. Ich muß also darau» schließen, daß der Arbeiter im Ganzen mit den ihm kaum mehr unbekannten Intentionen der gesetz geberischen Initiative nicht einverstanden ist (Sehr wahr! links), daß er von den Herren, welche dort soeben „Sehr wahr ' rusen, welche die freie Loncurrenz der Schwachen und der Starken in allen Beziehungen vertreten, von den Herren de« Freihandel», de» GehenlassenS, mit einem Wort von der fortschrittlichen und se — so — secessionistischen (große Heiterkeit) Partei mehr er wartet, al» von den Resormversuchen der Regierung. DaS liegt unzweiselhast in den Ergebnissen eine» großen Theil» unserer Wahlen. Die Wahrnehmung aber, daß die grobe Masse der Arbeiter selbst den documentirtrn Willen der Re gierung, ihre Lage zu verbessern, mißtrauisch bttrachttn und un Kämpft gegen die Macht de» Lapilal» uns im Stiche lasten und die Beihilfe dadurch versagen, daß die wohlmeinenden Ab sichten durch die Wahl extremer Männer in Frage gestellt oder vereitelt werden können. Hal die Regierung stutzig gemacht. Die Traditiontn dt» Haust«, drm ich diene und drr peHönlicht Wille Er. Majefiät dtS Kaiser« beweisen zur Genüge, wie ernst es demselben mit der Ausbesserung der Lage der Bedrängten ist. Die Geschichte unseres Königshauses beweist Ihnen daS tieft Interesse Friedrich » de» Großen für die arbeitende Klaffe, wir wissen, daß Friedrich Wilhelm IU. die Hörigkeit ausgehvben, den Bauernstand frei gemacht hat und auch mein jetziger Herr ist von drm Wunsche beseelt, die schwächste Klaffe unserer Mit bürger zu heben und zu stützen, und wünscht, daß noch zu seinen Leb- »riten diese Frage zum Mindesten angeregt werde (Bravo recht».) Mit diesen Tendenzen steht nun da» Gehenlaste» in wirth- schastlichen Angelegenheiten durchau» im Widerspruch. Leider Treue, mit welcher ja ein großer Theil de» Arbeitrrstande« an seiner Dynastie hängt, muß e» befremden, daß die Anerbie tungen der Regierung vielsach kühl ausgenommen worden sind, wenigstens kühler, al» dat Entgegenkommen von Seiten der jenigen Herren, welche in den größten Lentren der Industrie dem Arbeiter predigen ,hils Dir selber' Diese Wahrneh mungen, meine Herren, haben mich anfangs entmuthigt, ich bin jedoch zu drm Glauben gekommen, unbeirrt meine Pflicht thun zu muffen und werde sie erfüllen, so weit ich nur irgend kann. (Bravo rechts.) Ich bi» sest entschlossen, so zu han deln, wie ich e» vor meinem G-wissen und vor Gott verant worten kann. Wenn ich daher meinem Könige und Herrn zu Vorlagen rathe, die die Lage der bedrängten Arbeiter verbessern sollen, glaub« ich auch in religiöftr Bezithung mein« Pflicht zu thun. Bri Beantwortung der Interpellation wird man sich vor Allem die Frage voriegen müssen, wie weit die Industrie die ihr aufzuerlegende Last tragen kann, weil man die wirth- schastlich« Frage ohne Hinzuziehung derselben unmöglich lösen kann. Dazu aber wird die Mitwirkung de» BolkSwirthschastS- rath» immer ersorderlich sein, um die Grenze zu finden, wo die Industrie noch leistungsfähig bleiben kann Legen wir der letzteren zu große Lasten auf, jo muß sie ersticken und der Arbeiter wird in erster Reihe geschädigt. Jede Verbesserung, welche wir hinsichtlich der Lage der Arbeiter erstreben ist mit gewisser Belastung der Industrie verbunden. Au» eigener Erfahrung ist mir bekannt, daß in verschiede nen Gegenden in Fabriken aus fünf Arbeitstage zwei Ruhetage komme». Bei einer Reduetion drr ISstündigen Arbeitszeit auf 10 Stunden, kommt der Arbeitgeber um '/, zu kurz. Wir werden daher erst sestzuftellen haben, ob durch dir Reducirung drr Arbeit« nicht gerade geschädigt wird. In den an mich gelangten Petitionen ist immer nur von Verkür zung der Arbeitszeit der Männer die Rede, noch nirgend« ist man sür Frauen oder Kindrr eingetreten. An drr Hand von Ziffern kann ich Nachweisen, wie sehr diese Arbeit«rrduction daS Budget deS Arbeiter« schmälern würde. Ich mache daraus aufmerksam, daß bei größerer Fluctnalion