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- - ' Neilige W Welßeritz-Ieitlmg. Nr. 115. Sonnabend, den 1. Oktober 1910. «MM»^SSSW«»SWW«««MWWSS«»««-««M11^ » 1,11», I «" 7 - ^7ss7fL.lW---SSS^SSS^SSWSS^Ä«^^»^S^^^ Eine finanzpolitische Komödie der Irrungen. Die jungtürkische Regierung besindet sich wieder einmal in Geldverlegenheiten, hauptsächlich infolge der militärischen und maritimen Rüstungen der Türkei. Man hat sich da her in den Konstantinopeler Regierungskreisen entschlossen, einen neuen Borg im Auslande aufzunehmen, zu welchem Zwecke sich die Pforte zunächst an Frankreich wandte, das ja in der günstigen Lage ist, immer Finanzgeschäfte mit fremden Staaten, die in einer Geldklemme sitzen, treiben zu können. Aber der sür die Anleiheunterhandlungen der Türkei mit Frankreich zunächst designierte türkische Finanz minister Dschavid Bey scheiterte mit seiner Aufgabe, weil ihm in Paris für die Gewährung der türkischen Anleihe Bedingungen gestellt wurden, welche die Pforte weder annehmen konnte noch wollte. Sollte sich doch die Pforte u. a. verpflichten, ihren Bedarf an Geschützen, Gewehren, Munition usw. wenn nicht ganz, so doch zum guten Teil, bei französischen Firmen zu decken, ebenso die Bedürfnisse sür die Marine. Die jungtürkische Regierung würde sich durch die Annahme dieser Bedingungen mehr oder weniger in die Hände Frankreichs begeben haben, und das mochten die Jungtürken denn doch nicht tun, trotz ihrer freund- schaftlichen Gefühle für dieses Land. Nach der vergeb- lichen Mission Dschavid Beys versuchte es nun der türkische Großoezier Hakki Pascha selber, die Anleihe in Paris zu betreiben, jedoch auch er hatte kein Glück; es gelang ihm nicht, an den französischen Bedingungen etwa« abzuhandeln, und so mutzte denn auch der Grotzvezier mit leeren Händen wieder von Paris abziehen. Da trat plötzlich Sir Ernest Cassel, der bekannte englische Finanzmann, als Retter in der Finanznot für die Türkei auf. Er gab seine Geneigt heit kund, die türkische Anleihe zu annehmbaren Bedin gungen auf dem Londoner Markte unlerzubringen, und türkischerseits sagte man natürlich mit Freuden ja, sodatz also das Anleihegeschäft unter englischer Vermittlung zustande zu kommen schien. Doch da brach mit einem Male ein Sturm der Entrüstung in der französischen Presse gegen den englischen Nachbar und Ententegenossen aus, er wurde in den heftigsten Ausdrücken der Hinterlist gegen das befreundete Frankreich beschuldigt, dessen Ablehnungs- Politik in der türkischen Finanzasfäre durch die Willfährig, keit Sir Ernest Cassels zur Vermittelung der türkischen Anleihe durchkreuzt werde, und ziemlich osfen wurde an der Seine sogar mit der Kündigung der Entenlesreundschaft gedroht. Eine solche Wirkung der Bereitwilligkeit der englischen Finanzgröhen, der Türkei in ihren Geldnöten beizuspringen, auf Frankreich hatte man an den leitenden Londoner Stellen allerdings nicht erwartet, mit Frankreich durfte es Albion der Türkei wegen nicht verderben, und so bekam denn Sir Ernest Cassel einen bedeutsamen Wink aus dem Londomr Auswärtigen Amte, sich nicht weiter auf die türkischen Anleiheverhandlungen einzulassen. Sir Ernest Cassel trat selbstverständlich schleunigst von der Cache zurück, und nun ist guter Rat sür die Türkei teuer, denn wo soll sie die nötigen Gelder auftreiben, wenn Frankreich und England versagen? In dieser Zwangs lage scheint nun die jungtürkische Regierung doch wieder auf Frankreich als Helfer zurückkommen zu wollen. Es heißt, es seien wegen der türkischen Anleihe neue Ver- Handlungen in Paris ausgenommen worden, von denen türkischerseits der Direktor der Nationalbank in Konstan tinopel, Babington Smith, beteiligt sei. Außerdem soll anderseits auch Hakki Pascha mit der Ottomanbank in Konstantinopel, die bekanntlich ein von der französischen Regierung unterstütztes Finanzinstitut