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Dresdner Journal : 22.07.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188007222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18800722
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18800722
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1880
-
Monat
1880-07
- Tag 1880-07-22
-
Monat
1880-07
-
Jahr
1880
- Titel
- Dresdner Journal : 22.07.1880
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M1«8. Donnerstag, den 22. Jult. 188«. Ldoa»*me»t»pe»l»r l» ss»»,« tut»-)»«» »«io»«: dkdrlicb: . . l« zz ^Ldrlicd: 4 Kiu^ dv kk. Liarelo« Kummern: lv?k 4u»»«rtunld de» deuticke» keiobe» tritt ?o»t- uvd Ltempeiruecklitg kimu. la»«r»teoprel»er deu k»um einer ^Mltsnen ?etitreii« 20 kl. Unter „kin,«nn«it" di« Leite KO kl. Dres-nn Aomiml. kreekelnenr mit Xnennkme der 8000- nnrl keisrtn^e Xkeod» für den kolbenden Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. lnleratenannnkme anl«Iirt^t />r /trnrsdstctier, ^uiuuliL.iuutir <Is» Dresdner dourouts; UemduiHs -LerUa Vten l-etp»? >»»«! - vr««I»o rr,nt<fu>t e. U : 2aa»en«tein L kt»Aier,' verlin tVi«n-Siunt,nrU- kr»^-l-eipiix rr»nktnrt ». « »ünoken: Xlu«e,' SerU»: K. /lurrdiet, /ni n/idt>»tda»z, Lrewen: F'. <8c/Uutt«,' >r«,l»u: ,8tanAe>i'« Üürenu; vdemniu: ?>. ko,At; kr»nkknrt ». N.: F FacAer^seüe u. d D d/r-rinn»»»- »vde liuodksndiiin^; 0ürUtr: tr LlMer, Sennerer: 0 Lcküti-de r, k»ri» LerUn-krenktnrt ». H. Stutt^ert! />anb« « Ku., S»mdur^: H' L^ntdAen, ald. Lt«n«r. Nernuexvderr IlSniel. krpeditiov des Dresdner dvurnni«, Dresden, Xvinjrerstiidsse Ko. 20. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Daß von der Lebensversicherung- Gefellschaft ^Vbittiugtou I-ik« Xssuraue« OowpLu^ zu London den Bestimmungen in 88 2 bi» 4 der Ver ordnung über den Geschäftsbetrieb ausländischer Ver sicherungsanstalten im Königreich Sachsen vom 16. September 1856 allenthalben Genüge geschehen und die Stadt Chemnitz al» Sitz der Gesellschaft sür da» Königreich Sachsen gewählt worden ist, wird hiermit gemäß 8 6 der an- gezogenen Verordnung zur öffentlichen Kenntlich gebracht. Dresden, den 14. Juli 1880. Ministerium des Innern. v. Nostitz-Wallwitz. Fromm. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte». Lemberg, DienStag, 20. Juli, Abend». (Torr.-Bur.) Der galizische Landtag nahm heute nach einer langen und erregten Debatte die Re gierungsvorlage über die Beibehaltung der deut schen »ortragösprache am Gymnasium zu Brody au. Der Regierungscommiffar wie» im Laufe der Debatte die Insinuation eine» Redner» zurück, daß die Vorlage ein Erbstück brr frühern Regierung sei. London, Dien»tag, 20. Juli, Nacht». (W T. B.) In der heutigen Sitzung de» Oberhauses beantwortete der Staat»secretär de» Aeußern, Earl Granville, eine Anfrage wegen der Be- rufung deutscher Beamter uud Offiziere nach der Türkei. Earl Granville erklärte, da» Gesuch um Ueber- lassung deutscher Finanzbeamter scheine vom Sultan vor etwa 5 Monaten an die deutsche Regierung ge richtet worden zu sein. Gleichzeitig sei auch ein Ge such wegen Ueberlassung deutscher Offiziere an die deutsche Regierung ergangen. Dem Gesuch sei will- sahrt worden, weil schon seit langer Zeit e» Gebrauch der deutschen Regierung sei, Offiziere nach Konstanti nopel zu senden, indem der dortige Dienst al» eine gute Uebung für dieselben angesehen werde. Uebrigen» gingen dieselben nicht als deutsche Soldaten nach der Türkei, sondern legten ihr Patent als deutsche Offiziere nieder; eS werde ihnen dasselbe jedoch häufig bei ihrer Rückkehr in die H«math zurückgestellt. Bei