de« Geschäft« (ich erinnere an die Weihnachtszeit) eint Verlängerung der gegen wärtigen Arbeitszeit häufig noch unumgänglich nothwenvig wird. Die Vorlage hat unS sympathisch berührt DirSchwie rigkeit ihrer «»«whrmig läßt sich aber keinetweg» verkennen, und bitte ich Sir, mit Geduld den Zeitraum abwarten zu wol len, in welchem die verbündeten Regierungen in dir Lagt ge- kommt» stin werdrn, Jhnrn diesbezüglich« Vorschläge zu machen, waS, wie ich hoffe, uvch rm nächsten Frühjahre wird geschehen kön nen Ich glaube, wir werd«n im Stande sein, auch die v«- drückten i« Staate davon zu überzeugen, daß man an sie denkt, sie schützt, damit sie aus der große» Landstraße de« Leben« »ich« verloren gehen. (Lebhafte« Bravo recht«) Auf Antrag deS Aba. Richter (Hagen) wird eine Besprechung der Interpellation beschlossen. Der Reich- kanzler verläßt den Saal. Abg. Richter (Hagen) tadelt, daß der Kanzler sich heute wieder mit drm Kaiser gedeckt, er hätte vermißt, daß da« bei der neulichen Aeußeruna über die Livilehe auch geschehen. Wie hinsichtlich de« llnsallgesrtze« der Kanzler schon zu besserer Ein sicht gekommen zu sein scheine, so hoffe er, daß er auch in Be zug auf den VolkSwirthschastSrath bald anderer Meinung sein werde, besonder« nach den neulichen Autführungen de« StaatS- secretärS v Bötticher über die Handelskammern Gut se« e« doch, daß da« Volk sich in der Wahl gegen die Politik de« Reichskanzler« entschieden habe, denn Letzterer sei schon zu besseren Ansichten gekommen al« im vorigen Jahre. L« sei unerhört, die Fortschritt-Partei so hinzustellen, als ob sie sür da- Rech« de« Stärker«, emtrete; während doch die in d«r In terpellation ausgestellten Forderungen sämmtlich in ihrem Pro gramm enthalten seien, freilich, ohne daß sie sich damit ostentativ auf den Boden de» Lhristenthum» stellte. Man hätte lieber nicht fo viele Fragen in dieser Interpellation wie in ein Bün del zusammensaffen sollen, sondern lieber, wie e» seine Freund« beabsichligt, fragen sollen: WaS hat der Kanzler gelhan, um die gegebene Gesetzgebung auSzusühren? Der Kanzler sei der Hemmschuh gewesen, der e» gehindert, daß die von einer freien Lommijsion des Reichstag» auSgearbeitete Instruction sür die Fabrikinspectoren, die vom BuudeSrathe angenommen worden, autgesührt worden sei; ebenso verhalt« es sich mit dem G«s«tze über di« Anzrigtpflicht d«r industriellen Unfälle. Alle» da» habe der Anwalt de» kleinen Mannes vereitelt. Da» Unsallgeietz intrrejsire freilich den Arbeiter sehr, mehr aber dir Frage, daß er gar nicht verunglücke, also drr Schutz gegrn BurttbSunfälle üdrrhaupt. Wa» die SonutagSarbei« angrhr, so klagten dar über die Berichte der Fabrikinspectoren am wenigsten; zu be dauern sei, daß die Berichte, statt die Ursachen der angegebenen Mängel sestzuftellen, sich auf politische Expectorationen einließen. Wenn man io sehr für einen NormalarbeitStag sei, so solle man ihn ja erst doch im parlamentarischen Leben durchsühren. Heute thue vielmehr ein Minimal- al» ein Maximalarbeitttag noth Der ReujahrSgruß, die vom Kanzler extrahirte Eabi- oetSordre die große innere Kämpfe in Aussicht stelle, sei sehr geeignet, das vertrauen zu erschüttern im GeschästSleden, aus welches e» doch vor Allem ankomme, wenn e» dem Arbeiter gut gehen solle. Darauf wird die Fortsetzung der Debatte auf Dienstag 1 Uhr vertagt und zugleich Wahlprüfungen und einige kleinere Geschäfte auf die Tagesordnung gesetzt. Schluß 4 Uhr 40 Mim ten. vetriebSergeb»isie der königl. Staatöeiseu- dah»e«. Der KohleutranSport in der Woche vom 1. bis 7. Januar 188S ULtU»«» » Glogr - au» drm Zwickauer Reviere . L8b7 Sächsisch« > - - Lugau-Otl-nitzer Rrv >9»9 Steinkohlrn > ' ' Dresdner Reviere 10S7 zusammen 8888 Schlesische Steinkohle» ... »sr Böhmische Braunkohlen . . bktS Altenburgische Braunkohlen S88 Kohlen überhaupt Is79l Durchschnittlich pro Tag rsL» Dresdner Nachrichten vom 10. Januar. 