Volltext Seite (XML)
Ein „neuer“ Stahlbereitungsprocefs. In englischen Fachblättern lesen wir ausführliche Berichte über die Vorführung eines angeblich neuen Stahl- bereitungsprocesses, welche durch Sir ThomasTan- cred und den Erfinder des Verfahrens B. P. Stock- in a n vor kurzem in London in Scene gesetzt worden ist. Der Procefs besteht darin, dafs Roheisen im Cupolofen geschmolzen und alsdann in ein mit feuer festem Material ausgekleidetes Gefäfs abgestochen wird, in welchem es mit einer Mischung aus Salpeter, Kochsalz, magnetischem Eisensand und Mangansuperoxyd in Be rührung gebracht wird. Durch die hierbei auftretende lebhafte Reaction wird das Eisenbad heftig durchgerührt. Die sich abscheidende Schlacke wird abgezogen und das Eisen alsdann in einem Martinofen weiter verarbeitet. Man soll imstande sein, mittels dieses Verfahrens nach Wunsch entweder gewöhnliches Schweifseisen, weiches Flufseisen oder harten Werkzeugstahl her stellen zu können. — Wie uns scheint, ist das hier beschriebene Ver fahren nichts weiter als eine neue Auflage des bereits vor 30 Jahren bekannten Heatons-Processes, nur unter Hinzufügung des Herdschmelzens im basisch zugestellten Ofen zum Zwecke der Erzeugung eines brauchbaren Flufseisens. Heaton glaubte durch das Frischen des Roheisens vermittelst sauerstoffreicher Salze, wie Salpeter, genügend Wärme zu erzeugen, um ein flüssiges Metall zu erhalten, wie beim Bes semern, was indessen nicht gelang, und auch heute nicht erzielt wird. Das gefrischte Metall ist nicht flüssig, sondern breiartig und schon hieraus ergiebt sich die Unzulänglichkeit des Verfahrens. Es ist ferner durch andere Betriebe bewiesen, dafs alle combinirten Processe theuerer sind, als die einfachen, und es ist daher nicht zu ersehen, weshalb das Stock mansche Verfahren besondere Vortheile vor dem Bessemern oder dem Herdschmelzen in einfacher Ausführung bieten sollte. Vierteljahrs-Marktberichte. (Juli, August, September 1896.) I. Rheinland-Westfalen. Die allgemeine Lage, welche wir in unserem vorigen Bericht als günstig bezeichnet haben, ist nicht nur dieselbe geblieben, sondern hat an Festig keit noch gewonnen. Die Beschäftigung in fast allen Grofsgewerbezweigen hat weitere Fortschritte gemacht, und auch die Preisaufbesserung hat sich nach und nach, allerdings nicht überall in gleichem Mafse, über sämmtliche Zweige erstreckt, wobei, wie vom Be ginne des Umschwungs an, den Rohstoffen und Halb erzeugnissen die leitende Rolle zufiel. Es dürfte heute keinem Zweifel mehr unterliegen, dafs diese lebhafte Gewerbthätigkeit das Ergebnifs einer ruhigen, stetigen Entwicklung und gesunder Verhältnisse ist. Nachfrage und Angebot haben sich mehr genähert, ja in einzelnen Grofsgewerben übersteigt erstere die letztere. Dies ist heute besonders der Fall in der Kohlenindustrie, wo die Anforderungen kaum zu befriedigen sind. Falls keine politischen Ereignisse die gute Geschäftslage unterbrechen, ist eine Fortdauer derselben für die nächste Zukunft mit Sicherheit anzunehmen. Das Kohlen- und Koksgeschäft lag auch im III. Vierteljahr erfreulicherweise aufserordentlich gün stig, und die Nachfrage war eine fortwährend steigende, wie die Wagengestellungszahlen zeigen, welche eine Höhe erreichten, wie früher kaum in den flottesten Zeiten des Wintergeschäfts. Während aber die Leb haftigkeit im Sommer hauptsächlich in dem starken Begehr der Industriekohlen zum Ausdruck kam, er streckt sie sich heute auch auf die aufbereiteten Sorten, die sogenannten Hausbrandkohlen, welche bei der herannahenden kälteren Jahreszeit so stark ge fragt werden, dafs auch in diesen Sorten volle Be schäftigung vorhanden ist. Das unwirthschaftliche Mahlen der gewaschenen Nufskohlen kann daher nicht mehr in dem bisherigen Umfange geschehen, obwohl Kokskohle noch immer über die Herstellungsmenge hinaus gesucht ist. Ebenso hat die rege Nachfrage nach Koks an gehalten, so dafs sämmtliche Kokereien mit voller Kraft arbeiten; trotzdem sind die Ansprüche der Ver braucher nicht ganz zu befriedigen, und es mufsten sogar Mengen für diesjährige Lieferung abgelehnt werden. Der Erz markt hat seinen günstigen Stand be- hauptet,_und es war besonders in Spatheisenstein die Nachfrage eine so lebhafte, dafs in dieser Sorte die Förderung bis September nächsten Jahres verkauft ist. Infolge der starken Nachfrage konnten die Preise bedeutend erhöht werden. Auch in Rotheisenstein war die Nachfrage eine sehr lebhafte. Die günstige Lage des Roheisenmarktes ist im Berichtsquartale anhaltend gewesen. Bei starkem Versand blieb die Nachfrage lebhaft, insbesondere auch in Hämatit und Giefsereiroheisen für nächst jährige Lieferung. Ein erfreuliches Ereignifs vollzog sich in der endlichen Constituirung des Rheinisch- westfälischen Roheisenverbandes (Syndicats). Auf dem Stabeisenmarkte war der Verkehr in allen Sorten Baueisen ungemein lebhaft und steigerte sich noch von Monat zu Monat, so dafs die Walz werke ihre Lieferfristen wohl oder übel immer länger erstrecken mufsten. Auch in dem übrigen Stabeisen, und zwar sowohl in Flufs- wie in Schweifseisen, so wie unter zunehmender Betheiligung des Auslandes herrschte lebhafter Begehr. Die mit Rücksicht auf die erhöhten Selbstkosten durchaus mafsvoll aufge- besserten Preise wurden glatt bewilligt, und der Drang nach Abschlüssen auf längere Zeit befand sich am Ende des Quartals in steter Zunahme. Im Draht gewerbe hat sich der Umschwung der Marktlage am wenigsten gleichmäfsig vollzogen. Be schäftigung und Preisstand waren seit Monaten und sind heute noch in den verschiedenen Betriebszweigen auf fallend ungleich. Während in gezogenem Draht sich eine bemerkenswerthe Lebhaftigkeit eingestellt hat, leidet z. B. der Drahtstiftenmarkt heute noch unter den Nachwirkungen einer von Amerika aus In Scene gesetzten, allerdings vorübergehenden, Abstofsung von Uebererzeugung, die namentlich auf den Auslandmarkt lähmend gewirkt hat. In Grobblechen haben die Werke während der Berichtsmonate so viele Aufträge erhalten, dafs eine gute Beschäftigung auf längere Zeit vorhanden ist, und dasselbe gilt vom Feinblech markte. In Eisenbahnmaterial waren die Werke sehr gut beschäftigt. Alle Eisengiefsereien und Maschinen fabriken hatten reichliche Beschäftigung, und die vorhandenen Aufträge halten noch für längere Zeit vor. Die Nachfrage für Maschinen und Gufswaaren ist lebhaft geblieben und dauert noch fort.