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784 Nr. 11. „STAHL ÜND EISEN? November 1888. „Im Hinblick auf die eingetretene und an scheinend noch nicht zum Abschlusse gelangte erhebliche Steigerung der Materialpreise, nament lich der Preise von Roheisen und Koks, erachtet die Generalversammlung eine entsprechende Er höhung der Gufswaarenpreise als eine natürliche und unabweisbare Folge. Bei der allgemein als günstig constatirten Lage des Absatzmarktes giebt die Generalversammlung den Vereinsgruppen ein entsprechendes Vorgehen anheim und beauftragt das Secretariat, in diesem Sinne mit den Gruppen vorständen demnächst in weitere Verhandlung zu treten.“ Hierauf hielt Hr. Bergrath Jüngst einen ein gehenden, allseitig mit lebhaftem Interesse und Beifall aufgenommenen Vortrag über die Ergebnisse der auf der Gleiwitzer Hütte unter seiner Leitung angestellten Versuche mit Ferrosilicium. Sowohl von den verwendeten Materialien als auch von den erzielten Producten hatte der Herr Vortragende eine reiche Auswahl in übersichtlicher Ordnung zur Schau gestellt. Derselbe führt aus: Im September 1886 verkündete das Flugblatt eines Schweizer Agenten, welcher Ferrosilicium ausbot: „Kein theures Giefserei- roheisen mehr nöthig.“ Damals war aber die Frage der Verwendung noch dunkel und der Verein be- schlofs deshalb die Ausführung von Versuchen. Schon 1855 schrieb Hr. Turner, Professor der Chemie in Birmingham, einen Aufsatz über den wohlthätigen Einflufs des Siliciums auf die Eigenschaften des Giefsereiroheisens. In 1879 bis 1883 beschäftigte sich Prof. Ledebur zu Freiberg mit Aufstellung der Grundsätze über den Einflufs des Siliciums. Vor zwei Jahren behauptete Turner in dem Aufsatze: „Constituirende Elemente des Giefsereiroheisens“, dafs Silicium einen nothwendigen Bestandiheil desselben bilde. Wood führte demnächst die Versuche im grofsen aus, aber England folgte nicht weiter, ebenso wenig Deutschland. Hier ging man seinen eigenen Weg; es sei an die Arbeiten von Wachler erinnert. In Frankreich wurde der Gegenstand weiter verfolgt. Im October 1886 hielt Civilingenieur Gautier aus Paris im British Iron and Steel Institute einen Vortrag (verdeutscht vom Oberbergrath Kuppel- wieser zu Leoben in der Österreich. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen. 1887. Nr. 23 bis 25), welcher von Prof. Dr. Wedding in Berlin in der Zeitschrift .»Stahl und Eisen« 1887 besprochen ist. Er stellt fest: 1. bei grauem Eisen ruft die Entfernung von Silicium weifses Roheisen hervor; 2. bei weifsem Eisen führt ein Zusatz von Silicium den gebundenen Kohlenstoff in Gra phit über und ruft graues Roheisen hervor. Man unterscheide also natürliches graues Roh eisen und künstliches graues Roheisen. Der Vortragende erläutert die besonderen Eigen schaften der vorgeführten verschiedenen Grundstoffe und wendet sich zur Erörterung der Frage einestheils in technischer und anderntheils in pecuniärer Be ziehung. Die Schmelzversuche sind zu Gleiwitz in einem Cupolofen (System Ibrügger), mit analysirtem Material, in verschiedener Weise ausgeführt und zwar: 1. Ferrosilicium mit 10 % Silicium: a) mit weifsem manganreichem Roheisen, b) „ „ manganarmen „ c) „ Brucheisen, d) „ Brandeisen (Roststäbe), e) „ Brucheisen, Brandeisen und engl. Roh ¬ eisen, f) „ grauem Giefsereiroheisen. 