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Dresdner Journal : 11.07.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188007115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18800711
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18800711
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1880
-
Monat
1880-07
- Tag 1880-07-11
-
Monat
1880-07
-
Jahr
1880
- Titel
- Dresdner Journal : 11.07.1880
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ISi) Sonntag, den t I Juli. 1880 l» ,^0 4—t>e»— 4iU>rliot>: . . >8 jz ^Ltlrilek: 4 U»rk b0?k. Ln^Io» Kummer»: l0?k. 4«6e,ä«nt»cl>«» l^iokk« tritt ?«t- uoä Ltempelrueckllt^ tlioia. I»»r»t«»prel»« r ^Sr «te» Il»»m «u»«r Spelte»«» kstit»«iis tv ?f. Vater „kia?«»aät" <U» 2«I« bv kk. kreeSel»«»: l^lick mit Xuinrkme 6er 8o»»- u»6 k«iert»8^ Xl>«»6» für 6eo solgeixleo ZrcMcrImrml. Iu»er»tenanni«tim<» l.«tp»lz! />>. Lr«»t«^»trUcr, Vuinun-tnivmtr <Ie« t)rve6uvr /ouruul»; SemdurU-Serli» Vt«» S»,«I-Sr„I»a?r»nktu>t ». N : ^<icuen«te»»» L ^»Aier, vsrli» Vl«»-N»mkllrx- ?r»<s-l.«tpii^-rr»akk»rt ». H «üuedsa: /tuet A/»«,«- Nerii»: L /rornictt, /nrutie/enl/urttt, Lr«w,a: A Lc/Uott« ,- Nr«»i»u: />.L'tanAen« ltürvsu; vkewmt»: />. kraa^tart ». N l F" FarAer'sLke u. / 6. //rrrmauu- »cke t!,iekk«n<IIiii>^; vörlit»: (/ Zküttrr, 8»aa«r»r: 6. >8c?»t»t<'r^ k»ri» Lerlta-rraakturt ». H. St»ttU»rt: Daud« L lel-.,' SLwdarzl F 44 >84«rt«r. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. ll » r » a « x « >»« r r üdniel. Kipe6itiov üe». DresUoer /««raut», I>re»6en, /vivz?vr«tru»»« Ko. 8t). . Amtlicher Theil. Dretdev, 10 Juli. Sc. Majestät der König hat den Geheimen Finanzrach Iuliu» Zenker zum Zoll- und Steuer-Director allergnädigst »u ernenne» geruht. Dresden, 30. Juni. Se. Majestät der -Saia hat dem Pfarrer August Friedrich Leupold in Reibers dorf da» Ritterkreuz I. Klasse vom Albrecht»orden allergnädigst zu verleihen geruht. Bekanntmachung. Die nächste Aufnahme von Zöglingen in die Königliche Unteroffizierschult zu Marienberg voll am l. October diese» Jahre» stattfinden. Die Anmeldungen hierzu haben im Laufe de» Monat» Juli durch persönliche Vorstellung de» Aspi ranten entweder bei dem Kommando der Unteroffizier schule oder dem heimathlichen Landwehr-BezirkS-Kom- mando zu erfolgen. Bei diesen Behörden ist auch das Nähere über die Verhältnisse der Königlichen Unteroffizierschule und die Bedingungen für die Aufnahme zu erfahren und wird nur noch bemerkt, daß die betreffenden Aspiranten mindesten- 14 Jahr alt und konfirmirt sein müssen, beziehentlich da» 18. Lebensjahr noch nicht wesentlich überschritten haben dürfen und daß die gesammte Er ziehung der Zöglinge auf der Königlichen Unteroffizier- schule unentgeldlich geschieht. Dresden, am 26. Juni 1880. Kriegs-Ministerium. von Fabrice. Beyer. Nichtamtlicher Theil. Urterslch«. Telegraphische Nachrichten. ZeitungSschau. (GenevoiS. Rspublique franyaise. Bund. Schweizer Grenzpost.) TageSaeschichte. (Dre-den. Berlin. Karlsruhe. Prag. Triest. Buda-Pest. Madrid. Philadelphia.) Zur orientalischen Frage. Proviuzialuachrichten. (Freiberg.) Sächsische Bäder. Feuilleton. TageSkalender. Inserate. Beilage. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichtea. (Zwickau. Meißen. Bräun»- dors. Dittersdorf. Höckendorf.) EiugesandteS. «Srsennachrichtrn. Telegraphische Witterungßberichte. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Paris, Freitag, S. Juli, Nachmittags. (Corr.