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658 Nr. 10. »STAHL UND EISEN.“ Oktober 1888. mit geräumiger- Wasserfläche zum Wenden der langen oberländischen Raddampfer, deren bisheriger Landungsplatz beim Gaswerk Grasbrook in den neuen Freihafenbezirk fällt, anzulegen. Oberhalb der erst beschriebenen Billhorner Brücke mündet der Zollkanal in die zollinländische Oberelbe ein. Für Seeschiffe aus deutschen Häfen, welche das Freigebiet der See unter Zollver- schlufs passirt haben, bietet sich nur vor dem St. Pauli-Ufer Gelegenheit, im Zollinlande zu vertäuen. Vielleicht wird die untere Strecke des Zollkanals beim Niederhafen auch noch für solche zollinländischen Seeschiffe zugänglich gemacht werden können. 2. Das Freihafengebiet. Zur Einrichtung des zollfreien Gebiets übergehend, führe ich Sie zunächst in das den Zollkanal südlich begrenzende städtische Freihafenspeicherrevier. Da der Waarentransport in Hamburg meist durch Schuten vermittelt wird, so wurde eine Zugänglichkeit der Speicher für Seeschiffe, welche breitere und tiefere Speicherkanäle und durchweg Drehbrücken erheischt haben würde und sich auf dem zu Gebote stehenden Terrain gar nicht hätte bewältigen lassen, nicht für zweckmäfsig erachtet, um so weniger, als nur selten ein Seeschiff Waaren für nur einen Empfänger bringt, die Waaren vielmehr entweder an Bord oder nach Entlöschung in den offenen Quaischuppen der See schiffshäfen sortirt werden und dann erst den einzelnen Bestimmungsorten zugehen. Nachdem der ganze Stadttheil vom Niederhafen bis zum Brookthor durch einen neuen, 25 m breiten Schutenkanal in zwei Theile getheilt worden ist, hat jede Speicherreihe eine Strafsenfront und eine Wasserfront erhalten können und die Strafsen sind so geführt, dafs im Bedürfnifsfalle vom Rangirbahnhof am Brookthorquai Ladegeleise in das Strafsen- pflaster eingelegt werden können. Eine kurze Versuchsstrecke mit dem System der Phönixschiene und entsprechenden Weichen im Strafsenpflaster finden Sie vor dem westlichen Speicher am Sandthorquai. Die Speichertiefe wechselt zwischen 33 m und 16 m. Grofse Längen derselben haben 28 m Tiefe. Dafs nun, nachdem wir den alten Stadttheil weggebrochen und die Quaimauern auf Pfahlwerk bis auf Kellerfufsbodenhöhe gezogen hatten, innerhalb der kurzen Zeit, und noch vor dem Zollanschlusse, schon die gesammte Grundfläche von rund 37000 qm mit Speichern bebaut sein würde, hat wohl Niemand vorher erwarten können. Der Hamburgische Staat läfst nur Pachtverhältnisse über den in seinem Eigenthum verbleibenden Grund und Boden zu. Einige Speicher, in denen zugleich Zollabfertigungs stellen, Postamt und eine Maschinenstation für den hydraulischen und elektrischen Betrieb untergebracht werden mufsten, hat der Staat selbst erbaut. Aber noch bevor die Ver pachtung des Grund und Bodens an Private eine gröfsere Ausdehnung gewann, bildete sich eine Actiengesellschaft, die Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft, welche mehr als 30000 qm gepachtet und unter Aufsicht des Staates bebaut hat. Diese vermiethet die Speicherböden und zubehörigen Comptoire an die Kaufleute, und obgleich noch nicht sämmtliche Speicherblöcke vollendet sind, so sind, doch, wenn ich recht unterrichtet bin, bereits sämmtliche Räumlichkeiten in fester Miethe vergeben, so dafs es sich bald darum handeln wird, eine im Osten der Anlage bei St. Annen liegende Reservefläche von rund 6000 qm Speichergrund in die Bebauung einzubeziehen. Die Verwaltung der Gesellschaft befindet sich im ersten Gebäude westlich vom Brookthor am Sandthorquai Nr. 1. Da die gesammten Speicherausführungen unter meine Aufsicht gestellt sind, so sind die Principien unserer Ingenieurbauten durchgängig berücksichtigt worden. Die Speicher stehen auf Pfahlrammung, die Keller sind, soweit sie unter dem höchsten Wasserstand der Elbe liegen, wasserdicht abgeschlossen. Die Parterrefufsböden liegen durchgängig auf Eisenbahn-Perronhöhe über der Strafse. Die Mauern sind in einfacher Backstein-Architektur hochgeführt, mit nicht allzu flachen Schiefer- oder Ziegeldächern. Da bei dem theuren Baugrunde oft 6 Lagerböden mit darunter befindlichem Comptoirparterre angeordnet werden mufsten und eine Belastung von 1800 kg per Quadratmeter Bodenfläche den Berechnungen zu Grunde gelegt ist, so habe ich durchgängig Schmiedeisen als Stützconstruction vor geschrieben. Die Kämpfe, welche neuerdings über die Vorzüge von Schmiedeisen und Gufseisen geführt sind, haben meine Ansicht nur befestigt, dafs das Schweifseisen bei seiner Zähigkeit, Controlirbarkeit der Construction und seinem gleichmäfsigen Widerstande gegen Zug und Druck für diesen Zweck den Vorzug verdient. Die zusammengesetzten Unterzüge der Balkenlagen und meistens auch die Balken selbst sind ebenfalls aus Schweifseisen. Bei manchen Blöcken sind die Fufsbodendielen anstatt auf Lagerhölzer auf Gochtsche Flufseisenträger genagelt, in einem Falle ist auch das System Monier angewendet. Als