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bestritt aber, dafs bei dem jetzigen Zustande des Handwerks, wo die Specialisirung mehr und mehr um sich greife, die Ausbildung in der Werkstätte des Handwerkers genügend und ausreichend sei. Auch die Zahl der Werkstätten, die Lehrlinge ausbilden, sei eine geringe. Von den Befugnissen, die zwecks Hebung des Lehrlingswesens den Innungen, Handwerksausschüssen, Handwerks kammern ertheilt werden sollen, erwartet Referent wenig praktischen Erfolg, aber viele Streitigkeiten der geplanten Organisationen untereinander. Das gewerbliche Unterrichtswesen sollte vom Staat, von den Gemeinden unter Betheiligung des Hand werks in die Hand genommen und vom Staat für die Ausbildung in Unterrichtsanstalten mehr als bisher aufgewandt werden. Einen weiteren mit dem Lehrlingswesen im Zusammenhang stehenden Eingriff in den Interessenkreis der fabrikmäfsigen Betriebe bedeute auch § 97d, wonach den Innungen, Handwerksausschüssen und Handwerkskammern die Befugnifs ertheilt wird, durch Beauftragte die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften zu überwachen, und zwar unbeschadet der schon jetzt der Polizei, den Gewerbeaufsichts beamten , den Vertrauensmännern der Berufs genossenschaften zustehenden Aufsichtsrechte. Der Gegensatz besonders der zünftlerischen Hand werker zu der Grofsindustrie werde sich hierbei Dem Vortrage folgte lebhafter, anhaltender Beifall. In der nachfolgenden Erörterung wies Geheimer Finanzrath Jeneke- Essen auf die Be rechtigung des Centralverbandes deutscher In dustrieller hin, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Dieser Entwurf bilde einen Eingriff in die Gewerbefreiheit, den abzuwehren Pflicht des Centralverbandes sei, aufserdem erscheine der Entwurf durchaus ungeeignet, auf die Entwicklung des Handwerks heilsam einzuwirken, was Redner des nähern nachweist. Im übrigen werde die Annahme des Entwurfs nur den Anfang einer wüsten Agitation für die Einführung des Befähi gungsnachweises u. s. w. bilden, einer Agitation, welche die Wiederbelebung eines Jahrhunderte hinter uns liegenden Zunftzwanges anstreben werde. Hier gelte es, nach dem Grundsätze zu handeln: principiis obsta! Redner beleuchtet sodann des nähern die Frage der Gesellenaus- । schüsse im Hinblick auf die Arbeiterausschüsse, mit denen man auch einen Keil zwischen Arbeit geber und Arbeitnehmer getrieben habe. Diese Versuche gingen immer von der falschen Voraus setzung aus, dafs nothwendigerweise ein feind liches Verhältnifs zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeiter bestehe. Gerade durch diese Ver suche aber werde vielfach das bestehende gute Verhältnifs erst in ein feindliches verwandelt und sicher in mannigfachen Chicanen äufsern. Die Fabrikindustrie habe alle Ursache, gegen diese Art der Ueberwachung energisch zu protestiren. Redner wendet sich alsdann gegen die geplante Einsetzung von Gesellenausschüssen, die den socialdemokratischen Elementen und ihrer Agitation den Eintritt in die Organisation des Handwerks eröffnet. Im allgemeinen sei die beabsichtigte Organisation dos Handwerks als Rückkehr von der Gewerbefreiheit zum Zunftwesen, welche den Befähigungsnachweis und die zwangsweise Ab grenzung der Gewerbe gegeneinander zur Folge haben werde, zu kennzeichnen. Die Regierung versichere zwar, dafs sie den Befähigungsnachweis nicht zugestehen werde, angesichts des Vorschlages aber, die Zwangsinnungen, die Meisterprüfungen wieder einzuführen, finde diese Versicherung nicht einmal in zünftlerischen Kreisen Glauben, Den Zweck, das Handwerk zu heben, werde die Re gierung mit dem Entwurf, falls er Gesetz werde, nicht erreichen, wohl aber würden Belästigungen und Conflicte zahlloser Art herbeigeführt werden. Schliefslich sei gegen den Entwurf auch um deswillen Front zu machen, weil er einen weiteren Schritt auf der Bahn bedeuten würde, die Erwerbs gruppen zwangsweise zu organisiren. Der Central verband stehe auf dem Boden der freien Ver einigung der Kräfte zur Wahrung der Berufs- und Standesinteressen und könne nicht ein Gesetz gutheifsen, das eine den industriellen Interessen nahe verwandte Erwerbsgruppe in die Fesseln eines starren Zwangs schlagen wolle. lediglich die Organisation der Socialdemokratie gefördert. (Lebhafte Zustimmung!) Redner be leuchtet endlich die unzutreffenden Bestimmungen des Entwurfs bezüglich der Gleichstellung von Lehrlingen und einer ganzen Reihe jugendlicher Arbeiter in den industriellen Werken und fafst sein Urtheil über den Entwurf dahin zusammen, dafs derselbe vom gesetzgeberischen Standpunkte aus als eine wenig gelungene Arbeit anzusehen sei. (Lebhafter Beifall!) Darauf wurden die nachstehenden Beschlufs- anträge einstimmig angenommen: „1. Der Central- | verband deutscher Industrieller erachtet den Zu- sammenschlufs von Berufsgenossen zur Wahrung I ihrer berechtigten Interessen als nützlich und wünschenswerth für die Betheiligten und auch | als dienlich zur Förderung des wirthschaftlichen I Gesammtwohles; er hegt jedoch die Ueberzeugung, dafs von solchen Vereinigungen die förderliche I und gedeihliche Wirksamkeit im Interesse der | Einzelnen, wie der Gesammtheit nur erwartet werden kann, wenn sie auf der Freiwilligkeit des Anschlusses und demgemäfs auf der selbstthätigen Mitwirkung der einzelnen Genossen beruhen. 2. Der Centralverband hält demgemäfs die In nungen als Vereinigungsorgane für diejenigen, die ein Gewerbe handwerksmäfsig betreiben, für zweckmäfsig und nützlich, jedoch nur soweit auch sie auf voller Freiwilligkeit beruhen und nicht berechtigt werden, einen zwingenden Einflufs irgend welcher Art auf die aufserhalb des Innungs verbandes verbleibenden Gewerbetreibenden aus-