- Bur.) I« R»ftr4-Processe der Jesuiteu der Rue- dr SdvreS hat der SrinegerichtShof dir Einwen- duugen deS Polizeipräfecteu Ludrieux abgelehnt und sich rückfichtlich der Krage deS unbeweglichen EigeuthumS kompetent, rückfichtlich der Frage be treffs der Kapelle jedoch inkompetent erklärt. Feuilleton. Nibigirt von Ott» Banck. Literargeschichtliche EssayS. (Schluß ju Nr. 1bS.) ES wurden diese Stern'schen Essay- besonder- im Hinblick auf die treffliche Gutzkowcharakteristik in» Auge gefaßt. Verweilen wir noch bei dieser Frage, nicht nur weil fie eine hochinteressante ist, weil sie die Abtragung einer Zeitschuld in sich faßt, sondern zu gleich, weil deren Beantwortung durch den Verfasser viele seiner Eiaenthümlichkeiten und Vorzüge glänzend versammelt. Muß diese Anerkennung zugleich mit ein- treten für die der andern nicht minder fesselnden Auf sätze, so erklärt sich die» lediglich au» dem gemessenen Raum unsere» Blatte». Wie vorschnell da» Urtheil über Gutzkow stet» auf «»»getretenen Gleisen umherflanirte, wurde bereit» erwähnt. E» haben da» alte und junge Ritter vom Geist, zu Pferde, zu Esel und auch auf dem Katheder, genugsam bewiesen, und zwar meisten» unterstützt von jener Ueberwundenenstandpunkt»geberde, die gern in Salon und Hörsaal, vereint mit der weißen Hal-binde, so tapfer auf ihr Ziel loSgeht. Und doch ist die Aufgabe eine» solchen Urtheil» gar ernst und vielgestaltig. Namentlich hätte fie die Krittler von Fach, die Verfasser von Literaturgeschichten zu Besonnenheit und Mäßigung hindrängen sollen. Man weiß oder sollte wissen, daß eia Philosoph ohne die möglichst größte Summe de» derzeitigen Paris, Freitag, S. Juli, AbendS. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung deS Senat» stand auf der Tagesordnung die Amnestievorlage. Die Commission für Borberathung derselben batte ein Amendement deS General» Psilisfier angenommen, wonach von der Amnestie Brandstifter und Mör der der Commune ausgeschlossen sein sollen, welche nach vorau»gegangenem kontradiktorischen Ver fahren verurtheilt wurden. Bei der heutigen Be- rathuug erklärte der Vorsitzende der Commission, Jule» Simon, er sehe die durch die Berurtheilten aufgenöthigte Amnestie fortgesetzt als eine Gefahr an für die öffent liche Moral. Die Urheber der Amnestie machten sich eine» schweren Fehlers schuldig und stürzten das Land in eine wahrhafte Verwirrung. Die Commission sei nicht verantwortlich für die Verwirrungen, welche noch wachsen und sich noch mehr verschärfen würden. Ueber- dieS werde die Maßregel gerade am Vorabende des Nationalseste» und in dem Augenblicke beantragt, wo die Märzdecrete zur Ausführung gebracht würden. Nichtsdestoweniger sei im Geiste der Versöhnlichkeit und in dem Interesse für die Sicherheit des Landes der von der Kammer beschlossene Wortlaut der Amne stievorlage mit dem einzigen Zusatze genehmigt wor den, daß die im contradictorlschen Verfahren verur- theilten Brandstifter und Mörder von der Amnestie ausgeschlossen sein sollten. Die Commission habe auf diese Weise im Princip protestiren und das Gewissen de» Landes retten wollen. Die Republikaner müssen mehr als irgend Jemand die Verbrecher zurückweisen, welche die Commission von der Amnestie ausschließen wolle. „Wir handeln als Politiker und als Repu blikaner; ich bin überzeugt, wir werden die Billigung deS Senats und des ganzen Lande» finden." (Beifall.) — Der JustizministerCazotläßtdemAmendementder Commission seine Anerkennung zu Theil werden, weist indeß darauf hin, daß eS unmöglich sei, da» Amende ment praktisch auszusühren, und erinnert daran, daß