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gleitenden Gendarmen au« dem Zuge entsprungen. BI« jetzt konnte er noch nicht wieder ergriffen werden; der Flüchtling mutz sich aber erheblich verletzt haben, da über «ine lange Strecke hin eine Blutspur verfolgt werden konnke. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er sich in ärzt liche Behandlung begeben hat. Der Gendarm hat nicht di« Notbremse gezogen. Der Täter wurde eine halbe Stunde später von einem dieselbe Strecke passierenden Güterzuge noch liegend bemerkt. Als aber der Gendarm von der nächsten Station zurückkam, war er verschwunden Pirna. Die Arbeiten an unserem Rathausturme find seit einigen Tagen wieder ausgenommen. Man hat da« Fundament verstärkt und dürfte demnächst mit dem Aufbau des Turmes beginnen, der bekanntlich in der alten Form neu ergehen soll. Hönigstein. Am Sonntag vollzog sich hier die Feier der Grundsteinlegung der zu erbauenden römisch- katholischen Kirche, die den Namen Marienkirche führen wird, unter zahlreicher Beteiligung der hiesigen katholischen Gemeindemitglieder, der Vertreter der städtischen, König!, und Kaiser!. Behörden u. a. Die Weiherede hielt Bischof Or. Schäfer-Dresden. Leipzig. Branddirektor Bandau, welcher seit dem l. Dezember 1885 an der Spitze der Leipziger Berufs- feuerwehr steht, kann also mit Beginn dieses Monats das Jubiläum seiner 25jährigen Dienstzeit feiern. In seine Tätigkeit als Leipziger Branddirektor fällt der plan- mäßige Ausbau des Leipziger Feuerlöschwesens zu einem der zuverlässigsten und am modernsten eingerichteten Be triebe dieser Art. Bier neue Feuerwachen sind auf seine Veranlassung gebaut worden, der Automobilbetrieb hat den Pferdeverkehr verdrängt, die gesamte Feuertelegraphie ist in dieser Zeit umgebaut und neu eingerichtet worden. Zitta«, 29. November. In vergangener Nacht stieg die etwa 40 Jahre alte Arbeiterfrau Jakob aus Ullersdorf nach Eindrücken einiger Fensterscheiben in die ihr völlig fremde Wohnung des Hausbesitzers Tasche in Pethau bei Zittau, drehte die Gashähne auf und erwartete auf einem Bett liegend, den Tod, den sie auch fand. Zum Entsetzen der Hausbewohner wurde sie heute früh als Leiche auf gefunden. Tagesgeschichte. Berkin. Der Reichstag setzte am Dienstag die ers e Lesung des Gesetzes über die Schiffahrtsabgaben fort. In derselben begründeten die sächsischen Abgeordneten vr. Wagner und Or. Junck die ablehnende Haltung der sächsischen Abgeordneten aller Parteien. — Der Kaiser erlich eine Kabinettsorder, in der die Erwartung ausgesprocken wird, daß die Offiziere der Armee und Marine die Mannschaften im Kampfe gegen Trinksitten und Alkoholmißbrauch mit gutem Beispiele unterstütze. — Ueber den Bildungsgang der Reichstags abgeordneten bringt die „Braunschweigische Landes- zeitung" eine interessante Zusammenstellung: „Ins Auge fällt danach das starke Hervortreten des akademischen Elements. Die Mehrheit der Volkboten, nämlich mehr als 200, rechnet sich zu den akademisch gebildeten Kreisen. Das Zentrum liefert die meisten Abgeordneten, die studiert haben, nämlich 63. Dann folgen von den einzelnen Parteien die Konservativen, die Freisinnigen, National- liberalen usw. Am wenigsten Akademiker sind bei den Sozialdemokraten. Rund hundert Abgeordnete haben die Bänke eines Gymnasiums, eines Realgymnasiums oder einer Oberrealschule gedrückt, ohne bis zur Reifeprüfung gelangt zu sein. Als Gesamtresultat ergibt sich, bah etwa dreihundert Abgeordnete mindestens die unteren Klassen einer höheren Lehranstalt besucht haben. Etwa zehn Ab geordnete haben ihre Ausbildung in Seminaren erhalten. Rund achtzig haben nur Volksschulbildung. Beträchtlich ist der landwirtschaftliche Einschlag. Auch vierzig Juristen fitzen im Reichstage. Beim Militär dienten zweihundert Abgeordnete. Davon waren mehr als die Hälfte Offiziere. Fünfzig haben den Feldzug 1870/71 mitgemacht." — Major Dominik von der Schutztruppe für Kamerun ist an einem früheren Leiden erneut erkrankt und tritt voraussichtlich anfangs Dezember die