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wehrniannes Schneider II wurde Dienstag nach achttägigem Suchen unter Schutt und Asche aufgefunden. Der Leich- nam wurde in der Nähe eines Fensters in einer Stellung angetroffen, die mit Sicherheit darauf schließen läßt, -atz der von einstürzenden Massen hart bedrängte Feuerwehr mann sich durch das Fenster hat retten wollen. Das Fenster war aber mit einem eisernen Gitter verschlossen und der Rückzug war inzwischen durch Glut und ein- stürzendes Balkenwerk versperrt. — 12. Juli. In dem Sommersrischenort Söbrigen bei Pillnitz erkrankte vorgestern abend die Familie des dort wohnenden 35 Jahre alten Fabrikarbeiters Simon nach genossenen Pilzen. Bereits in der folgenden Nacht verstürben nach furchtbaren Qualen zwei Kinder der Fa milie und am gestrigen Tage der Familienvater und noch ein Knabe Die Mutter und eine grobe Tochter schweben trotz ärztlicher Hilfe in größter Lebensgefahr. Grimma. Montag morgen in der 4. Stunde fand man in einem Gehölz im Walde den 47 jährigen Guts besitzer Bruno Ziegner aus dem benachbarten Förstgcn mit einer schrecklichen Schußverletzung im Gesicht tot aus. Ziegner war aus die Jagd gegangen und hatte, aus einen Rehbock lauernd, einen Hochstand bestiegen. Beim Herab steigen muß Ziegner mit dem Hahn seines Gewehres an gestoßen sein. Das Gewehr entlud sich und die volle Ladung, die aus Rehposten bestand, drang dem unglück lichen Jäger zwischen den Augen in den Kops, das Gehirn völlig zerschmetternd. Ziegner hinterläßt eine Frau und fünf Kinder. Schneeberg. Eine Vereinigung plant die Errichtung eines Gynmajiaßcnheims in hiesiger Stadt. Bon der Stadtverwaltung ist im Falle der Verwirklichung die schenkungsweije Ueberlasjung eines geeigneten Bauplatzes m Aussicht gestellt worden. Zwickau. Das Regulativ über Erhebung einer Warenhaus- und Filialsteuer von Großbetrieben mit Kleinhandel, die mindestens 300000 Mark Jahres umsatz haben, ist nunmehr, zunächst für drei Jahre, in Kraft getreten. Tagesgeschichte. — Fürst Bülow wird auf seiner Reise nach Norderney am 15. Juli in Berlin eintresfen. Reichskanzler v. Beth- n ann Hollweg wird an diesem Tage von seinem Gute Hohen-Finow nach Berlin zurückkehren und mit seinem A mtsvorgänger Zusammentreffen. — Die Reichsregierung beschloß die Errichtung ge schlossener Befestigungslinien an der Nordsee von den N ederlanden bis Jütland. Sämtliche deutsche Nordsee- uneln werden zu Fortifikationsanlagen ausgebaut. — Zur Wiederaufnahme der Passagierfahrten mit Z ppelin-Lustschisfen erfahren wir von unterrichteter Seite, dcß die Zeppelin-Gesellschaft den „l. 2 VI", der mit einer Prssagierkabine versehen werden soll, etwa am 20. August ab an die Deutsche Luftschisfahrts-Altien-Geselsschast zu Fahrten von Baden-Baden aus während der Rennzeit vermieten wird. Seine Tragkraft wird allerdings nur für höchstens 10 Personen ausreichen, aber er wird doch eine große Anziehungskraft auf das internationale Publikum nusüben. Das Material für den Ersatz „Deutschland" kann vor Mitte August nicht beschafft und daher das Schiss kaum vor Anfang Oktober geliefert werden. Es kommt dann wieder nach Düsseldorf. — In welch großem Umfange die Wenden ihre Hoch zeiten begehen, zeigen zwei wendische Hochzeilsfeierlich keiten, welche in voriger Woche in dem Dorfe Dubring abgehalten wurden. Zu der einen Hochzeit waren etwa 400, zu der anderen aber weit über 700 Gäste, die Kinder nicht gerechnet, erschienen Daß bei solcher Riesen hochzeit viel Speisen und Getränke verbraucht werden, zeigen