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820 Stahl und Eiseft. Mittagsmahl. la. October 1896. Dann brachte Director Kollmann-Bismarckhütte in bekannter hinreifsender Beredsamkeit den Trinkspruch auf das Ehrenmitglied des Vereins, Fürst Bismarck, wie folgt aus: „ Verehrte Festgenossen! Es drängt mich, an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dafs die diesjährige Hauptversammlung des ,Vereins deutscher Eisenhüttenleute“ zusammenfällt mit der Wiederkehr eines wichtigen nationalen Gedenktages; heute vor 30 Jahren am 20. September 1866, trat das Gesetz in Kraft, auf Grund dessen das bis dahin bestandene Königreich Hannover, das Kurfürstenthum Hessen, das Grofsherzogthum Nassau und die Freie Stadt Frankfurt a. Main dem Preufsischen Staate einverleibt wurden. Was in glorreichen Siegen durch das Schwert erkämpft worden, wurde durch die unvergleichliche Staatskunst des damaligen Grafen Otto von Bismarck gegen die versuchte Einsprache fremdländischer Mächte gesichert! Was Preufsen errungen, war für Deutschland erworben! Zwar versuchten im preufsischen Abgeordnetenhause einige Volksvertreter gegen diese gewaltigen Errungenschaften noch nachträglich Bemängelungen und Proteste vorzubringen, weil die stattgehabten weltgeschichtlichen Ereignisse sich nicht nach den sophistischen Plänen dieser Kirchthurms-Politiker aus Wölkenkuckucksheim vollzogen hatten. Diesen Kannegiefsern erging es wie vormals den Scholastikern in den Naturwissenschaften, deren unseligen Lehren durch Franz Bacon und Galilei vor etwa 300 Jahren ein Ende bereitet wurde. Jene Scholastiker, welche u. A. darüber sich ereiferten, wieviel Engel auf einer Nadelspitze Platz hätten u. s. w., wurden zum Gespötte der Welt durch die verdienstvollen Arbeiten eines Bacon und Galilei, welche den inductiven Weg in den Naturwissenschaften beschritten und durch die Erforschung der Erscheinungen in der Natur den Grund gelegt haben zu der gewaltigen Entwicklung dieser Wissenschaften, ohne welche der culturelle Fortschritt seit jener Zeit nicht in dem stattgehabten Mafse möglich gewesen wäre. In ähnlicher Weise brach der gröfste und beste deutsche Staatsmann, entgegen den Voruriheilen der Mehrheit seiner Mitbürger, und gegen die Bestrebungen der auswärtigen Mächte, mit den bisherigen Gepflogenheiten einer verlogenen und damit unwürdigen Staatskunst; der vom Schicksal dazu berufene Baumeister des neuen Deutschen Reiches führte unter seinem unsterblichen Bauherrn, dem grofsen Kaiser, in unvergleichlicher Weise die hohe Aufgabe durch, die er seit frühester Zeil sich gestellt: „Die Wiedererrichtung des verloren gegangenen Vaterlandes zu vorher nie geahnter Macht und Herrlichkeit“! Und als am 18. Januar 1871 die Kaiser-Proclamation in Versailles gerade an der Stelle erfolgte, wo fränkische Ruhmesgier sich ein Denkmal gesetzt hatte, da ward das Sehnen und Dichten der besten und edelsten deutschen Patrioten, der Traum unserer Väter, erfüllt! Aber der Mann, dem wir heute wie alljährlich an unseren Hauptversammlungen unsere Huldigungen darbringen, begnügte sich nicht mit diesen Erfolgen in der äufseren Politik; halte er doch als Mann des praktischen Lebens schon früh erkannt, dafs die politische Machtstellung eines Volkes auf die Dauer, vor allem auch auf seiner wirthschaftlichen Entwicklung beruhe. Schon im Jahre 1867 wurde das Zollparlament einberufen, als die erste politische Vertretung des deutschen Volkes seit jener denkwürdigen Versammlung in der Frankfurter Pauls-Kirche aus dem Jahre 1848; dies Zollparlament überbrückte die im Jahre 1866 geschaffene Main-Linie, und dies Zollparlament war auch der Vorläufer des Deutschen Reichstages; aus der wirthschaftlichen Gemeinschaft der deutschen Stämme erwuchs im Jahre 1871 auf Grund der gewaltigen Thaten unseres herrlichen Kriegsheeres auch die langersehnte politische Einheit unseres Volkes! Jene Zeit brachte einen grofsen wirthschaftlichen Aufschwung mit sich, in dessen traurig endendem Abschlufs Fürst Bismarck erkannte, dafs er Front zu machen habe gegen die Sophisten und unpraktischen Philosophen der deutschen Volkswirthschaft, ähnlich wie er seit 1862 hatte Stellung nehmen müssen gegen die Theoretiker in der auswärtigen Politik. Und auch hier traf das Genie unseres Helden wiederum das Richtige! Das nationale System der politischen Oekonomie, wie es der grofse deutsche Volkswirth Friedrich List schon 20 Jahre vor Constituirung des Zollvereins proclamirt hatte, wurde vom Fürsten Bismarck aufgegriffen, welcher verstanden hatte, dafs seit der Verkündigung des „laisser aller“ seitens des Engländers Adam Smith die Dampfmaschine, das Dampfschiff, die Locomotive und der Telegraph Raum und Zeit in ihren bisherigen Begriffen vollständig umgestaltet haben, und auch, dafs die Verwirklichung des Nationalitäts-Princips in der politischen Entwicklung der Völker für ihren wirthschaftlichen Fortschritt andere Bedingungen erfordere, als die kosmopolitische Stubengelehr samkeit von Adam Smith sie darbietet, welcher die gewaltige Arbeit des Dampfes und die Leistung der Elektricität in der Volkswirthschaft noch nicht gekannt hatte. Fürst Bismarck halte auch in diesem Kampfe gegen die das Wort führenden wirthschaftlichen Theoretiker mit allerlei Vorurtheilen zu kämpfen. Ich erinnere an die gewaltige Agitation, welche erforderlich war, um den Schutz der nationalen Arbeit für Deutschland durchzuführen, und dafs dies erst möglich wurde, als auf den Rath Bismarcks alle productiven Kräfte des Landes, namentlich aber Landwirthschaft und Industrie, sich verbanden und dadurch die Gemeinsamkeit und die Harmonie ihrer Interessen verkündigten, wie dies schon früher Friedrich List in unübertrefflicher Weise