einer frühern Gelegenheit habe unter den deutschen Offizieren große Bereitwilligkeit geherrscht, in türkische Dienste zu treten; gegenwärtig schienen dieselben aber allgemein nicht geneigt, nach Konstantinopel zu gehen. Granville bemerkte noch, eS sei ihm versichert worden, daß der Berliner Vertrag und die aus der Berliner Eonferenz getroffenen Arrangements die deutsche Regierung ver anlaßt hätten, die Offiziere nicht zur Uebernahme tür kischer Dienste zu ermuthigen; auch habe die deutsche Regierung ihren Wunsch versichert, bezüglich der con- cen,rten Action Europas nur in Uebereinstimmung mit den anderen Mächten zu handeln. Dir irische und die schottische Volkszählung»- bill wurde vom Oderhause in zweiter Lesung an genommen. Da» Unterhaus genehmigte in seiner heutigen Sitzung die irische Nothstandsbill in dritter Lesung. Lord Dalhoufie ist gestorben. Sein ältester Sohn, Lord Ramsay, Unterhausmitglied für Li verpool, folgt ihm al» Pair. In Liverpool hat demnach eine neue Parlament-Wahl stattzufinben. London, Mittwoch, 21. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die „Time»" wollen wissen, der öster reichische Botschafter in Konstantinopel, Baron Calice, sei beauftragt, der Pforte zu erklären, daß Oesterreich auf voller Ausführung der Empfeh lungen der Berliner Conferenz betreffs der grie chischen Grenze und der Bestimmungen des Berli ner Vertrages bezüglich Montenegros bestehe. Oesterreich erachte die beiderseitige Ausführung deS Berliner Vertrages als unerläßlich. Baron Ealice solle auf die Erfüllung der Verpflichtun gen dringen, welche die Türkei übernommen habe und welche die Sicherstellung der türkischen In- teressen involvirteu. Die „TimeS" bemerken dazu, Oesterreich und Deutschland stimmten be züglich dieser Politik überein, welche nicht zur Schwächung, sondern zur Kräftigung de» europäi schen Eoncert» beitrage. Die „TimeS" melden au» Kabul: Viele der angesehensten Häuptlinge der afghanischen Natio nalpartei haben Abdurrahman al» neuen Emir acceptirt und sich nach Charikar begeben, um mit ihm zusammenzutreffen. St. Petersburg, Mittwoch, 21. Juli. (Tel. d. Dresdn.Journ.) Die „Agence ruffe" sagt in einer Betrachtung über die Stellung der Mächte zur Pforte, daß zu einer befriedigenden Lösung der griechischen und der montenegrinischen Krage die dauernde Einmüthigkeit der Mächte erforderlich sei. ES komme darauf an, die Pforte von dem festen, einmüthigen Willen der Mächte zu über zeugen. Die Wahrscheinlichkeit de» besondern Vorgehen» einer Macht sei nicht vorhanden; nur in gemeinsamer Action sei ein Resultat erreichbar. Konstantinopel, DirnStag, 20. Juli. (Tel. d, Polit. Lorr.) Gegenwärtig finden häufig Con- ferrnzen zwischen den hiesigen Botschaftern Eng- landS und Arankreich», Mr. Göschen und Mr. Tissot, Statt, welche angeblich die von der Pforte veranlaßte Berufung deutscher Kunctionäre in ihren Dienst betreffen. Es verlautet, daß die beiden genannten Botschafter zu einer Verstän digung über die Opportunität gelangt sind, bei der Pforte die sofortige Bildung einer internatio nalen Kinanzcommission anzuregrn. Dresden, 21. Juli. Die sogenannte „deutsche Invasion nach der Tür kei", wie man in den diplomatischen Kreisen Konstan tinopels die Berufung deutscher Beamter nach der Türkei zu nennen beliebt, erregt fortdauernd allerwärtS das größte Aufsehen. Wir bemerken zu nächst folgendes Thatsächliches. Der preußische Regie- rung-rath Wettendorf, der al- Sachverständiger zur Ertheilung von Ratschlägen bei der Reorganisirung deS türkischen Finanzwesen- berufen ist, wurde Sonn tag, den 