ist, erneut verhandeln. — Ueber den Verlauf dieser erneuten französisch-türkischen Verhandlungen verlautet allerdings noch nichts. Schließ- lich aber wird versichert, Hakki Pascha habe in Wien, wo er auf seiner Heimreise nach Konstantinopel weilte und mit dem Minister des Auswärtigen, Grafen Aehrenthal, wiederum konferierte, auch die türkische Anleihe zur Sprache gebracht. Die Möglichkeit ist also nicht ausgeschlossen, daß die Türkei zuletzt in Wien, vielleicht mit Unterstützung von deutscher Seite, die Gelder erhält, die man ihr in Paris und London nicht borgen wollte. Ob nun das türkische Anleihegeschäst, anstatt an der Seine oder Themse, nun an der Donau noch persekt wird, das bleibt allerdings immer noch abzuwartrn, und es läßt sich also vorläufig der Ausgang dieser seltsamen politischen Finanzkomödie der Irrungen auch jetzt noch keineswegs übersehen. Ans ruhmreichen Tagen, lkünnerungsblütter aus dem deutsch-französischen Kriege 1870/71. l. Oktober. Graf Bismarck erläßt von Ferrier«» aus «in Rund schreiben an die Vertreter des norddeutschen Bundes im Ausland«, worin «r die, Preußen von Jule» Fevre unter- ieschobene Absicht, Frankreich zu einer Macht 2. Ranges lerabzudrücken, entschieden zurückwies. Das unter Befehl des Generals v. Werder gestellte Nkuformierle 14. deutsche Armeekorps bricht von Straß, bürg aus. Es hatte die Bestimmung, den Elsaß von fran zösischen Truppen zu säubern und alle Unternehmungen des Feindes von Südsrankr«ich her zurückzuweisen. Das Korps war 25 500 Mann stark und bestand aus den Divisionen Glümer und La Roche, Generalstabschef von Degenfeld. Zu dem Korps gehörten außer den badischen Truppen die beiden preußischen Infanterieregiment« Nr. 30 und 34; die Zahl der Geschütze betrug 72. Vor Paris wird die Kette der Belagerer Anfang Ok tober von Tag zu Tag dichter und enger gezogen. Unruhen in Lyon, wo schon am 20. September ein rotrepublikaner Aufstand erfolgt war, bei dem der an der Spitze der Aufständischen stehende General Chuseret sich der Regierung zu bemächtigen versuchte, ein Verbrechen, das die Nationalgarde vereitelt hatte. Sächsisches. — Von R. Fritzsches Kursbuch für Sachsen, das übrige Mitteldeutschland, Böhmen und Schlesien rc. ic. ist die Winterausgabe vom l. Oktober 1910, abermals ver mehrt, erschienen. Das allbekannte und beliebte grüne Kursbuch bietet in dem vorzüglich angeordneten und durch gearbeiteten Stosse dem reisenden Publikum in jeder Be ziehung einen bequemen Ratgeber und verfolgt unablässig das Ziel, das beste und erschöpfendste Kursbuch Sachsens zu sein. Das mit zwei ausgezeichnet klaren Karten aus gestattete Merkchen ist zu dem alten Preise von 50 Pf. bei allen Fahrkartenschaltern der Kgl. Sächs. Staatsbahnen, in allen Buchhandlungen rc. zu erlangen. — Um die Schulhausmannstelle in Le üben bei Dresden sind 276 Gesuche eingegangen. — Das Schwurgericht in Dresden verurteilte den 35jährigen Schuhmacher Franz Matuscheck, der in dem Orte Burkhardlswalde falsche Zweimarkstücke angefertigt und verausgabt hat, wegen Münzverbrechens zu 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus. 5jährigem Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. — Das neue Dresdner Stadtmuseum ist nun mehr erösfnet worden. Das Museum ist in dem großen Lichthofe des neuen Rathauses untergebracht. Es enthält eine Menge Reliquien lokaler Natur, Kirchenutensilien, alte Gemälde und dergleichen. Besonderes Interesse beansprucht der vor kurzem in der Sophienkirche ausgegrabene Gold fund, der reiche Schätze altdresdner Goldschmiedekunst aus dem 16. und 17. Jahrhundert bringt. Ein Kreuzgang ist als Ehrenbürgergalerie ausgestattet worden, und enthält die Bilder derjenigen Männer, die wegen ihrer besonderen Verdienste von Dresden zu Ehrenbürgern ernannt wurden. — Eine Erweiterung der Beteranensürsorge durch die Vermehrung der