eine größere Anzahl von Schuldigen, die nicht contra- dictorisch verurtheilt wurden, in contumaciam verur theilt worden seien. Da» Amendement werde sonach zu einer Ungerechtigkeit führen. Die Amnestie sei eine politische Maßregel; die Agitation werde fortdauern, wenn die Amnestie mit Einschränkung beschlossen werde. — Fournier beantragt die Worte deS Amendements: „nach vorauSgegangenem contradictorischem Verfahren" vorläufig auszunehmen. Bei der Abstimmung wurde der nach dem vor läufigen Anträge Fournier'» modificirte zweite Theil de» Gesetzentwurf» mit 157 gegen 123 Stimmen und hierauf der zweite Theil de» Gesetz entwurf» iu der von der Commission beschlossenen Fassung mit 141 gegen 123 Stimmen genehmigt. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung wurde der ganze Gesetzentwurf mit einem Zusatz- antrage Rinard'», worm ausgesprochen wird, daß eine Ausnahme nicht anwendbar sei für solche Lerurtheilte, deren Strafe von der Regierung bereits umgewandelt wurde, mit 178 gegen 98 Stimmen angenommen. Paris, Sonnabend, 10. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Journale der Linken find sämmtlich der Ansicht, daß die Amnestievorlage in der gestern vom Senat beschlossenen Fassung die volle Am nestie gewähre, und fordern die Deputirtenkammer auf, die Amnestievorlage in der Fassung de» Se nat» anzunehmen. London, Freitag, 9. Juli, AbendS. (W.T.B.) In der heutigen Sitzung deS Unterhauses erfolgte zunächst die Beantwortung einer Interpellation. Das Parlamentsmitglied Wolff richtete die An frage an die Regierung, ob dieselbe über die Unter- Wissen- zur Gewinnung seines ideellen ExtracteS durchaus nicht denkbar ist. Selbstverständlich darf dabei ein Philosoph nicht mit einem Professor der Philosophie verwechselt werden, der zwar ausnahms weise ein schaffender Philosoph sein kann, dies aber unbeschadet seiner tüchtigen pädagogischen Wirksamkeit keineswegs zu sein nöthig hat. Giebt eS doch wackere Kräfte dieser Art, die unfraglich der Ordnung der geistigen, auf rationelle Stallfüttcrung angewiesenen Wiederkäuer angehören und wegen der vortheilhaften Einrichtung ihre- MagenS die Schneidejähne »m Ober kiefer, den lebendigen Wald und die freie Bewegung gar nicht entbehren. Aehnlich in den LebenSbedingunaen wie dem schaffen den Philosophen geht eS dem schaffenden Schriftsteller, der ebenfalls nicht mit dem TageSarbeiter, mit Spe- cialisten der Literatur oder mit dem Literaturdocenten zu verwechseln ist, sondern sich al- Förderer der Cul- turbewegung, al» Hauptmitarbeiter in der großen un sichtbaren Redaction der Weltpresse, die ihre Nummern in allen Tultursprachen als Dramen, Epen, Romane oder Abhandlungen erscheinen läßt, jene- umfassende Repertoire de» Wirken» gebildet hat, dessen Schöpfun gen, verfehlt oder vollendet, sich doch immer nur dar stellen können als Das, was sie in Wahrheit sind: der literarische, künstlerisch geformte Extract au» einem ebenso umfassenden Repertoire de» Wissen-, der Be obachtung, der Erfahrung der speculativen Reflexion, de- divinatorischen Vorau-blick-. Und je weiter die Lultur fortschreitet auf Erden, je complicirter, aber auch je unabwei-barrr tritt diese Forderung nach Wissen, nach Mitleben, nach Be- tyeiligung am großen Ganzen, da- nur Kraft von Handlungen in Konstantinopel, sowie über ihre Politik un Osten Europa» und über die zum Schutz der bri tischen Interessen zu treffenden Maßregeln Auskunft zu geben vermöge. — Der Premier Gladstone erwiderte, die Regierung werde nicht verfehlen, Aus