Heimreise an. Dem energischen und umsichtigen Eingreifen des genannten Offiziers ist vor kurzem erst die Niederwerfung des Maka- Aufstandes im Süden Kameruns trotz der Ungunst de« Geländes und der Regenzeit in unerwartet schneller und erfolgreicher Weise gelungen. — In Deutsch-Südwestafrika entsteht allmählich «In geordnetes Kirchenwesen. Vier Gemeinden, in Wind- Huk (1750 Seelen), Swakopmund (700 Seelen), Lüderitz- bucht (650 Seelen) und Karibib, stehen unter eigenen Pastoren und sind dem Berliner Oberkirchenrat unterstellt. Unter den Eingeborenen wirken 22 Missionare der Rheini schen Mission. Mainz, 29. November. Leutnant Helm, der durch die englische Spionageafsäre bekannt geworden ist, ist gestern in seiner Garnison wieder eingetrosfen und beim 21. Pionierbataillon in Dienst getreten. Wie man hört, ist eine dienstliche Untersuchung eingeleitet worden, durch die sestgestellt werden soll, ob sich Helm durch die Vor nahme seiner Zeichenübungen in England gegen deutsche Gesetze vergangen hat. München. Wie die „M. N. N." melden, stellte ein Kunstmäcen dem Prinzregenten 100 000 Mark für die Errichtung eines Reiterstandbildes Ottos von Wittelsbach zur Verfügung. Mit der Ausführung des Denkmals ist der Erzgießer Ferdinand v. Miller betraut. Das Denkmal soll am 90. Geburtstage des Prinzregenten vor dem Armeemuseum enthüllt werden. Straßburg. Der „Straßburger Post" wird au» Berlin gemeldet: Wie aus Bundesratskreisen verlautet, besteht die Absicht, die elsaß-lothringische Verfassungsvorlage und den Wahlgesetzentwurf am 12. Dezember im Bundesratsau«- schütz zu beraten, sodatz die Vorlage bereits in der darauf folgenden Sitzung des Bundesrates, also am 15. Dezember, im Plenum zur Beratung und wohl auch zur Erledigung gelangt. Voraussetzung dafür ist natürlich, datz nicht in der Ausschutzberatung Anträge gestellt werden, welche eine Einholung neuer Instruktionen für einzelne Bundesrats- beoollmächtigte erforderlich machen, doch ist mit einer solchen unvorhergesehenen Verzögernng kaum zu rechnen. Oesterreich-Angarn. Wiederum ist ein alter deutscher Besitzstand im Egerlande in tschechische Hände übergegangen. Bei einer Zwangsversteigerung am 23. November beim Egerer Kreisgerichte ist das landtäfliche Gut Reitzengrün bei Zwodau für den Spottpreis von 30620 Kronen an den Tschechen Anton Zicka aus Prag übergegangen. Da durch wird den Tschechen die Möglichkeit geboten, in nächster Nähe des arg gefährdeten Zwodau eine neue tschechische Kolonie anzulegen und der Forderung der Tschechen nach einer tschechischen Schule in Zwodau er höhtes Gewicht zu geben. Die Deutschen aber haben wieder einmal geschlafen und die Gefahr erst bemerkt, als es zu spät war. Dieses Versehen ist um so unentschuld barer, als die Erwerbung des schönen Gutes für diesen Preis keinerlei Opfer für die Deutschen bedeutet hätte. — Die Ausgleichsverhandlungen zwischen den Deutschen und Tschechen werden am 15. Dezember in Prag wieder ausgenommen. Die Regierung hat den Parteien ein neues Einigungsprogramm unterbreitet, das auf Kosten der Deutschen den Tschechen größere nationale Zugeständ nisse macht. London. Der portugiesische Finanzminister erklärte dem Lissaboner Korrespondenten der „Times", es sei der provisorischen Regierung zur Kenntnis gelangt, datz die Königin Maria Pia im Laufe der letzten Jahre bei ver schiedenen Banken unter Garantie der damaligen Regie rung bedeutende Schulden kontrahiert habe, die sich im ganzen auf 1 250000 M. belaufen. Der Finnnzminister beabsichtigt, einen bestimmten Teil der der Königin Maria Pia von der provisorischen Regierung ausgesetzten Jahres- Pension von 300000 M. zurückzubehalten, um damit die Gläubiger der Königin vollständig zu befriedigen. Der Minijterrat wird sich in dieser Woche auch mit den Bank depots beschäftigen, welche die Königin Amelia von Por tugal außer ihrer durch Ehekontrakt festgesetzten Mitgift angelegt hat. London, 28. November. Der König unterzeichnete in der Sitzung des Geheimen Rates eine Proklamation, durch welche das