städtischen Ehrenrenten für Kriegsteil nehmer beschloß der Rat zu Dresden in seiner letzten Sitzung eintreten zu lassen. Außer den jetzt vorgesehenen 12400 M. sollen vom 1. Oktober d. I. an noch weitere 7600 M. jährlich für diesen Zweck bewilligt und aus den dann zur Verfügung stehenden jährlich 20000 M. insge samt 50 Renten zu je 80 M., 90 Renten zu je 60 M. und 265 Renten zu je 40 M. gebildet werden. — Sehr praktisch ist der Rat der Stadt Leipzig ver fahren, um eine Verbesserung und Vereinfachung der städtischen Verwaltungen herbeizusühren. Er hat im Juli vorigen Jahres an sämtliche Beamte und Hilfsarbeiter des Rates und des Polizeiamts die Aufforderung ergehen lassen, Vorschläge für Geschäftsvereinfachungen einzureichen. Für brauchbare Vorschläge sollten Anerkennungen in Form von Geldentschädigungen erfolgen. Auf diese Aufforderung hin gingen 112 Arbeiten ein. Der weitaus größte Teil dieser Arbeiten läßt erkennen, daß ihre Verfasser mit großem Fleiße, Interesse und Sachkenntnis sich bemüht haben, praktische Vorschläge zur Vereinfachung der Dienstgeschäfte zu unterbreiten. Es haben daher 32 Verfasser mit je einer Geldentschädigung und 27 Verfasser mit lobender Anerkennung bedacht werden können. Der größere Teil der Geschäftsvereinfachungsvorjchläge ist bereits in die Praxis umgesetzt worden. — An einem Abend der vorigen Woche machte ein Einwohner in Glauchau die Bekanntschaft einer Frauens person, die er kurz entschlossen als Wirtschafterin engagierte. Jetzt machte er die unangenehme Entdeckung, daß die „Wirtschafterin" und mit ihr ein Sparkassenbuch ver schwunden war. Die Unbekannte, die 150 M. mit Hilfe des Buches auf der Sparkasse erhoben hatte, wurde als eine von ihrem Manne getrennt lebende Frau Großer aus Meerane ermittelt und zur Haft gebracht. Von dem Gelde wurden noch 39 M. bei ihr gefunden, 30 M. wurden bei ihrer Mutter beschlagnahmt. — Die Bevülkerungszahl der Stadt Plauen i. V. ist in stetigem Zunehmen begriffen. So betrug die durch Fortschreibung ermittelte Einwohnerzahl Plauens Ende August d. I. 119036 (gegen 118255 Ende Juli). Es i,t demnach im August eine Zunahme von 781 Köpfen zu verzeichnen. Besonders stark war in diesem Monat der Zuzug von Bauarbeitern. li Kesseksdorf. In dem ausgegrabenen Gestein des Straßenbaues ist ein guterhaltener ziemlich starker silberner Siegelring mit der Jahreszahl 1537 aufgefunden worden. Die Gravierung ist verwischt. Augustusburg. Der Bau unserer Drahtseilbahn schreitet, wie das „Augustusb. Wochenbl." meldet, erfreu- licherweise rüstig vorwärts. An der ganzen Bahnlinie entlang wird fleißig an der Herstellung des Dammes ge arbeitet. Im ehemaligen Alaunteiche ist man jetzt tm Begriff, eine außerordentlich starke und hohe Dammauer aufzusühren. Hierbei machte sich nötig, daß auch die 76. Jahrgang. kürzlich entdeckte Höhle wieder mit vermauert wurde. Auch in der Nähe unseres städtischen Elektrizitätswerkes sind nunmehr deutliche Spuren von der künftigen Bahnlinie wahrnehmbar. Chemnitz. Die 23. Generalversammlung de» Evan gelischen Bundes ist nach einem Bortrage des Wirkl. Oberkansistorialrats Grneralsuperintendenten Vr. Kastan- Kiel über „Gemeinsame Weltanschauung, Ultramontanis- mus, Protestantismus" geschlossen worden. Die nächste Tagung findet im Oktober 1911 in Erfurt statt. Die vom Sächs. Landesoerein des Evangelischen Bundes gesammelte Liebesgabe von etwa 42 000 M. wurde dem Ausschüsse für die evangelische Bewegung in Sachsen überreicht. Mittweida. Auf der Deckerstraße wurde Dienstag nachmittag ein Geschirrführer von einem Pferde ins Ge sicht geschlagen und schwer verletzt. Der Bedauernswerte war erst vom Militär entlassen worden und hatte vor mittags seine neue Stellung angetreten. Döbeln. Ein Hotelbettendieb wurde hier auf frischer Tat erwischt. Er wollte mit einem größeren Karton ein Gasthaus am Bahnhof, in