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bereits die Initiative ergriffen und für die ein zelnen Theile des Entwurfs meist dem Personal bestände des Ober-Landesculturgerichts entnom mene Referenten bestellt, welche über die die landwirthschaftlichen Interessen besonders berüh renden Theile des Entwurfs Gutachten entwerfen sollen. Diese Gutachten der bestellten Referenten werden alsdann praktischen Landwirthen zur speciellen Erörterung der für die landwirthschaft- liehe Bevölkerung gewichtigen Gesichtspunkte unterbreitet werden und soll das so gewonnene Material dann in Conferenzen weiter behandelt werden, an denen aufser den sämmtlichen Re ferenten zu berufende geeignete Sachverständige theilzunehmen haben werden. Schliefslich wird sich das Plenum des Landesökonomie-Collegiums über das aus der gutachtlichen und commis- sarischen Behandlung des Entwurfs hervorgegan gene Material schlüssig machen. Wenn auch nicht in allen Theilen des Reichs und nicht einmal in Preufsen die landwirth schaftlichen Interessenten bezüglich ihrer Rechts anschauungen übereinstimmen werden, wenigstens hat das Landesökonomie - Collegium Sorge ge tragen, dafs diese Rechtsanschauungen auch in ihren Abweichungen und mit ihrer Motivirung für die weitere Behandlung des Entwurfs eines Deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs geltend ge macht werden können, und damit ist ohne Zweifel nach dieser Seite hin ein Wesentliches erreicht oder doch sichergestellt worden. Nun hat zwar die Industrie auch nicht ein mal in Preufsen eine officielle Gesammtvertretung, wie sie der Landwirthschaft im Landesökonomie- Collegium und im Landwirthschaftsrathe, welcher seinerseits eine ähnliche, ganz Deutschland be rücksichtigende Durcharbeitung des Entwurfs vor bereitet, gegeben ist. Weder die Handelskam mern, noch der Handelstag, noch endlich die Verbände zur Wahrnehmung der industriellen Interessen können in gleich wirksamer Weise, wie es für den andern grofsen Zweig unseres Wirth- schaftslebens im Zuge ist, eine gemeinsame Kritik an dem Entwürfe ins Werk setzen. Sind aber die industriellen und gewerblichen Interessen, ebenso wie diejenigen des Handels, auch in die sem Falle schwieriger wahrzunehmen als die der Landwirthschaft, so dürfte es desto dringendere Pflicht der einzelnen Körperschaften und der in dustriellen und gewerblichen Interessenten selbst sein, Jeder an seinem Theile dafür zu sorgen, dafs den wirthschaftlichen Gesichtspunkten auch nach ihrer Seite hin ihr Recht zu theil werde. Jede das Wirthschaftsleben betreffende, den bestehenden, im Volke vorhandenen Rechts anschauungen nicht voll entsprechende oder ihnen gar widersprechende Bestimmung des bürger lichen Rechts mufs zu einer empfindlichen Zucht ruthe für die im Wirthschaftsleben stehende Be völkerung werden. Man hat heute die Erfahrung vor sich, wie schwierig es ist, Aenderungen neu- codificirter Rechtsgesetze herbeizuführen. Gewifs sind das deutsche Strafgesetzbuch und das Ge richtsverfassungsgesetz mustergültige Werke, — aber auch sie haben ihre bereits schwer empfun denen Fehler, bisher aber ist nur in sehr ver einzelten Fällen eine Correctur derselben möglich geworden. Wollen die Interessenten des Wirthschafts- lebens sich ähnliche Erfahrungen mit dem Deut schen bürgerlichen Gesetzbuch nach Möglichkeit ersparen, so kann man ihnen nur den Rath geben, Jeder an seinem Theile es mit der Kritik des Entwurfs zu demselben recht ernst zu nehmen. Eine solche Kritik hat nichts gemein mit jener nergelnden Kritik, die man gewohnt ist, von gewissen Seiten an Gesetzentwürfen der Reichs und Staatsregierung geübt zu sehen. Hier liegt noch kein Gesetzentwurf der verbündeten Regie rungen vor, sondern nur das von einer juristi schen Fachcommission vorbereitete Material zu einem solchen, und dieses Material ist ja der Oeffentlichkeit ausdrücklich zu dem Zwecke und mit der Aufforderung übergeben worden, dafs jeder Berufene seine Meinung über dasselbe kund gebe, selbstverständlich unter Motivirung derselben. Wenn also der Kaiser in Leipzig die Hoff nung aussprach, »demnächst« aus diesem Material ein gemeinsames Deutsches bürgerliches Gesetz buch hervorgehen zu sehen, so dürfte kaum noch viel Zeit zu verlieren sein, falls die industriellen Interessenten auch ihre Meinungen in geeigneter und wirksamer Weise zur Geltung bringen wollen. Da wir aber nicht nur ein neues, sondern vor Allem ein gutes Deutsches bürgerliches Gesetz buch nöthig haben, d. h. ein solches, welches sich mit den Rechtsanschauungen im Volke selbst deckt und nicht nur den Anschauungen der praktisch oder theoretisch in der Rechts pflege arbeitenden Juristen entspricht, so liegt es im allseitigen Interesse, dafs sich auch die in dustriellen Kreise mit dem Inhalt des vorliegen den Entwurfs gründlich vertraut machen und nicht versäumen, ihre Anschauungen über den selben zur Geltung zu bringen. — en.