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G92 Nr. 10. „STAHL UND ESEN.4 October 1888. sprechend auch verschieden lang, aufserdem aber in der Gegend der Mitte stärker gelassen, da dort die gröfste Inanspruchnahme stattfindet. Ueber jedes Nadelwehr ist ein leichtes ab nehmbares Geländer, dessen Handgriff aus einem 10 mm starken Drahtseil besteht, errichtet. Die vorhin schon erwähnte „ Auslösung Kummer“ besteht aus einem in einer Hülse steckenden drehbaren Bolzen am Kopf jedes Bockes. Dieser Bolzen giebt in zwei verschiedenen Stellungen einmal einer als oberer Anschlag für die Nadeln dienenden beweglichen Stange, welche am nächsten Bock befestigt ist, an ihrem Ende einen festen Halt, so dafs dieselbe nicht durchschlagen kann; und das andere Mal läfst sie dieselbe frei, so dafs die sämmtlichen an ihr lehnenden Nadeln ihres oberen Halles beraubt im Wasser fort schwimmen und durch an ihnen befestigte Leinen ans Land bezw. in einen Nachen gezogen werden können. Die so durchgeschlagene Stange liegt an dem Bock, an welchem sie befestigt ist, im aufgelösten Zustande und auch wenn der Bock umgelegt werden soll, vollständig an. Die Böcke legen sich bei Beseitigung der Wehre hinter einen Absatz im Boden von 0,4 m Höhe. Die Anlage einer Nische ist, wie auch an der Maas, ver mieden worden, um Sinkstoffen möglichst wenig Gelegenheit zur Ablagerung zu geben. Die Ent fernung von Bock zu Bock beträgt 1,20 m; vom Mauerwerk steht derjenige Endbock, welcher sich nach diesem zu umlegen soll, 1,50 m ab, und ist eine Nische in dem Pfeilermauerwerk ausge spart, in welches sich dann der obere Theil des betreffenden Bockes hineinlegt. Die Einrichtung der Vorder- und Hinterlager ist, jene dem Bei spiele an der kanalisirten Saar, diese demjenigen an der kanalisirten Maas in Belgien, nachgebildet. Durch den ganzen Wehrkörper sind noch lange eiserne Anker horizontal hindurchgezogen, je 2,4 m von einander entfernt. Vor- und Hinterboden der Wehre sind durch Steinpackungen geschützt. Nach Inbetriebsetzung des Mainkanals haben sich sämmtliche Anlagen, insbesondere auch die Nadelwehre als vollständig zweckentsprechend bewährt. Trotzdem die Nadeln bis zu 20 kg schwer sind, ist die Arbeit damit nicht schwierig. Beim Einsetzen wird die Nadel nach vorn zu in das Wasser gestofsen und vom Wasserdruck bis an ihren Anschlag herangedrückt. Das Heraus nehmen einzelner Nadeln geschieht durch eine geringe Hebung der Nadel nach oben mittels eines einfachen Hebels, worauf sie, vom Wasser weggerissen, aufgefangen wird. Die zum Durchlässen der nur zu Thal fahrenden Flöfse bestimmten Flofsrinnen am rechten Flufs- ufer sind so angelegt, dafs die Flöfse in ihnen mindestens 0,9 m Wasser finden. Die Sohlbreite beträgt 12,0 m. Die zwischen dem freien Main und den Flofsrinnen angelegten Trennungsdämme sind in ihrer ganzen Oberfläche gepflastert und die Fugen mit Kalkcementmörtel vergossen. Am oberen Ende der Rinne befindet sich zwischen den Pfeilern der Verschlufs desselben, das Trommel wehr. Endlich erwähnen wir noch die Fischpässe, welche am linken Ufer dicht neben dem Land pfeiler der Nadelwehre angelegt sind und aus cascadenartig nebeneinander liegenden Becken mit je 0,8 m Wassertiefe bestehen. Diese Pässe werden, wie tägliche Beobachtungen im Sommer ergeben haben, sehr fleifsig von den Fischen benutzt. Nach Fertigstellung sämmtlicher Bauwerke hat die Actiengesellschaft „Mainkette“ zu Mainz von letztgenannter Stadt durch den kanalisirten Main und weiter hinauf bis nach Aschaffenburg eine Kette verlegt. Dieselbe ist in den einzelnen Stauanlagen durch die Schleusen geführt, woselbst die Thore und Drempel entsprechende Ausschnitte erhalten haben. Besondere Mafsnahmen zur Führung der Kette in die richtige Lagerung sind nicht nöthig. Jeder Kettendampfer bemüht sich, beim Durchfahren der Schleuse möglichst die Mitte zu halten, und die Kette wird, falls sie nicht genau über ihrem Platze sich befindet, durch ge eignete Bewegung der Thore beim Zumachen an ihre Stelle gebracht. Im Anschlufs an die Mainkanalisirung schuf nun die Stadt Frankfurt geradezu grofsartige Hafenanlagen*, bei welchen alle Neuerungen und Verbesserungen angewandt wurden, welche die Stadt zu einem günstigen Platz für den Uebergang des Wasserverkehrs in den Landverkehr ausbilden konnten. Während die Stadt eigentlich nur das nächst umliegende Gebiet als ein sicheres Absatz gebiet für den Wasserverkehr im Frankfurter Hafen betrachten durfte, mufste sie durch die Vorzüg lichkeit der Einrichtungen Sorge tragen, die Löschungs- und Lagerungsverhältnisse im Hafen so vortheilhaft zu gestalten, dafs der Umfang dieses Gebietes erweitert und ein wirklich be deutendes Absatzgebiet gewonnen und behauptet werden konnte. Thatsächlich sind denn auch alle Anlagen, welche die Stadt im Anschlufs an die Mainkanalisirung hergestellt hat, von diesem Standpunkte aus behandelt worden, und hierdurch ist erreicht, dafs Frankfurt a. M. heute als Rhein handelsstadt bezeichnet werden kann. Solche Wandlungen befähigten sie in hohem Mafse, den III. internationalen Binnenschiffahrtscongrefs bei sich aufzunehmen, dessen Theilnehmer denn auch nicht ermangelten, Lob und Bewunderung über so grofsartige Leistungen wiederholt auszusprechen. Auch diejenige Stadt, welche den nächsten Binnenschiffahrtscongrefs — im Jahre 1890 — in ihren Mauern begrüfsen wird, hofft auf eine * Vergl. W. H. Lindley, Beschreibung der Frank furter Hafenanlage. Frankfurt a. M., Druck von A. Oslerrieth, 1888. pag. 5 ff.