folgende Angaben: An der zweiten Hochzeit wurden verbraucht: 3 Rinder, 8 Schweine, 5 Kälber prima Qualität, 3 Scheffel Weizenmehl für Kuchen, 20 Hekto liter Bier, 1 Hektoliter Branntwein usw. In allen Häusern des Dorfes bewirteten die Eigentümer außerdem nach alter wendischer Sitte die Gäste noch mit Kaffee und Kuchen. — Der türkische Kriegsminister hat die Behörden von Janina und Elsasson beauftragt, die Herstellung bez. Aus besserung der Straßen und Brücke», die nach der griechi schen Grenze sühn», mit allcn Kräfte» zu beschleunigen. Von der griechischen Grenze laufen Meldungen über ge wisse Vsrteidigungsmaßregein ein. — Das größte Schlachtschiff der Welt, bas uni 7000 Tonnen größer sein wird, als der größte englische Dread nought, baut die Werst in Philadelphia. Dieses und ein zweites gleich großes Schiss sind für Argentinien bestimmt. Karlsruhe. Die Zweite Kammer lehnte in ihrer Sitzung am Montag abend die vorgeschlagene Steuer erhöhung, sowie die Erhöhung des Zuschusses zur Eisen- bahnschuldentilgungskasse von 2 aus 4 Millionen ab an gesichts der wirtschaftlichen Lage und der bevorstehenden Mißernte. Im Laufe der Debatte halte Ministerialdirektor Göller nachdrücklich aus den Ernst der Finanzlage, insbe sondere aus den ungünstigen Stand der Lisenbahnsinanzen hingewiesen und erklärt, daß die Regierung in, nächsten Landtag ihre Vorschläge wiederholen werde. Heidelberg, 11. Juli. In der benachbarten Ortschaft Mülhausen ereignete sich gestern Nacht infolge des an haltenden Regens der letzten Tage ein Bergsturz. Eine Felswand stürzte in einer Länge von 150 Meter zu sammen und begrub drei Wohnhäuser, Stallungen und Nebengebäude unter sich. Vier andere Wohnhäuser sind dem Einsturz nahe. Fünf Familien sind obdachlos Zell (Kanton Luzern). Im Weiler wurde das Berg haus des Landwirts Rätlig durch einen Erdrutsch ver schüttet Zwei Frauen und zwei Kinder wurden getötet; zwölf Stück Vieh sind umgekommen. Oesterreich-Ungarn. Erzherzog Joses Ferdinand, der Neffe des seit 1890 verschollenen Erzherzogs Johann Salvator, des nachmaligen Johann Orth, ist bei dem Wiener Obersthofmeisteramt um die Todeserklärung Johann Orths eingekommen. Während die Todesfall erklärung sonst nach 30jähriger Verschollenheit ohne wettere Beweisaufnahme möglich ist, -muß bei einer früheren Todeserklärung der Beweis für den Tod erbracht werden. Erzherzog Josef Ferdinand ließ nun durch den Wiener Advokaten vr. Bachrach bei dem zuständigen Amt ein diesbezügliches Ansuchen einbringen. Das Amt gab diesem Ansuchen insofern statt, als es eine Frist von 6 Monaten anordnete, innerhalb welcher Gegenbeweise zulässig sind, widrigenfalls Johann Orth für tot erklärt wird. Erben sind außer den, obengenannten Erzherzog Josef Ferdinand auch Leopold Wölfling und seine drei Schwestern. Pisa. Wie eine Kommission hervorragender Archi tekten ermittelte, wäre der schiefe Turm in Pisa ernstlich bedroht. Zunächst sollen die schweren Glocken beseitigt werden, die den Turm beim Läuten täglich erschüttern. Paris. Wie die Blätter aus Tanger melden, hat die marokkanische Staatsbank die Bezahlung gewisser Gläubiger verweigert, weil sie angeblich keinen Auftrag dazu habe. Der eigentliche Grund sei der, daß die Liquidationsanleihe zur Bezahlung der 93 Millionen betragenden Schulden nicht aurreiche. Großbritannien. Interessante Experimente machte jetzt die britische Admiralität mit einer neuen Erfindung, die cs ermöglicht, bei Nacht den Weg, den ein Geschoß nimmt, genau zu verfolgen. In die Granate kann ein kleiner Zylinder eingesührt