2. graues Giefsereiroheisen mit 4 % Silicium und mit den Zusätzen in der Reihe wie unter a, b, c, d, e vorbemerkt. Der Vortragende beschreibt den Schmelzprocefs und die Producte, — Maschinentheile bis 200 Ctr. schwer und Handelsgufs bis herab auf 2,8 mm Wand stärke, — und deren jedesmaliges einzelnes Proben auf Zug, Druck, Biegungsfestigkeit, Dichte, Härte und Schwindung. Die Rohmaterialien wurden im Labo ratorium zu Borsigwerk, die Producte im königl. chemisch - technischen Laboratorium zu Berlin analysirt und die mechanischen Versuche in der königl. mechanisch - technischen Versuchsanstalt zu Charlottenburg ausgeführt. Ueber jeden Schmelz versuch wurde ein Protokoll geführt, die Analysen sind übersichtlich in graphischen Bildern zusammen gestellt, auch der Einflufs gleichzeitiger Verwendung von Mangan und Silicium ermittelt. Im allgemeinen hat sich ein günstiger Einflufs des Siliciums ergeben, auch sind die besonders guten Gattirungen für die verschiedenen Verwendungszwecke erprobt worden. Da jedoch die Reihe der Schmelzversuche von 4 % siliciumhaltigem Giefsereiroheisen nocht nicht ab geschlossen sind, so behält Vortragender ausführliche Mittheilung hierüber vor, ebenso über die Analysen der Materialien und Producte, über die Berechnung der Abnahme und Zunahme der einzelnen Körper während des Schmelzens, über die Resultate beim Probiren der verschiedenen Zugstärken und endlich über die technischen und wirthschaftlichen Schlüsse. Weiter berichtet Hr. Bergrath Jüngst namens der Säulen-Gommission eingehend über den Stand der Verhandlungen, welche sich auf die Ver wendung gufseiserner Säulen zu Bauzwecken beziehen.* Das königliche Polizeipräsidium in Berlin hat bekanntlich unterm 4. April 1884 eine Verfügung erlassen, nach welcher in Gebäuden, deren untere Geschosse zu Geschäfts- und Lagerzwecken und deren obere Geschosse zu Wohnzwecken benutzt werden, gufseiserne Säulen, welche gegen die unmittelbare Einwirkung des Feuers nicht geschützt sind, unter den Tragwänden des Hauses keine Verwendung finden dürfen. An Stelle derselben sind indefs gestattet worden: a) Säulen aus Schmied eisen; b) Säulen aus Gufseisen, sobald dieselben mit einem, durch eine Luftschicht von der Säule isolirten, unentfernbaren Mantel von Schmiedeisen umgeben sind; c) Pfeiler aus Klinkern in Cementmörtel. Diese Verfügung sei erlassen worden, obwohl in einer ad hoc zusammenberufenen Gonferenz von Sachverstän digen eine Einigung nicht erzielt wurde, vielmehr sehr entgegengesetzte Ansichten zu Tage traten. Die Ver fügung sei, besonders wenn die Polizeibehörden anderer Städte dem Beispiele des Berliner Polizeipräsidiums folgten, angethan, das Interesse der Eisengiefsereien in hohem Mafse zu schädigen, ohne dafs die Noth wendigkeit des Verfügten nachgewiesen sei. Der Verein habe sich bereits in mehreren Generalver sammlungen mit der Angelegenheit beschäftigt. In der Generalversammlung vom 16. Juni 1884 wurde eine Commission niedergesetzt, bestehend aus den HH. Hüttendirector Frhr. v. Manteuffel-Gröditz, Hüttendirector R e i s e r-Achthai, Ober-Ingenieur Uge- Kaiserslautern und dem Referenten, mit dem Auftrage, das zur Bekämpfung der Verfügung erforderliche Material zu sammeln, auch, wenn erforderlich, auf Vereinskosten directe Versuche anzustellen. In der am 21. September 1886 zu Berlin abgehaltenen Generalversammlung gab Referent ein übersichtliches Bild der mit grofsem Fleifse und anerkennenswerthester Genauigkeit ausgeführten, höchst wichtigen und inter essanten Versuche des Professors Bauschinger. Jene Versuche hatten gezeigt, dafs sowohl gufs- als schmiedeiserne Stützen im Feuer durch die Erwärmung an Festigkeit verlieren und bei einseitiger Erwärmung sich verbiegen; letztere habe eine excentrische Wirkung * Vergl. »Stahl und Eisen« Seite 76, Nr. 2 d. J.