11. d., in Konstantinopel durch den deutfchen Botschafter, Grafen Hatzfeldt, in Gegenwart des ersten Dragoman», Testa, dem Sultan vorgestellt. Am näch sten Tage waren diese drer Persönlichkeiten beim Sul tan zum Döjeuner geladen. Noch drei weitere höhere deutsche Beamte werden erwartet, von denen je einer zum Musteschar (UnterstaatSsecretär) im Finanzmini sterium, Kriegsministerium und Ministerium des Aeußern ernannt werden soll. Im letztgenannten Mi nisterium bekleiden schon zwei Ausländer einflußreiche Stellen, nämlich der Engländer Parnis und der fran zösische Advocat Tarin Efendi. Endlich werden noch 6 deutsche Bataillon-chefs erwartet, die als Jn- structoren in die türkische Armee eintreten sollen. Die Bedeutung der Berufungen erfcheint gegenwärtig weit größer, al» diefeS in den ersten Tagen vermuthet wurde. Der Sultan hat diesen Beamten dre außer halb der MinisterporteseuilleS wichtigsten Posten zu gewiesen. Die UnterstaatSsecretariate in den türkischen Ministerien sind nicht blose Titel oder Smecuren; die Inhaber derselben leiten thatsächlich die laufenden Ge schäfte, und ihr politischer Einfluß ist gewöhnlich maß gebend, nachdem die Minister selbst weder die Intelli genz, noch die Energie haben, die ihr Posten erfordern würde. Nun fallen die drei wichtigsten Ressorts in deutsche Hände gelangen, die alle drei vorzüglich an den Verhandlungen und den Beziehungen mit dem AuSlande betheiligt sind. Mit dem Sultan stehen die MustescharS durch seinen deutschen Adjutanten in Eon- tact. Dieser Adjutant ist der General DrigalSky Pascha, ein Vetter des gleichnamigen Generallieutenants und Commandeurs der Cavallerledlvision des X V. Armee corps. Derselbe war ursprünglich preußischer Osfizier und stand als Secondelieutenant in Mamz in Garnison. Jugendlicher Thatendurst bewog ihn, die engen heimath- lichen Verhältnisse zu verlassen und in die Fremde zu gehen. Nachdem er einige Jahre in Indien das dortige Mllitärwesen zum Gegenstände eingehender Studien gemacht, wurde er in Konstantinopel an der KriegS- chule als Militärlehrer angestellt und verheirathete ich dort mit einer Tochter des Generals v. Malinowsky Emin Pascha), der früher als Hauptmann dem preußi- chen HeereSverdande angehört hatte. DrigalSky rückte chnell bi» zum Obersten auf und wurde dann durch >aS Vertrauen der Pforte auf den schwierigen Posten des Präsidenten der internationalen Donaucommlssion berufen, welche Stellung er bl- zum Ausbruch des türklsch-rufsischen Krieges mit Geschick und Tact ver waltete. Hernach war er dem auswärtigen Amte der Türkei zugetheilt, wurde mit mehreren schwierigen Missionen betraut und figurirte u. A. auch als Can- didat bei der Besetzung des Gouverneurpostens sür Oftrumelien. Vor einigen Wochen erhielt er aus der Hand des Sultan- selbst das Berat als Liva (Gene ralmajor). Mit gründlichen Kenntnisfin der verwickel ten orientalischen Verhältnisse verbindet DrigalSky Pascha eine umfassende allgemeine Bildung, tüchtige Sprachkenntnisse, die feinen Umgangsformen der vornehmen Welt und eme feltene Liebenswürdig keit deS Benehmens. „Em solches Maß officieller Macht im türkischen Reiche", schreibt die Wiener „Presse", „hat selbst Rußland nie auSgeübt, von England zu schweigen, dessen Agenten immer nur zu untergeordneten Missionen zugelassen wurden. Von dem Unterschied kann man selbst absehen, daß die poli tischen Vorposten Deutschlands ihre außerordentliche Stellung in Konstantinopel auf Verlangen deS Sultans selbst einnehmen, während ihm die fremden Reformer bisher immer nur aufgedrungen wurden." — Unwill