kunft zu geben, sobald dies thunlich sei; sie habe den besonder» Wunsch, zu vermeiden, daß dar Land durch Nachrichten über eine irgendwie vom europä ischen Concert getrennte Action überrascht oder er schreckt werde. Bei der Einzelberathung der irländischen Ent- schädigungSbill erklärte Gladstone unter Hinweis auf die Zeitvergeudung, welche die Opposition sich zu Schulden kommen lasse, die Regierung sei nichtsdestoweniger entschlossen, keine Vorlage auf- zugeben, die sie für daS Wohl deS Lunde» für nothwendig erachte. Die Berathung der Bill wurde nach 5 stündiger Debatte schließlich vertagt. St. Petersburg, Sonnabend, 1V.Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der „Regierung-Anzeiger" veröffentlicht eine kaiserliche Verordnung üver die Aufhebung der zollfreien Einfuhr von Gußeisen und Eisen auS dem Ausland», sowie eine Abän derung deS Zolltarifs für Eisen, Stahl, Metall- fabrikate und Maschinen. Konstantinopel, Freitag 9. Juli, Mittags. (W. T. B.) Die Collectivnote der Conferenzmächte dürfte hier am Sonntag eintreffen. Da dieselbe gleichzeitig hier und in Athen übergeben werden soll und in Athen erst am Mittwoch anlangcn kann, so wird die Uebergabe Ende der nächsten Woche erfolgen. (Vergl. umstehend die Rubrik „Zur orientalischen Frage") Dresden, 10. Juli. Obgleich schon früher die Trennung der Kirche vom Staate in erster Linie mit zu den Forderun gen und Zielen der radikalen Partei der Schweiz gehörte, so ist doch Genf der erste Canton, in welchem der Staat selbst in dieser Beziehung die Initiative er griffen hat. Der Große Rath von Genf beschloß im Anfänge vorigen Monats mit 54 gegen 44 Stimmen die gänzliche Aufhebung des CultuSbudgets und wurde hierbei wohl vorwiegend von dem Bedürfnisse geleitet, dem Staate Ruhe zu schaffen vor den confessionellen Händeln. Vor 50 Jahren nannte sich Genf noch „la sage" (das verständige, besonnene) und war die Me tropole des romanischen Protestantismus; heute, wo die Freizügigkeit, die leicht gemachte Verleihung des Bürger rechts, das alte würdige Genfer Bürgerthum vernichtet hat, ist eS das schweizerische Paris mit Demi-Monde, Proleta riat, langweiligen Engländern, nihilistischen Russen, Ver schwörern u. s. w. Der Ursprung des Kampfe- in Genf geht bis auf dieselbe Zeit zurück, wo in Deutsch land der sogenannte Culturkampf entbrannte. Die Genfer wollten ihre Stadi zu keinem römischen Bischofs sitze machen lassen. Sie waren in ihrem Rechte, da ein päpstliches Breve von 1819 den Canton Genf dem BiSthum Freiburg zugetheilt hatte und auf Grund dieses BreveS die Beziehungen zwischen Staat und Kirche durch eine Convention geregelt worden waren. Trotzdem ernannte der Papst 1872 den Pfarrer Mermillod zum Bischof von Gens, der cantonale StaatSrath setzte Msgr. Mermillod ab, der Bundes- rath wies ihn — als Bischof — aus. Ein Gesetz von 1873 giebt den Pfarreien das Recht, ihre Pfarrer zu wählen. Der katholische CleruS hat die katholische ländliche Bevölkerung so m der Hand, daß diese für das unerbetene Recht dankt. Nur ein Theil der Katholiken nahm das Gesetz an und constituirte sich als nationale Kirche (sie sind Diejenigen, welche sich in Deutschland die Altkathotiken nennen), und sie allein unserer Kraft, Blut von unserm Blute beleben kann, an Jeden heran, der die Feder mit ernstem Wollen und nicht als Dilettant zu führen gedenkt. Nicht als ein selbstloser, opsermuthiger, reinge stimmter Kämpfer für das Beste im hindernißvvllen Culturgang, wohl aber als einer der Ersten, der nach der