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858 Stahl und Eisen. Alte Geschichten. 1. November 1896. vor sechszig (nunmehr achtzig) Jahren im Jahr gang 1888, Seite 141 ; über den Puddelbetrieb vor längeren Jahren in diesem Jahrgang, Seite 477, und noch bei anderen Gelegenheiten. Aus einer systematisch geordneten Zusammen stellung alter Geschichten — sowohl solcher, welche sich auf welterschütternde Begebenheiten beziehen, als solcher, welche werthvolle Klein gemälde bilden — aber besteht Becks grofses, hier schon vielfach erwähntes Buch: „Die Geschichte des Eisens“, über dessen neueste Lieferungen dem nächst besonders Bericht erstattet werden soll. Auch zwei kleinere, kürzlich erschienene Schriften enthalten alte Geschichten aus dem Gebiete des Eisen hüttenwesens. Die eine, Beiträge zur älteren Geschichte des Eisenhüttenwesens im Saargebiet betitelt, von A. Hafslacher, Ge heimen Bergrath in Bonn, verfafst und bei Wilh. Ernst & Sohn in Berlin als Sonderabdruck aus der „Preufsischen Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen“, Band 44, erschienen, bringt, auf alte Urkunden sich stützend, eine Reihe von Mittheilungen über die Entstehung und den früheren Betrieb verschiedener Saarwerke: der Eisenhütten zu Geislautern, Neunkirchen, Dillingen, Fischbach, Sulzbach, der Haiberger Hütte, des St. Ingberter Eisenwerks und anderer mehr. Das Vorkommen thoniger Sphärosiderite und rother Thoneisensteine innerhalb des Saarbrücker Steinkohlengebirges gab die erste Veranlassung zur Entwicklung des Eisen hüttenbetriebs an der Saar, welcher jetzt, wie bekannt, seinen Erzbedarf zum allergröfsten Theil aus Lothringen und Luxemburg bezieht. Römische Münzen wurden mehrfach in alten Schlackenhalden gefunden, ein Beweis, dafs schon zur Zeit der Römerherrschaft hier Eisenhütten betrieben worden sind. Eine alte Schmelzstätte, welche Gezähe aller Art, halbgeschmolzene Erze und fertige Luppen enthielt, wurde bei dem Orte Friedrichsthal im Anfänge dieses Jahrhunderts unter dem Waldboden aufgegraben. Im Jahre 1514 wurden in dem Eisenwerke zu Wiebelskirchen eiserne Töpfe, Oefen, Geschütze und Geschützkugeln gegossen; der Ueber- gang von der unmittelbaren Erzeugung schmied baren Eisens aus Erzen zum Hochofenbetrieb hatte also in jener Zeit sich bereits vollzogen. Schwere Schädigungen brachte der Dreifsig- jährige Krieg auch den Eisenwerken an der Saar. Das Neunkirchener Werk wurde 1635 durch lothringisch - spanische Truppen völlig zerstört. Nach Beendigung des Krieges war dann der Landes herr, Graf Johann Ludwig zu Nassau-Saarbrücken, eifrig bemüht, das kalt liegende Werk wieder in Betrieb zu setzen. 1652 wird ein herrschaftlicher Beamter beauftragt, dem gewesenen Hüttenmeister Oldry in Metz zu vermelden, „dafs wir solch hüttenwerck länger nicht öde liegen, noch gar ver fallen lassen kunnten, sondern selbiges gern wieder angerichtet vnd in gang gebracht sehen mochten. Weilen fast kein eysen mehr diesser gegend zu | bekommen, vnd grofser mangel vnd nachfrag darnach, indem hin vnd wieder zubawen vnd zu- repariren angefangt wird, haben sich auch bereyt vnderschiedliche derentwegen mit vnfs zuhandeln angemeldet“. Aber grofse Schwierigkeiten stehen der Wiederaufnahme des Betriebes nach der langen Unterbrechung entgegen. Im Jahre 1653 wird das Werk an zwei „der Religion wegen aufs- gewichene leutlein", d. h. gewesene Salm-Reiffer- scheidtsche Unterthanen, Peter Zürmundt und Hein rich Beuchen, in 14jährigen „Accord“ gegeben, aber schon fünf Jahre später bitten diese, sie von ihrem Vertrage wieder entbinden zu wollen; sie hätten zwar mit schweren Kosten „den Wasserbau zum Hammer und Leuteroffen verfertigt“, alles laufende Zeug instand gesetzt, die Bälge neu hergestellt, zumal „den Schmeltzoffen kostbahrlich erbawen vnd etzlich mahl endern lassen“, aber zu allen Arbeiten „leute aufs der frembd mit schweren vnkosten abholen vnd selbige mit doppelen taglöhnen haben vnderhalten müssen“, so dafs ihre Mittel erschöpft seien. Solche Schriftstücke führen uns den Jammer der damaligen Zeit deut licher vor Augen, als lange Schilderungen. Hinsichtlich der sonstigen Mittheilungen über die Geschichte der Saarwerke mufs auf die ge nannte Schrift selbst verwiesen werden; kurze Erwähnung mögen hier nur noch die Versuche finden, welche in den sechsziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf Veranlassung des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken bei der Sulz bacher Schmelze angestellt wurden, Roheisen mit Steinkohlen oder Koks zu erblasen. Nach einigen mifsglückten Vorversuchen, erbot sich der fürst liche Gommerzienrath Georg Philipp Heufs, die Schmelze mit Steinkohlen zu betreiben und die erforderlichen Einrichtungen zu treffen; „ dieses kann ein Werk abgeben, so in keinem Lande noch erfunden worden ist“. Der Fürst liefs zunächst eine Veranschlagung der Selbstkosten des zu er zeugenden Roheisens aufstellen, welche günstig ausfiel. * Man begann demnach mit dem Bau der Oefen „zum Präpariren der Steinkohlen“ (Ver kokungsöfen), welche vom 10. Juli 1765 an in regelmäfsigen Betrieb gelangten, und gegen Ende desselben Jahres wurde das erste Probeschmelzen im Hochofen ausgeführt. Anfänglich mufste der Betrieb wegen unvorhergesehener Schwierigkeiten mehrmals unterbrochen werden; im Laufe des Jahres 1766 gestaltete er sich günstiger, und um die Mitte des Jahres 1767 war der Gang des Hochofens durchaus befriedigend. Man hatte bis dahin 538 Gentner Masseleisen, 152 Centner Brucheisen und 330 Gentner Brucheisen mit Koks erblasen, und der Fürst schrieb eigenhändig unterm 4. Juni 1767 an die Rentkammer: „Das werck gehet würklich gut.“ Allerdings sollen die ver- * In Hafslachers Schrift ist die Selbstkosten veranschlagung vollständig mitgetheilt.