kürlich hat die durch die deutsche Botschaft in Konstantinopel vermittelte, bereits seit drei Monaten betriebene, mit dem tiefsten Schleier de- Geheimnisses umhüllte Berufung der deutschen Beamten nach Konstan tinopel die Frage nahe gelegt, wie sich die deutsche Politik gegenwärtig zum türkischen Reiche stelle. Es kann hierauf erwidert werden, daß es sich hier lediglich um emen Act der Gefälligkeit handelt, mit welchem die Politik deS Reiches nichts zu thun har. Um dem Sultan einen Dienst zu «wessen, ließ die deutsche Regierung ihre Vermittelung emlreien und gab einigen Beamten Gelegenheit, in türkische Dienste zu treten. Man hat, wie die „Schlesische Presse" au- Berlin erfährt, den Herren kein Hehl daraus ge macht, daß sie lediglich aus eigene Rechnung und Ge fahr nach dem Bosporus sich begeben würden, wenn sie dem an sie ergangenen Ruse Folge leisteten. — Die Türken ihrerseits sind nach langen Jahren fruchtloser Versucht mit englischen und französischen Beamten auf den Gedanken gekommen, Deutsche zur Verwaltung der Türkei heranzuziehen. Nur in einem einzigen Falle war eS den Türken geglückt, durch Verwendung euro päischer Kräfte wirkliche, durchgreifende Verbesserungen zu erzielen; deutfche Offiziere und Unteroffiziere hatten das Heer, besonders die Artillerie und daS militärische Unterrichtswesen, von einer tiefen Stufe des Verfalls auf eme Höhe gehoben, deren Früchte der letzte tür- klfch-russische Krieg zur Genüge gezeigt hat. Die Generäle Bluhm Pascha, DrigalSky, Strecker (Reschid Pascha), Wendt (Nadir Pascha), Lehmann, v. Mali nowsky, Grunewald u. A. haben den deutschen Namen und die deutsche Thätigkeit in der Türkei zu hohen Ehren gebracht, während die Mehrzahl der auS den Angehörigen anderer Nationen gewählten Reorganisa toren den Türken nur ein überaus ungünstiges Bild von europäischer Wirksamkeit im Allgemeinen beizu bringen wußte. Wünschen wir, daß die neuen tür kischen Beamten ihrem Heimathlande ebensolche Ehre machen, als ihre Vorgänger in der Armee. Einen weitern Wunsch hegt auch die deutsche Reichsregierung nicht, die dem türkischen Reiche gegenüber völlig un- interessirt dasteht. Es kann der deutschen Regierung nicht einfallen, wie man das von englischer Seite unterstellen möchte, die Beschlüsse der Mächte contre- carriren zu wollen. Auch war die deutsche Regierung, als sie den Bitten der Türkei entsprach, nicht etwa von dem Bestreben geleitet, in der Türkei einen aus gedehnter» Boden deS Einflusses zu gewinnen, son dern, so bemerkt die „Kölnische Zeitung" u. A., „es war dies einfach eme Handlung derjenigen Hilfs bereitschaft, welche nicht nur unter einzelnen Menschen, sondern auch unter ganzen Staatswesen geboten ist. Wenn das deutsche Reich einen ausgedehnten Einfluß in der Türkei wünschte, so hätte es denselben längst haben können, ohne daß es erst der Ent sendung deutscher Beamten bedurft hätte." Alex ander Karatheodory Pascha, der fähigste Minister des Auswärtigen, den die Türkei nn letzten Jahrzehnd besessen, habe sich mehrmals darüber beklagt, daß der Türkei gegenüber das große deutsche Reich eine zu passive Rolle spiele. „Wie gern", äußerte einmal der Minister, „möchten wir mit Deutschland enger zusc.m- mrngehen, möchten wir auf Deutschlands Rathschläge hören und uns feinen Ideen anbequemen! Aber die deutsche Regierung ist uns gegenüber kalt wie Els und benimmt uns jede Gelegenheit vertraulicher Annähe rung; ihre Botschafter m Konstantinopel beschränken sich aus strenge Erfüllung ihrer Pflichten, ohne sich uns weiter zu nähern. Und wie gern würde Se. Majestät aus sie