elastischen Epoche den Werth der Erfahrungswissen schaft, den Segen des bittern Lehrgeldes, die Nöthi- gung zur Vielseitigkeit der Antheilnahme für den lite rarischen Beruf erkannt und den Zusammenhang zwi schen dem hastenden Tage und der müde schlummern den Vergangenheit vielleicht nur zu argwöhnisch für die Zukunft im Auge behalten hat, muß unS Karl Gutzkow erscheinen. Emporgewachsen in einer be schämenden Zeit niedriger und giftiger politischer Ver hältnisse, die nur den Indifferenten oder seinen besse ren Stiefbruder, den träumenden Idylliker gesund bleiben ließen und eine glücklichere GeisteSconstitution, als die reizbare, disharmonische Gutzkow'- krank machen mußten, konnte, was er schuf, kein lautere-, von den Erzschlacken der Tageskämpfe gereinigte- Me tall sein. Gerade in der Eckenntniß dieser Zeiteinflüsse hat Stern'- Darstellung so viel geleistet, um so Auffallendere-, da er, der Spätergeborne, erst zu beobachten begann, al» jene Zeit hinter uns lag. Um zu zeigen, wie fein und scharf feine Intuition hier nachholte, wa» er nicht selbst durchlebt, führe ich einige seiner Raisonnement» über Gutzkow im Bann und in der Nachwirkung der jungdeutschen Periode an: Sollen wir in der ganzen jungdeutschen Bewegung nur subjektive Willkür, nur die Neuerungslust einiger kleinen literarischen Begabungen erblicken? Und Haden wurden vom Staate anerkannt. Für sie und für die evangelische Kirche trug und trägt das CultuSbudget Sorge, während die Mehrzahl der Katholiken nicht nur ihre Beiträge zu den Kosten dieses Budget» leisten muß, sondern auch ihre eigenen Kirchen und Geistlichen zu erhalten hat. Das Gesetz, welches der Große Rath beschlossen hat, hebt die früheren Gesetze auf und ist in seinem Princip sehr einfach: der Staat hat nicht» mehr mit der Kirche zu thun. Die einzige Schwierig keit ist nur, was mit dem vorhandenen Kirchenver mögen geschehen soll, und in dieser Beziehung enthält das Gesetz allerdings einige höchst merkwürdige Be stimmungen. Die Kirchen und die Pfarrhäuser, welche Communaleigenthum sind, sollen nämlich den Lom- munen überwiesen werden unter der einzigen Bedingung, daß die Kirchen 30 Jahre lang unveräußerlich sind, und während dieser Zeit keinem andern CultuS in Gebrauch gegeben werden dürfen. Nur die Genfer Hauptkirche zu St. Peter soll auch über den Termin von 30 Jahren hinaus unveräußerlich und dem prote stantischen CultuS erhalten bleiben, so daß für alle Fälle dem „protestantischen Rom" wenigstens Eine Kirche bliebe. Alle übrigen stehen nach 30 Jahren dem Meistbietenden zu Gebote; ja eö scheint nach dem Wortlaut des Gesetzes sogar nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinden (d. h. die politischen) die Kirchen schon jetzt zu anderen, als kirchlichen Zwecken vermiethen können, resp. sich von den kirchlichen Gemeinden Miethe bezahlen lassen. Die katholischen Kirchen werden von diesen Bestimmungen nicht betroffen, da sie als Stif tungen constituirt und durch WahlcomiteS repräsentirt werden. Auch bei einzelnen protestantischen Kirchen ist das Gleiche der Fall. Für das Gesetz haben im Großen Rath zunächst gestimmt die Radikalen, natür lich im Namen der Religionslosigkeit. In Genf so wohl wie überall sind sie zu der Meinung gelangt, daß der Staat der Kirche nicht bedürfe, daß das Land am besten ohne Religion, nur als Rechtsstaat regiert werde (l'ötat sst atbvo et äoit l'etre). Die Religion ist ihnen eine pure Privatangelegenheit, sie darf keinen Einfluß auf daS öffentliche Leben gewinnen. Im Ver ein