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ZUR EIN FÜHRUNG Jöhann Nekomuk David ist im gleichen Jahre wie Paul Hindemith 1895 geboren worden und gehört mit ihm und Kaminski zu der Generation der großen Kontrapunktiker und Polyphoniker. Sein Wesen wird durch die beiden Pole Bruckner und Bach um spannt. Geboren in der Heimat Bruckners, als Chor sänger in St. Florian tätig, saugt er vom Geiste Bruckners'soviel ein als möglich — ab 1932 als Lehrer für. Komposition in der Bachstadt Leipzig tätig, ab 1942 als Leiter des dortigen Konservatori ums. strömt in ihn der Gerst Bachs ein. David kommt von der Orgel und von der Chormusik her, die sein Schaffen bestimmen. Und wenn die Poly- phonie die Haltung seiner Musik prägt, wenn der Stil der Fuge aus ihm spricht, dann ist es zunächst schwor, diese Sprache in die Form der Sinfonie ein zuspannen. Die 4. Sinfonie vom Jahre 1948 lebt von diesen Anregungen, die Bruckner, Bach und Poly- phonie heißen. Das Vorbild Bruckners ist am stärk sten zu spüren: in der Eigenheit, den Schlußsatz genau so wie den ersten beginnen zu lassen und in il.m nochmals das Wesentliche der vorangegangenen Sätze zusammenzufassen; es äußert sich in dem Trinlen-Rhythmus, der für Bruckner so charakte ristisch ist und vor allem in der gesamten Gestalt des Scherzos, das seinem Notenbilde nach vqu Bruck ner sein könnte. Aber der Klang dieser Musik ist anders als bei Bruckner. Der Klang ist härter kau tiger, geriebener und entspricht dem Klangbewußt sein der treuen Musik, der Musik von heute. Gewiß kommen auch die grandiosen Klänge des Blechs in ähnlichen Steigerungen wie bei Bruckner vor aber trotzdem ist David eiu Eigner. Es haftet seinem Werk zwar etwas von eklektischer Kühle an — die Strenge, der Ernst, der Versuch, groß zu sein ist jedoch bewundernswert. Und wie Bruckners Wir kung bis jetzt auf deutsche musikalische Bezirke be schränkt geblieben ist, wird die ernste Kunst Davids wohl ebenso nur vor deutschen Ohren erklingen. Frederic Chopin (1810—1849) ist der große, un erreichte Poet am.Flügel. In den Kleinformen zeigt sich seine Größe und seine Vollendung, die er in den großangelegten Klavierkonzerten und Sonaten nicht ganz erreichte- Chopin war ein so ausschließlicher Komponist für sein Instrument, daß in seinem 1829 geschriebenen f-moll-Klavierkonzert der Orchester part etwas spärlich davongekommen ist. so daß zwischen dem bezaubernden Klang des Klaviers und der stumpfen Zurückhaltung des Orchesters ein Miß verhältnis besteht. Der Solist ist in diesem Werk jedoch die Hauptsache, so daß dieser kleine Mangel nicht ins Gewicht fällt. Dem Solisten ist allerdings Gelegenheit zu einem; virtuosen Können gegeben, wie es in der Klavierliteratur fast einzig ist. Chopins Vorbild ist Paganini. Aber die Virtuosität ist nie mals Selbstzweck, sondern immer Mittel, einen poetischen Zauber zu verwirklichen. Die vielen an deutenden Beiworte in der Klavierstimme: mit Ge fühl, mit Seele, mit großer Delikatesse, verhauchend, leidenschaftlich, deuten an, was Chopin aussagen will. Er beherrschte die Kunst der schmückenden Verzierung wie kein anderer: Vorschläge Triller, prasselnde Arpeggien und Läufer in allen Lagen, subtilste Pedalbehandlung, Terzen- und Sexten griffigkeit und die erstaunlichsten Sprünge kenn zeichnen seinen Stil. Immer kommt jedoch auch sein von seiner Mutter vererbtes polnisches Blut zum Durchbruch — und der lungenleidende Chopin ver strömt sich in den leidenschaftlichsten Ausbrüchen urromantischer Kunst. Der Schlußsatz, einem Rondo ähnlich, bringt diese brillante Leidenschaft am stärk sten zur Geltung. 1 Maurice Ravel (1875—1937) wird beinahe immer mit Debussy in einem Atem als Impressionist ge nannt. Nun, Ravel verwendet wohl die Klangmittel des Impressionismus, schafft aber doch oft eine so zündende, handfeste Musik, die auf' dem Boden seiner baskischen Heimaterde gewachsen ist, daß ganz undeutlich ein Unterschied zu der verfeinerten verstädterten und nervösen Kunst des Impressionis mus festzustellen ist. Wie die Basken zwischen den Spaniern und Franzosen beheimatet sind, so liebt Ravel, die ursprüngliche Leidenschaft des Spaniers und den französischen Esprit, die beide aus der. „Spanischen Rhapsodie“ deutlich herauszuhören sind. Das 1907 geschriebene Werk beginnt mit einem „Nächtlichen Vorspiel", in dem die verschleierten und gedämpften Klänge einet" nächtlichen Welt Er eignis werden. Es rauscht und klagt aus dem Or ehester, das samtige Dunkel der spanischen Nacht klingt auf, es isjt eine Musik der leidenschaftlichen Stille. Die Malagucfia ist eigentlich das spanische Schnadahüpferl, zu dem getanzt wurde und das einen lustig-derben Inhalt hatte. Hier konnte sich das Volkstümliche des Spaniers in seiner vollen Eigenart improvisatorisch austun. Gekennzeichnet wird die Ma|aguefia durch einen immerwiederkehrenden Baß. Ravel entzündet hier ein faszinierendes Feuerwerk mit einem Riesen aufgebot von Schlagzeug und einer primitiven Trompetenmelodie, Die schon 1895 geschriebene Habanera lebt auch von vital-rhythmischen Kräften Die imglaubliche Orchesterkunst Ravels, die auf bester französischer Instrumentationstradition be ruht, feiert auch hier klangliche und rhythmische Triumphe. Der Schlußsatz Feria hat tarantella ähnlichen Charakter. In ihm entfesselt Ravel alle Leidenschaftlichkeit, die glutvolle Besessenheit und das beinahe wilde Temperament des Spaniers. Ein präziser" Rhythmus befeuert diesen festlich ge haltenen Satz, in dem wiederum das Schlagzeug den Ton angibt. Mit rauschenden Kaskaden endet dieses aus dem Volkstum des Späniers geborene Werk. Johannes Paul Thilman Vorankündigung: 4 November: 2. Mozart-Abend mit Ruth Glowa (Sopran). Dirigent: Walter Stoschek 19. November: 3. Philharmonisches Konzert. Dirigent: Professor Heinz Bongartz Werke von Fran^aix. Prokofieff und Richard Strauß