hören!" — Die deutsche Regierung, wird officiös aus Berlin geschrieben, nimmt den Stand punkt em, Haß sie ;ede Verwickelung auf der Balkan- Halbinsel zu hintertreiben sucht, weil sie darin eine be- benkUchc Störung des europäischen Friedens erblickt. Auch bestehe in maßgebenden Kreisen die Ansicht, daß, wenn es wieder einmal auf der Balkanhalbmjel zu kriegerischen Verwicklungen kommen sollte, dies leicht die gänzliche Vertreibung der OSmanen auS Europa und die Zerstückelung der Türkei zur Folge haben könnte. Wenn man sich nun auch in jenen Kreisen rür dre Erhaltung der türkischen Paschawirthschaft keineswegs begeistert, so möchte man doch auch jede Katastrophe verhindern, welche zu weiteren unabseh baren Verwicklungen führen könnte und welche den europäischen Frieden auf Jahre stören würde. Wenn Feuilleton. Nedigirt von Otto Banck. Literarische Revue. Arnold Wrllmer, der fchon früher nach und nach mehrere Bände mit Lebenserinnerungen und Eomö- diantenfahrten der berühmten Schönheit und in ihrer Zeit gefeierten Schauspielerin Karoline Bauer herauS- gegeben und damit vielen Erfolg geerntet hatte, ist seit dem vorigen Jahre mit der Edition der eigent lichen Privatmemoiren der Genannten beschäftigt. Der Inhalt gilt hier ebenso der Frau, der viel nachgestell ten und endlich in goldenen Retzen eingefangenrn, morganatisch gefesselten, al- ihrem Bühnenleben und ihren Wahrnehmungen in der Künstlerwelt. Da- Interesse dieser Edition, die unter dem Titel: „Verschollene Herzen-geschichten. Nachgelassene Memoiren von Karoline Bauer" (Berlin, Verlag von Loui- Gerschel) bereit- zwei Bände erreicht hat, ver anlaßt dazu, Notiz von derselben zu nehmen, obgleich die Herausgabe selbst vielfach in Widerstreit mit er achtbaren Empfindung steht, welche man im Leben, wie in der Literatur für die guten Grundsätze der Diskre tion zu hegen pflegt. Der Zwist, m welchen Wellmer mit dem moralischen und juristischen Recht, Mit den Ansprüchen und dem Betragen der Erben und auch wohl hin und wieder mit seinem eigenen Gefühl ge- rathen ist, repräsentirt ein so viel verzweigte-, undurch sichtige» Dilemma, daß sich dieser peinlich« Fall jeder Erörterung entzieht. Einem Wahrspruch derselben werden die Parteien endlich nicht entgehen. Borläufig sind die Bücher da, werden eifrig gelefen und eS tritt in ihnen Viele- anS Licht der Oeffentlichkeit, welches eS verdient hat, von diesem Lichte gerichtet und ver- urtheilt zu werden. Nimmt auch der Bearbeiter keinen Anstand, in beiden Theilen, deren letzter bi» zur Abreise nach Lon don geht, Manches in ähnlicher, oft weiter«, oft kürze rer Form zu wiederholen, was die Bauer schon früher erzählt hat, sie enthält doch ihr Jugendleben, ihr Wir ken in Berlin, das unglückliche Drama, das dort von einem russischen Betrüger mit ihrem Herzen gespielt wurde, das Spiegelbild, welches von der dortigen Ge sellschaft, vom Theater, vom Kunstenthusiasmus ent worfen wird, überaus fesselnde Beiträge zur Sitten kunde, jo Details von solcher Treue und Lebendigkeit, daß dadurch der Eulturgeschichte manche specielle Nah rung zufließt. Dabei taucht eine Fülle berühmter oder einflußreicher Persönlichkeiten und Zeitgestalten vor uns auf, und der Herausgeber hat keine Mühe gespart, die geschilderten Ereignisse richtig zu stellen und das That- .sächliche gegen romantische Uebermalungen zu wahren. , Auch hat er sich eine große Virtuosität ,n der Be nutzung und Verarbeitung der Bauer'fchen Tagebücher angeeignet; der zwar nicht immer gewählte Vortrag»- ton bekundet jene flüssige Lebendigkeit, welche auch der Bauer persönlich