Parlament aufgelöst und das neue Parlament aus den 31. Januar 1911 einberufen wird. Rußland. Bei der diesjährigen Rekrutenaushebung in Petersburg waren von 2965 Dienstpflichtigen nur 500 tauglich. Belgrad. Die neue Ossizierssparkasse, welche mit russischem Kapital gegründet wurde, hat die Zahlung der Privatschulden der Offiziere der Belgrader Garnison über nommen. Die Schulden belaufen sich auf rund 2 Mill. Franks. Die Schulden der Offiziere der im Lande liegen den Garnisonen werden von derselben Sparkasse zu Be ginn nächster Woche beglichen werden. Konstantinopel. Infolge der Ausbreitung der Cholera ordnete die Polizei die Sperrung sämtlicher Nachtlokale an. Der Gouverneur von Pera kündigt ebenfalls die Schließung der Restaurants und Nacht lokale an. Portugal. Es häufen sich die Nachrichten über die Unzufriedenheit in der Armee, namentlich unter den por tugiesischen Offizieren. Immer neue Willkürtaten sder Machthaber bei der Verleihung von Auszeichnungen werden gemeldet. Die provisorische Regierung hat etwa 30 Offiziere dem Kriegsgericht überstellt, weil dieselben für eine neue Revolution agitierten. — Das gegenseitige „Abmurksen" war von jeher eine Spezialität republikani scher Regierungen. Newyork. Aus Alaska wird gemeldet, datz der Bering-Glescher geborsten sei. Der innere Gletschersee er gießt sich in das Beringtal, in dem sich viele Fabriken befinden. Der Bering-Fluß ist bereits 10 Fuß gestiegen. Das ganze Tal ist mit Wasser überschwemmt und bildet einen See. Die Lage ist sehr bedrohlich. Rettungs- erpeditionen sind unterwegs. Ueber die Zahl der bei der Katastrophe umgekommenen Personen ist noch nichts be kannt. Peking. In dem nördlichen Teile der chinesischen Provinzen Abhwey und Kiangsu ist insolge der letzten großen Ueberschwemmungen eine Hungersnot ausge brochen und über 2l/r Millionen Menschen sind dem Hungertode nahe. In demselben Distrikte herrschte bereits vor drei Jahren eine grotze Hungersnot. vermischtes * Das Ende der Niagarrafälle. Eine kurze Weile noch, und die berühmten Niagarrafälle, die alljährlich Tausende von Fremden zur Bewunderung dieses herrlichen Natur schauspiel» heranlockten, werden den letzten Rest ihrer imposanten Schönheit verloren haben. Die zahlreichen industriellen Anlagen, die die gewaltige Wasserkraft für ihre Zwecke ausnützen, haben dem Landschaftsbild ohnehin schon seinen grandiosen Zauber geraubt. Nun sind neue große Arbeiten im Gange, weitere Fabriken erstehen, unv nach ihrer Vollendung wird der größte der Fälle, der eine Breite von 900 Metern hatte, auf 487 Meter zu- sammenschrumpfen. Andere Fälle werden nur noch 150 Meter breit sein, wo früher sich die Wassermassen in mächtigen Kaskaden von 300 Meter Brette ihren Weg bahnten. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat sich nach Kräften bemüht, diesem Vandalismus entgegen- zuarbeiten, aber alle Versuche scheiterten an dem Wider- stand des Staates Ontario, der praktische Gesichtspunkte In den Vordergrund stellt und aus die rasche Entwickelung seiner Industrie ein größere« Gewicht legt, al« auf die landschaftliche Schönheit der Niagarafälle. " Einen originellen Streich, der auf eine außerordeni- lich praktische Veranlagung schließen läßt, hat dieser Tage die Magd eines Gutsbesitzers in einem Dorie bet Bocholt ausgeführt. Dieser hatte aus einer Geslügelausstellung mehrere Hühnernester au» Drahtgeslecht gewonnen, aber beiseite gelegt, da er zurzeit keine rechte Verwendung dafür hatte. Dies kam der Magd gerade gelegen; sie benutzte eines der neumodischen Hühnernester als Gerüst für ihren neuen WInlerhut, den sie sich nach allen Regeln der Kunst selbst anfertigte. Als nun der Gutsbesitzer eines Tager das fehlende Hühnernest lange Zeit vergeblich gesucht hatte, fühlte sich die errötende Schöne veranlaßt, lächelnd ihre nicht alltägliche Tat zu gestehen. Selbstverständlich hatte sie das Hühnernest aber nur für diesen Winter verwenden wollen, — denn nächstes Jahr gäbe es ja eine neue Hut- mode. Wie nicht anders zu erwarten, wurde ihr