6. In der gestrigen Sitzung deSGewerbevereinS berichtete Dir. Clauß üver die .Sächsische Gewerk» verein-zeitung", die, seitdem sie in das Eigenthum de» vr. Geißler übergegangen ist, vielfache Verbesserungen und rweiterungen erfahren hat und doch dabei billiger geworden ist, und fordert zur Unterstützung de» Blattes durch Abonnement, Annonclren und Beiträge auf. Ein Fragezettel, lange- Warten der Abgabe von Gepäck im neuen Postgebäude betreffend, wird von drr kaiserl. Oberpostdirection beantwortet und darauf hiugewiesen, daß nur Stauungen entstehen, wenn da» Publicum die Aufgabe von Sendungen erst kurz vor Postschluß be sorgt. Zu anderer Zeit fei die Beförderung eine be friedigend schnelle. Oberlehrer Herz berichtet über Ge schichte und Betrieb der Blelstiftfabnkation und that die» unter Vorlegung von Proben, die da» Product in seiner allmählichen Entstehung zeigen. Die deutsche Bleististfabrikation beherrsche jetzt den Weltmarkt. Nürnberg allein fabricirt jährlich 300 Millionen Blei stifte und verbraucht dazu 40000 Etr. Cedemholz. Man wendet allgemein nicht mehr das unreine Rciß- sich ein Unterschied in der Geschwindigkeit der Be wegung kaum bemerklich, wenn drr zweite Wagen ab gelassen wurde. Nur an der feststehenden, den elektri schen Strom angebenden Dampfmaschine konnte man erkennen, daß dieselbe die doppelte Kraft aufwenden mußte, wenn zwei Wagen durch den Strom getrieben wurden. E» ist durch diese Versuche auch praktisch bestätigt, daß auf elektrischen Bahnen mehrere Maschi nen gleichzeitig laufen können, ohne sich gegenseitig zu stören. Technik. Ein junger rumänischer Ingenieur, Tra jan Theodoresco, hat ein submarines Schiff er funden, da» jede bisherige Erfindung in der submarinen Schifffahrt in den Schatten stellen soll. Die» Boot, von bestimmter Größe und entsprechender Tonnage, soll unter Wasser 12 Stunden ununterbrochen geleitet werden können in einer Tiefe von 100 Fuß. Doch soll nach dem Erfinder auch 300 Fuß unter die Oberfläche ge gangen werden können, ohne mit der Atmosphäre in Berüh rung zu gelangen. Auf der Wasseroberfläche kann da» Schiff wie ein gewöhnliche» Dampfboot manövrirt werden. Die Schnelligkeit ist übrigen» nicht so groß wie jene der Dampfschiffe, aber übertrifft jene der Srgelfahr- zeuge. Die Untertauchung erfolgt mittelst Schrauben, und zwar vertical, entweder plötzlich oder nach und nach. In gleicher Weise erfolgt da» Austauchen. Un ter Wasser ist genug Licht vorhanden, um aus eine Entfernung von 130 Fuß jede» Hinderniß bemerken zu können und demnach die Bewegung de» Schiffe» zu reguliren. Die erforderliche Luft für die Besatzung soll nach dem .Jron", dem diese Beschreibung entnom men ist, für 12 bi» 14 Stunden im Schiffe ausreichen. Im Fall« des Bedarfs kam« da» Luftreservoir wieder gefüllt werden für weitere 12 Stunden selbst unter dem Wasser, indem teleskopisch eingerichtete Röhren bis zur Wafferfläche emporgetrieben werden. Die Fort bewegung sowie die Untertauchung sollen ferner kein Geräusch verursachen. Wenn sich alle diese Angaben bestätigen, würde dies neue submarine Boot eine» drr furchtbarsten Hilfsmittel in der Torpedokriegführung bilden, könnte jedoch auch friedlicheren Zwecken erfolg reich dienen, wie z. B. Auffindung werthvoller gesun kener Schiffe rc., wenn sich eben diese Erfindung be währen sollte. Auch könnte man die Heftigkeit kürzerer Stürme unter Wasser abhalten, da dieselben nicht über 50—70 Fuß tief in die Meeresfiuth eindringen. * In voriger Woche hat in Berlin die Mei ninger Hofkapelle unter Leitung ihres Intendanten vr. Han» v. Bülow an drei Abenden im Saale der Singakademie concertirt und an denselben 5 Sympho nien i nd 5 Ouvertüren von Beethoven zur Aufführung gebracht. E. E. Taubert sagt in der .Post" über diese Conccrte u. A. Folgende»: .Mit diesen drei Beethovenabenden hat Bülow, um ein Wort Wagner'» zu gebrauchen, den Staub de» Werkeltage» von den Werken de» Meister» entfernt, der wie kein zweiter im Herzen des deutschen Volkes