eigen war und nur literarisch gestal tet zu werden brauchte. Solche Frische zeigen sogar kleine Nebenepisoden, die ost ein Genrebild au» der alten Zeit geben. So erzählt die Verstorbene z. B. ihre Fahrt nach St. Peter-burg, wohin sie von einem Mitglied« d«» Hose» «ingrladeu war. „Heute", sagt sie, „,st die Gasssp,er fahrt eine» Kunftvirtuosen ein Tnumphzug, damal» war die Künstlerreise, namentlich in Rußland, ein Kreuzzug. Anfangs März 1828 verließen wrr Berlin, um gleich nach den Fasten in St. Perersburg einzutresien. Der russische Consul in Memel, an Sen ich empfoh len war, hatte mir zum Schutz seinen russisch sprechen den Secretär bis Polangen mitgegeden und hlnzuge- sügt: „Indessen einige Trinkgelder müssen Sie schon geben; die Mauthbeamlen find bei der kleinen Besol dung daraus angewiesen!" Aber bald sollten wir zu der trostlosen Einsicht kommen, daß unser Ritter sstr un» da- fünfte Rad am Wagen war, denn <4 fehlte ihm di« allernöthigste Energie „Sie führen doch keine neuen Gegenstände mit sich?" fragte er ängstlich. „Allerdings, meinen Reifebedarf." „Schlimm, lehr schlimm!" „Warum?" „Man wird Sie chicamren —" Klappern Sie nur mit dem Gelbe, dann rechnen die Beamten auf gute Trinkgelder!" „Ich habe kerne- bei mw", «wiederte der Ritter etwas ver legen. „Hier mein Herr!" sagte ich, indem ich ihm einige Rudel «nhändigte. Erne Stund« vor Polangen fahen wir bewaffnete Reit« auf un» zukommen. Unser Schützer sagte: „Erschrecken Sie nicht; e» sind nur Grenzwächter!" „Uud wa» gehen un- diese an? WaS wollen sie?" „Un» di- zum Mauthhause begleiten." „Warum aber da»?" „Um Sie zu e-cortiren, wenn Sie verdächtig erscheinen oder Lontrebande de, sich sühren — rn «ne Sicherheit, die Ihnen schwerlich gefallen würde . . ." „Sehr erfreulich!" sagte ich und betrachtete neugierig die Reiter, die übrigen» ganz hübsch au»sahen, leicht graziös auf den kleinen flmken Pferden saßen, aut martialischen, bärtigen Gesichtern gutmüthig unS an- dlickten and mit geschwungenen Lanzen unsern Wagen in die Mitte nahmen. Als wären wir Kriegsgefangene, hielten sie unS umringt und verließen uns nicht eher, bi» der Wagen vor dem Zollgebäude hielt. Dante'- Wort: „Ihr, die Ihr eintretet, laßt jede Hoffnung draußen!" hätte al- Schild vor der Ein- gangSthür hängen müssen, dann wären wir würdig vorbereitet gewesen auf dieses Höllenzimmer. Ein furchlbarer Qualm von Hitze und verpesteter Lust schlug uns entgegen. Die Doppelfenster ließen durch die trüben Scheiden wenig TageShelle ein. Em« Menge Juden saßen und standen umher, unS neu gierig anschaurnd. Die Beamten empfingen unS mür risch und gingen langsam an- Durchsuchen der Koffer, welche der Bediente hereintragen half. AuS aufgedun senen, graublassen Gesichtern traf unS manchmal ein lauernder Blick, wenn em Gepäckstück ihnen aufzu- fallen schien. Der Secretär wischte sich den Angst schweiß von der Stirn, alS einer der Untersuchenden mit den schmutzigsten Fingern ihm Atlasschuhe vor- hielt, «ifrrgst dad« sprechend. Ich trat näher. „Wa- fragt der Unhöfliche?" „Warum Sie neue Schuhe mit sich führen?" „Soll ich etwa in allen Schuhen vor Ihren Majestäten in St. Petersburg spielen? — oder dort erst Schuhe anmessen lassen? Verdol metschen Sie ,hm da-, ich bitte, Wort für Wort — und betonen Sie, daß die Kaiserin Alexandra mich persönlich nach St. Petersburg zum Gastspiel einge laden hctt!" Da« half, e« wurde weiter au-gepockt, etwas schneller, da hörte ich plötzlich hinter mir Ohrfeigen auStherlen und heftig reden. Ich wandte mich um
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