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Georg Friedrich Händel Die alten Komponisten waren doch Hauptkerle. Sie überließen sich ganz der augenblicklichen seelischen Disposition, ent warfen die Skizzen und hielten sich in der Ausführung mit Feilen und Ziselierung keineswegs lange auf, überließen vielmehr den Ausführenden ein gut Teil eigen schöpferischer Tätigkeit im Vortrag der Kadenzen und der freien Variierungen. Nachteile — so manche Flüchtigkeiten — sind dabei unbestreitbar, aber die Vorteile dieser Kompositionsmethode gegenüber der oft übermäßig detaillierten modernen sind weit größer. Sie bewahrte den Kom ponisten vor Kleinlichkeit und lehrte ihn die Kunst, die Inspiration des Augenblicks sofort, restlos im Schaffen aufgehen zu lassen. Ein Genie wie Händel, dessen Kunst nicht den einzelnen Menschen, sondern das gesamte Volk umspannt, konnte so seine 12 Orchesterkonzerte (Concerti grossi) im Jahre 1739 im Laufe eines einzigen Monats schreiben. Händel wußte die von dem Italiener Arcangelo Corelli, dem „Vater des Violin- spiels“ und dem Komponisten der ersten Instrumentalkonzerte (von ihm stammt die Bezeichnung „Concerto grosso“) übernom mene, freie und biegsame Form und den Stil der „Großen Konzerte“ durch starke eigenpersönliche Züge zu beleben. Es bleibt natürlich die italienische Grundform der dialogisierenden, d. h. der zwischen einem großen (dem „Tutti“) und kleinen Orchester (dem „Concertino“) abwechselnden Instru- Adolf Busch Variationen über Als Neuheit steht an zweiter Stelle des Programms ein Orchesterstück des be rühmten Geigers Professor Adolf Busch, des Bruders des Dresdner Generalmusik direktors Fritz Busch. Der Ruhm des In strumentalvirtuosen verdunkelte bis jetzt das hohe Talent des produktiv Schaffen den, dem wir das harmonisch und klang lich in gutem Sinne moderne, reich diffe renzierte „A-Moll-Violinkonzert“, eine Kla vier- und eine Cello-Sonate, ein Klavier trio, ein von hohem klangsinnlichen Reiz getragenes „Divertimento für 13 Solo instrumente“, ein prächtiges „Kammer konzert für Streicher und Klavier“, die in wienerisch gefälliger Linie geführte „Im provisation über ein Johann Straußsches Walzerthema“, eine an Nikolai erinnernde Lustspielouvertüre und viele andere Werke verdanken. Das Bedeutendste ist sein Opus 41, die Concerto grosso Nr. 6 in G-Moll mentalmusik. Auch die Zahl der vier bis sechs Sätze des italienischen Concerto in ihrem bald energischen, bald gesangvollen, bald heiteren Charakter übernimmt Händel. An thematischer Plastik, gedankenvoller Reife der Fugen und an frischer Spiel kunst der Allegri, ebenso wie an groß artiger Tiefe der Empfindung in den lang samen Sätzen übertreffen diese Händelschen Konzerte aber bei weitem die italienischen Vorbilder: sie gehören zu den bedeutend sten Instrumentalleistungen aller Zeiten. Handels zwölf „Concerti grossi“ sind voneinander grundverschiedene und musi kalisch unerschöpflidi reife „musikalische Charakterköpfe“. Auch im 6. Konzert (G-Moll) hat man für diesen volkstüm lichen Zug ein Beispiel: den „holden Cor reggio“, den Meistermaler der sinnlichen Sdiönheit, in der weihnachtlich anhebenden „Musette“ (mit inrem amüsanten, die Eigen art des Dudelsacks nachahmenden, liegen den Basse), die seinerzeit rasch in die Londoner Vergnügungsgärten einzog. Wie müssen wir, die wir uns heute an ver- jazzter Kitsdimusik „begeistern“, die da maligen Großstädter beneiden! — Aber das Beste dieser gesunden und lebensfrohen „Gesellschaftsmusik“ des G-Moll-Concertos liegt eigentlich in den ersten Sätzen in dem schmerzvollen „Larghetto“, das unmittelbar an Correllis in edlem „Helldunkel“ gehal tenen Elegienton anknüpft und in dem un gestümen „Fugato“ mit dem kühnen Quin- tensdiritt im Thema. ein Thema von Mozart „Variationen über ein Thema oon W. A. Mozart für Orchester" — dem auch bei uns wohlbekannten Düsseldorfer Generalmusik direktor Hans Weisbach zugeeignet. Das Thema — Andante grazioso — entstammt einem Bläserdivertimento, das der große Salzburger im Jahre 1776 als Tafelmusik für seinen musikliebenden Fürstbischof sdirieb. Es wird mit Grazie und Tempera ment von allen Seiten beleuchtet und von den einzelnen Instrumentengruppen zise liert. Nicht in trockener kontrapunktlidier Penibilität — wenn auch der Einfluß seines Lehrmeisters Max Reger hie und da durch blickt —, sondern im Weiterspinnen der Mozartschen Gedanken zu einem gewissen Person lidikeitsstil. Köstliche Episoden zeidi- nen da die Holzbläser mit barocken Schnör keln voller Humor. Und über all dem: ein herrlicher Wohlklang, ganz beherrsdit von dem Bekenntnis zur Melodie. Ein