Wurzel gefaßt; nicht umgemodelt hat er sie, er hat sie nur in die ihnen ziemende Beleuchtung gerückt. E» liegt ja in Bülow's Persönlichkeit, daß er in Allem, wa» er angefaßt, mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit gegen das Gewöhn liche, mit einer polemischen Scharfe gegen das Phili sterhafte vorgeht, und ab und zu schien es, al» ob er mit der Pointirung einer Phrase, mit einem dynami schen Eontraste zu weit ging; indessen bekennt Referent gern, daß er seinen Zweifel über die Richtigkeit einer fiappirenden Nüance daheim durch einen Einblick in die betreffende Partitur beseitigen mußte: der Dirigent hatte eben weiter nicht» gethan, al» die sehr genauen Vortragszeichen Beethoven's zur Geltung gebracht. Da» Jntereffe des Publicum» blieb auf» Intensivste bi» zum letzten Augenblick gespannt; an den drei Aben den war kein unbesetzter Platz im Singakademiesaale zu sehen, und auch die Hofloge blieb keinen Moment während de» ganzen Eyklus leer. Alles in Allem ge sagt: Dieser BeethovencyNuS war ein kühn entwor fene» Unternehmen, da» mit Sorgfalt vorbereitet, mit großer Energie und Kraft durchgeführt und mit herr lichem Erfolge gekrönt wurde, da» allen Betheiligten zur größten Ehre gereicht." * Geh. Rath Kuno Fischer hat, wie der .Schwä- bische Mercur" mittheilt, nun doch einen Ruf nach Berlin al« Nachfolger Lotze'- erhalten und dürfte dem selben wohl Folge leisten, wenn auch die badische Re gierung alle Anstrengungen machen wird, diese Kraft an Heidelberg zu fesseln. " In Wien fand im Gebäude der Kunsterzgießerei durch Hrn. Scherer eine Feuerprobe mit impräg- nirten Objecten Statt. Vorerst producirte Hr. Scherer sein Verfahren an einem bis zur Hälfte im- prägnirten, mit Oelfarbe bestrich« nen Stück Leinwand, zündele die unten nicht imprägnirte Stelle an, die Flamme verzehrte die untere Hälfte genau bis zu der Glnize, welche den imprägnirten Thnl bildete, letztere widerstand den Einwirkungen der Flamme, da- Ge webe verkohlte langsam und der untere verbrannte Theil löste sich als Asche los. Ein zweiter Versuch zur Lonstatirung der erfolgficheren Anwendung einer Jmplägnuung wurde au einer präparirten Leinen draperie vorgenommen. Die helllodernde Flamme einer Fackel, welche durch mehrere Minuten an doS Object gehalten wurde, bl«eb völlig wirkungslos. Selbst Gazestoffe wurden durch die andauernde Berührung mit dem Feuer nur geschwärzt. Das interessanteste Experiment bestand darin, daß Hr. Scherer im Ver trauen auf die Unfehlbarkeit seiner Manipulation sich in eine von ihm imprägnirte .Gozewolke" hüllte und zwei Männern den Auftrag gab, ihn nun in Brand zu stecken. DaS Autodafä endete in der heitersten Weise, denn Hr. Scherer blieb unversehrt. * Ueber den Kanal von Corinth, an welchem sich schon die römischen Imperatoren versuchten, scheint k in guter Stern zu walten. Es coursirt wenigsten» in Athen da» Gerücht, daß die Arbeiten nicht nur provisorisch, sondern für immer unterbrochen seien. Mehrere griechische Blätter haben die» Gerücht mehr fach registrirt, ohne daß e» dem sonst so schreiblustigen General Türr in den Sinn gekommen wäre, dagegen Protest zu erheben. Im Herbst stellte man die kaum begonnenen Arbeiten bekanntlich angeblich de»halb ein, weil es wegen der Weinlese an Arbeitern gebrach Später entschuldigte man sich mit dem Winter, der hier durchau» mcht so rauh ist, daß man deswegen nicht arbeiten könnte. Abgesehen von einigen Boh rungen und Baraken, welche im Monat October her gestellt wurden, ist so gut wie Nichts geschehen. Der technische Director befindet sich in Frankreich — an geblich um gewiste Maschinen anzukaufen. Unter solchen Umständen kann man es der spitzzüngigen Fama nicht so sehr verdenken, wenn fi« behauptet, der projectirte Durchstich werd« deswegen gänzlich unter bleiben, weil die enormen Kosten zu de« zu erzielen den Rutzen in durchaus keinem Berhältarste ständen
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