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15. November 1896. Ueber eiserne Flaschen zur Aufbewahrung von Gasen u. s. w. Stahl und Eisen. 903 wohl nur gegeben, wenn der Probedruck über trieben hoch genommen wird (7 u. 8). Nach den klassischen Untersuchungen Bau- schingers über die Veränderlichkeit der Pro- portionalitäts- und Streckgrenzen* wird bei Ueber- schreitung der S-Grenze im geglühten Eisen die Proportionalitätsgrenze (P-Grenze) zunächst bis auf Null sinken, während die S-Grenze sich sofort erhöht. In der darauf folgenden Ruhe im spannungs losen Zustande hebt sich dann im Laufe der Zeit die P-Grenze beträchtlich über ihre ursprüngliche Höhe, und auch die S-Grenze wächst. Die auf diese Weise gehobene P-Grenze und S-Grenze können durch heftige Erschütterungen wieder er niedrigt werden. Dabei kann die P-Grenze bis auf ihren ursprünglichen Werth zurückgehen, wenn mit der Erschütterung eine Formveränderung ver bunden war; die S-Grenze sinkt aber nur wenig, sie bleibt dauernd höher als die ursprüngliche S-Grenze. Erwärmungen über 400 0 C. hinaus erniedrigen die durch voraufgehende Anspannung gehobenen P- und S-Grenzen; die Art der Ab kühlung spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Man sieht hieraus, dafs gesundes Flaschen material hinsichtlich der Tragfähigkeit durch die voraufgehende mäfsige Wasserdruckprobe kaum eine Einbufse erleiden kann. Rauschinger hat aber auch ferner nach gewiesen, dafs durch eine sehr oft wiederholte Re- i anspruchung (Anspannung) zwischen der Spannung | Null und einer oberen Grenze, die wohl die ur sprüngliche S-Grenze des geglühten Materials, aber nicht eine gewisse obere Grenze überschreitet, seine P-Grenze bis zu einem gewissen Grenzwerth gehoben werden kann, der unter Umständen so gar höher sein kann als die angewendete obere Grenze der Anspannung. Liegt dieser Grenzwerth höher als die oft wiederholte Anspannung, so können selbst millionenmal wiederholte Anspan nungen keinen Bruch herbeiführen, während er nach einer beschränkten Zahl von Anspannungen eintritt, wenn deren obere Grenze jenen erreich baren Grenzwerth von Op überschreitet. Man sieht ein, dafs dieser Fall bei fehlerhaftem Material selbst durch die bei gewöhnlicher Füllung erzeugten Spannungen örtlich herbeigeführt werden kann. Die schliefsliche Zerstörung wird aber aufserdem in diesen Fällen verhältnifsmäfsig schnell eintreten müssen, weil die Fehlstellen meistens nur geringe Ausdehnung haben und hierdurch die Arbeitsfähigkeit des Materials in der schwachen Stelle stark beeinflufst ist (wegen der geringen Materialmasse in der Fehlstelle und wegen der daselbst auftretenden, die Formänderung eben falls hindernden plötzlichen Querschnittsübergänge - Wirkung der Spannköpfe —). * „Mittheilungen aus dem mechanisch-technischen Laboratorium zu München.“ lieft 13. Die Bauschingersehen Versuche beziehen sich aber auf Zug- (und Druck-) Probestäbe, und daher dürfte es wohl von Werth sein, die Wirkung von oft wiederholten Druck- und Glühproben mit ganzen Flaschen von verschiedenem Material und verschiedener Erzeugungsart durch den Versuch festzustellen. Jedenfalls läfst sich auf diese Weise die Frage wegen des zulässigen Probedruckes und wegen der Zulässigkeit der öfteren Wiederholung des Ausglühens schneller und sicherer entscheiden, als durch die Erfahrung im Betriebe, oder durch den Austausch blofser Meinungsäufserungen. Ein Gewinn würde es ja immer sein, wenn die Sicher heit erhöht oder der Nachweis geführt werden könnte, dafs bei sorgfältiger Materialcontrole während des Betriebes die zulässige Spannung erhöht werden kann. Man behauptet auf der einen Seite, dafs die Flaschen ausgeglüht würden,* und findet auf der anderen Seite durch Prüfung von explodirten Flaschen in der Regel, dafs das Verhältnifs Gs/Og erhöht ist und dafs beim Ausglühen des Materials Gs und Gg sinken, während 5 erheblich wächst. Hieraus pflegt dann der Schlufs gezogen zu werden, dafs das Material nicht ausgeglüht sei. Ist das immer richtig? In der Flasche wird das Material am meisten in der Umfangsrichtung beansprucht; es würde also werthvoll sein, wenn die Fabrication so zu leiten wäre, dafs die Streckgrenze in dieser Richtung möglichst hoch liegt und die ursprüng liche Dehnbarkeit möglichst erhalten bleibt. Man wird also ein Material, welches an Querstreifen bei hochliegendem Gs ein möglichst grofses 8 zeigt, für werthvoll halten. Aber man kann Streifen in Querrichtung nur probiren, wenn sie vorher gerichtet werden. Das Richten hat aber die von Bauschinger beschriebenen Wirkungen auf die P- und S-Grenze und vermindert, wie man weifs, die Dehnbarkeit. Planmäfsige Versuche über den Grad dieser Veränderungen sind in der Versuchsanstalt zu Charlottenburg im Gange, über die Prof. Rudeloff in Kurzem berichten wird. Die Explosion wird fast immer mit einer er heblichen Materialanstrengung verbunden sein, die auch im Sinne der Bauschingerschen Dar legungen wirken wird. Dazu kommt die sehr wahr scheinlich nach dem letzten Glühen vorgenommene Wasserdruckprobe, die vorher schon in ähnlichem Sinne gewirkt haben dürfte. Alle diese Umstände wirken im Sinne der mechanischen Bearbeitung auf Erhöhung von Gs/Gg und Verminderung vom 8. Man darf also, meiner Ueberzeugung nach, nicht immer positiv aus den Versuchsergebnissen folgern, dafs die Flaschen nicht ausgeglüht seien; man kann nur sagen, dafs nach dem letzten Glühen noch Anstrengungen vorgekommen sind, die das * (II, S. 12.) The steel cylinders at present in use are all annealed by the cylinder manufacturers.