dar Eigentumsrecht an dem Hühnernest bereitwilligst zuge standen. * Die Armee-Lastkraftwagen auf der Probefahrt ein- geschneit. Aus Landeshut im Regierungsbezirk Liegnitz wird gemeldet: Die Armee-Lastkraftwagen, die auf einer Probefahrt am Donnerstag in Breslau eintresfen sollten, befinden sich seil Donnerstag vormittag 11 Uhr auf dem Schmiedeberger Paß oberhalb der Schillerbaude vollständig eingeschneit. Es ist bisher noch nicht gelungen, sie heraus- zuschaufeln, doch hofft man, daß sie am Freitag in Lander- Hut eintresfen werden. Letzte Nachrichten. Dresden. Der König hat in einem allerhöchsten Handschreiben dem Finanzminister vr. von Rüger die aus Gesundheitsrücksichten erbetene Entlassung bewilligt und gleichzeitig den Ministerialdirektor im Finanzmini- stenum von Seydewitz zum Staatsminister ernannt und mit der Leitung des Finanzministeriums beauftragt, ihm auch den Auftrag in evangelicis erteilt. Paris. Aus Saumur wird gemeldet: Die Loire ist aus den Ufern getreten und hat das Gelände über schwemmt. Die niedriger gelegenen Straßen und Plätze, sowie die Elektrizitätszentrale stehen unter Wasser. Kavallerie ist zur Hilfeleistung abgesandt worden. Petersburg. Die „Nowoje Wremja" veröffentlicht das Original e nes Finnland betreffenden Briefes von 400 französischen Senatoren und Deputierten vom 7. d. M. an einige russische Reichsräte, sowie die Antwort derselben vom 26. November, die an den Senator Aguillon ge richtet und von einigen Reichsräten unterzeichnet ist. Diese besagt, die Ausführung der Franzosen in der finnischen Frage entbehre jeder historischen, realen und juristischen Grundlage. Die Art und Weise der französischen Unter zeichner, sich um die russischen Angelegenheiten zu kümmern, scheine den russischen Unterzeichnern unangebracht und der Festigung der Bande gegenseitiger Sympathie zu schaden. Jeder Versuch von Ausländern, sich in interne Angelegen heiten einzumischen, werde von den Unterzeichnern, wie die nationale Würde es erfordere, energisch zurückgewiesen werden. — Prognose: Veränderliche Luftbewegung, meist jedoch Ostwind, wechselnde Bewölkung, etwas kälter, Niederschlag nicht ausgeschlossen. Fremdes Reis. Roman von C. Dressel. (5. Fortsetzung) Sven war abgereist. Und fehlte allen im Kaus, der frische Junge, der immer liebenswürdigen Humors und lustiger Geschäftigkeit gewesen. Seine Schulzeit, die folgenden Studienjahre auf dem hannoverschen Polytechnikum hatten dem Börnerschen Hause viel junges Volk zugeführt, und Frau Auguste sah den sehnlichen Wunsch zwangloser Beziehungen zu den besseren Familien der Stadt vollauf erfüllt. Svens Abwesenheit hielt nun die Freunde ferner. Nack und nach blieben sie aus, und es ward still in der Villa. So still, daß Frau Börner, die sich wohl gefühlt in dem lebhaften Treiben und sich, dank ihrem natürlichen Mutterwitz, ihrer herzlichen Anteilnahme auch der modernen, anspruchsvolleren Jugend gegen über zu behaupten gewußt, nun Langeweile bekam und daran dachte, Lisa ein Jahr früher in die Gesellschaft einzuführen, als eigentlich beabsichtigt war. Das Kind gefiel ihr letzthin überhaupt nicht recht. So recht blitzvergnügt in sprudelnder Iugendlust hatte man Lisa allerdings kaum gekannt. Es war immer etwas Gesetztes, Frühernstes in ihr gewesen. „Das Erbteil der Eltern," hatte ihr Mann gemeint. „Denk' doch, was diese beiden durchkämpfen, überwinden mußten in langen, herben Trennungsjahren, ehe sie den Herzensbund mit später Ehe besiegeln durften. Und danach, was hat die arme Frau erlitten, bevor sie das Kind zur Welt brachte. So schwere Gemütserschüt- terungen mußten auf es zurückwirken. Darum wundere ich mich gar nicht über den ernsten Grundzug in Lisas Natur und meine auch, diese Sinnigkeit könne uns nur lieb sein, denn sie verrät Gefühl. Kopfhängerisch ist die Kleine deshalb nicht. Dafür sorgte schon Svens muntere Lebendigkeit, die sie immer, sozusagen, auf den Damm brachte. Nie habe ich sie so herzlich lachen hören, als wenn der große Junge seine Schnurren mit ihr vor- batte."