mit den Radikalen, aber natürlich von ganz ent gegengesetzten Principien ausgehend, haben auch für völlige Trennung von Kirche und Staat gestimmt die sogenannten orthodoxen Christen Genfs, die Anhänger der Freien Gemeinde, Vertreter der Ideen Alexander Vlnet'S. Sie handeln unter der daS positive Christen thum immer mehr in den Winkel des Volkslebens drän genden Macht der politischen Verhältnisse der Schweiz; sie wollen sich nicht mehr durch den Despotismus der bür gerlichen Obrigkeit und der Majoritätenherrschaft in reli giösen Dingen lyrannisiren lassen; sie weisen mit Abscheu alle Compromisse mit dem religionslosen Staate zurück. Sie stellen an den Staat keine weiteren Forderungen, al» daß er das Eigenthum und die persönliche Sicher heit schützt, daß er über äußere Sittsamkeit und Wohlanständigkeit wacht. Sie verwerfen die Na tionalkirche. Zu den beiden genannten Parteien Haden sich in der Annahme des Antrags die Ultra montanen gesellt. Genf hat mit Rom gebrochen; ein Staatsgesetz hat eine altkatholische Nationalkirche zur Existenz gebracht. Ein kleiner Bruchtheil der Bevöl kerung hat sich ihr angeschlossen; die Mehrzahl der Katholiken ist dem Papste treu geblieben. Wenn eS auch gegen die Principien der römischen Kirche streitet, haben die Genfer Katholiken die Trennung verlangt, mit der Absicht, dem AltkatholiciSmus den Todesstoß zu versetzen. Doch wer sind die Gegner des, die „Trennung irdischer und ewiger Interessen" invol- virenden Henry Fazy'jchen Antrages? Eben die Leute, welche als „liberal in politischen wie kirchlichen Dingen" seit Jahrzehnden die Trennung dem Volke als daS ebenso einfache wie sichere Mittel angepriesen haben, den kirchlichen Streitigkeiten mit Einem Schlage ein wir ein Recht, unsere Stimmungen von heute in die Zeit von 1830 zurückzutragen, was doch jedesmal ge schieht, wenn wir die poetisch-politischen Feuerwerke der damaligen Periode verurtheilen? Wir sind durch so ernste politische Kämpfe, so gewaltige Umwälzungen und Neugestaltungen hindurchgegangen, haben unser gesammteS Dasein so ausschließlich m Parteiung und schwere politische Arbeit aufgehen sehen, daß uns die ersten Vorboten der nachmaligen Entwickelung ganz fremd geworden sind. Diese kindische Lust an einer kleinen Opposition, dieses Spielen mit dem Feuer, dieses Gemisch von ernster Ueberzeugung und Renom- mage, diese Geistreichigkert, die einen gelungenen Aus fall auf die hohe Obrigkeit al- eine That empfindet, diese gänzliche Nichtachtung von LebenSverhältnissen und Idealen, nach denen wir unS im Laufe deS letzten Menschenalters ost zurückgesehnt haben, bringen auf uns eine ganz andere Wirkung hervor als aus unsere Väter zwischen 1830 und 1840. Alle Uebelstände einer einseitig politischen und materiellen Entwickelung de» nationalen Lebens sind unS derart zum Bewußtsein gekommen, wir kennen die Kehrseite unserer socialen Zustände, den Mangel an jedem wahren Genuß, jedem harmlosen Behagen, die ganze Oede einer Existenz, die beinahe nur wilde Hast, beinahe nur Krieg Aller gegen Alle rst, so verzweifelt gut, daß wir aus die vergange nen Tage unserer Cultur mit anderen Augen blicken, als der junge Gutzkow und seine Zeitgenossen. Unbe greiflich, schier frevelhaft, dünkt un» da- Bedürfniß, Goethe den Kranz vom Haupte zu reißen und der Bildung, die Goethe vertrat, zu spotten, vermessen die Lust an der Frivolität und der hohlen Tagesphrase, unsäglich unreif der Enthusiasmus, welcher mit süh.
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