dem er übernachtet hatte, verlassen und ließ den Karton im Stich, als ihm die Wirtin entgegentrat. In dem Karton waren die ge stohlenen Federbetten verpackt. Der Polizei gelang die Verhaftung des Diebes. Es war der 43jährige Arbeiter Morgenstern aus Chemnitz, der mehrfach steckbrieflich ge sucht wird. Man fand bei ihm eine große Anzahl Pfand scheine der Leihhäuser zu Chemnitz, Dresden, Halle, Gera über verpfändete Betten und Wäsche. Der Mann ist ge ständig, in Meerane, Limbach, Burgstädt, Mittweida, Kötzschenbroda, Dresden, Potschappel, Leipzig, Halle, Gera Belten auf gleiche Weise wie hier gestohlen zu haben. Grimma. Eine seltene Feier konnte am Dienstag der hier wohnende pensionierte Bahnwärter Friedrich Wilhelm Müller begehen. Er konnte zum zweiten Mole die silberne Hochzeit feiern, und zwar auch zum zweiten Male am gleichen Tage, den 27. September. Die jetzige Frau Müller hat ihren ersten Mann nach beinahe 25- jähriger Ehe verloren. Es fehlte also auch ihr nicht viel an der zweiten silbernen Hochzeit. Leipzig. Die oft besprochene „Ausstellungsmüdigkeit" drückt sich in der Tatsache aus, daß die hier seit Jahren bestehende dauernde Gewerbeausstellung mehr und mehr an Zugkraft verloren hat und aufgegeben werden muß. Die Räume sollen verkleinert und an einzelne Firmen vergeben werden, die dann ihre Fabrikate durch eigene Angestellte vorführen sollen. Leipzig. Herbes Leid ist über die Familie des Maurers Roßberg, Funkenburgstrage 24, gekommen. Frau Roßberg hatte ihre beiden Kinder allein gelassen, um ihren Auswartedienst zu besorgen, und die Kleinen waren sich allein überlassen. Sie öffneten das Fenster der in 4. Etage belegenen Wohnung und der acht Jahre alte Knabe beugte sich soweit hinaus, daß er hinabstürzte und mit gebrochenem Genick tot aufgehoben wurde. Leipzig. Eine wesentliche Förderung hat ein hoch herziger Stifter dem hiesigen Verband käufmännischer Ge hilfinnen dadurch zuteil werden lassen, daß er für die Zwecke der Altersunterstützung den Betrag von 50000 Mark stiftete. Leipzig. Das Zuwiderhandeln gegen die polizeiliche Vorschrift, rechts zu fahren, hat einen jungen Menschen ins Gefängnis gebracht. Er hat zudem den Tod eines Menschen auf dem Gewissen! Ein 18 Jahre alter Lauf bursche prallte, als er auf seinem Rade auf der falschen Straßenseite um eine Ecke bog, mit einem anderen Rad- fahrer zusammen, der vom Rade stürzte, unter die Räder eines gerade vorüberfahrenden Bierwagens geriet und s» schwer verletzt wurde, daß er noch am selben Tage starb. Der junge Mensch, der den Zusammenstoß verschuldet, wurde der fahrlässigen Tötung angeklagt und von der Strafkammer zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Glauchau. Ein recht schlechter Geschäftsgang ist gegenwärtig in der hiesigen Webwarenfabrikation zu ver- zeichnen. Ein großer Teil der Weber ist gezwungen, zu feiern. In einzelnen Betrieben ist die Zahl der leer stehenden Stühle recht groß. Auch in den Appretur- anstalten ist dadurch wenig Arbeit. Hier müssen die Ar beiter tagelang aussetzen. Falkenstein. In hiesiger Stadt ist in diesem Jahre die Bauttätigkeit äußerst rege. Durch 30 fertig- gestellte bezw. noch im Bau befindliche Wohnhäuser wurden insgesamt 146 Wohnungen geschossen. Der Zu zug in die Stadt ist jedoch so stark, daß die Wohnungen kaum ausreichen. Lugau. Als jugendliche Brandstifterin wurde hier die Schülerin M. ermittelt. Sie hat das Hempelsche Scheunen- und Stallgebäude, das am 26. Juni d. I. abbrannte, vor sätzlich weggefeuert, well sie grob behandelt worden war. Die Brandstifterin steht im 14. Lebensjahre und sieht ihrer Bestrafung entgegen. Sparkasse zu Höckendorf. Nächster Lrpedltlonstag: Sonntag, den 2. Oktober, nachmittag» V-Z—b Uhr. Sparkasse zu Schmiedeberg. IJm Gemeindeamt daselbst.) ErpedMonstage: Nur noch an allen Wochentagen vorm. 8—12, nachmittags 3—5 Uhr.