werden, der ein starkes Leucht- mittel enthält, welches sich bei dem Abschuß entzündet und so deutlich zeigt, wie das Geschoß fliegt. Besonders beim Ricochetieren konnte man deutlich sehen, welche Rich tung das Geschoß rahm, nachdem es auf das Wasser auf- geschlagen hatte. Man machte bei dieser Gelegenheit die merkwürdige Entdeckung, daß ein großer Teil der Geschosse nach dem Aufschlagen beinahe senkrecht in die Höhe ging. Oeffentliche Sitzung des Stadtverordneten- Kolleglums zu Dippoldiswalde, am 8. Juli 1910. Anwesend sämtliche Stadtverordnete. Kollegium nimmt zunächst mit Dank Kenntnis davon, daß die König!. Sächs. Staatsregierung der Deutschen Müllerschule auch für das Jahr 1910 eine Beihilfe von 6500 M. bewilligte und daß der Mühlenbesitzer Steffen in Duchow (Pommern) anläßlich seines 25 jährigen Jiibi- läums als Vorsitzender der Müllerei-Berufsgenossenschaft, Sektion VI, dem Nate 1000 Mark zur Errichtung einer „Stessen-Stiftung" übergab mit der Maßgabe, den Zins ertrag zur Unterstützung erkrankter MüIIerschüler zu ver wenden. Man erklärt sich zur Annahme der Stiftung bereit und ist auch mit dem Entwürfe des Rates zur Stiftungsurkunde einverstanden. Genehmigung finden 1. die Weiterverpachtung der bisher von den Mühlen besitzern Hille und Tennert bewirtschafteten städtischen Parzellen Nr. 656, 675 und 1228 unter den bis herigen Bedingungen an den Sägewerksbesitzer Röllig; 2. das Gesuch des Handelsmanns Grahl uni Ermäßi gung und Gestundung von Schleusenanliegerbeiträgen insoweit, als Gestundung in Frage kommt (eine Ermäßigung muß schon der Konsequenzen wegen abgelehnt werden); 3. bedingungsweise die Herstellung eines erhöhten Fuß weges an der süd-östlichen Seite der Kleinen Mühl- straße unter Vcrwilligung der entstehenden Koste». Vom Akteninhalt über die Verhandlungen wegen etwaiger Uebernahme des „Flora-Bades" in städtische Verwaltung wird Kenntnis genommen Zustimmung wird erteilt dazu, daß das städtische Elek trizitätswerk Strom für Koch- und Heizapparate zum Motorstrompreije (23 Pf. pro Kilowattstunde) abgibt. Schließlich nimmt man noch die Richtigsprechung der Stiftungskassenrechnungcn für die Jahre 1907 und 1908 vor und erklärt sein Einverständnis zu der vorgeschlagenen Vcschassung von Blumenschmuck sür die Rathausfenster. I» nichtöffentlicher Sitzung werden Sparkassen-Dar- lehnssachen erledigt. Das Stadtverordneten-Kollegium. G. Schiffner, Vorsitzender. Ilse von Krafft. Von M. Eitner. (5. Fortetzung.) Dann fragte sie dieses und jenes, fragte nach Sitten und Gewohnheiten des Landes und Volkes, fragte auch nach seiner Arbeit und Tätigkeit. Und Lüders sprach ihr von allem, erzählte ihr von den Fäden des Handels, die In- und Ausland ver binde», sprach van der hohen Bedeutung der Handels verbindungen zwischen den verschiedene» Ländern, bewies ihr, wie interessant es sei, mittendrin in solcher Arbeit zu stehen. Sie hörte zu, mit gespannter Aufmerksamkeit, und in ihrem Herzen brannte die Frage: Warum, ja, warum sprach Herbert nie zu ihr von alledem? Warum ließ er sie nicht teilnehme» an dem Schatz seiner Kenntnisse, an dem Ziel, das er durch seine Arbeiten verfolgte? Warum? — Wenn schließlich Herbert dazukam, erschien sie eine andere als sonst, und wiederholt bemerkte Herbert zu dem Freunde: „Du siehst, welchen Vorteil dein Besuch bringt. Nun kann meine Frau sich nicht mehr Über Langeweile beklagen." Eines Abends, als Ilse abgerufen wurde, und Herbert eine ähnliche Bemerkung machte, sagte Lüders zu ihm: „Alter Junge, wen» ich eine Frau hätte, würde ich es nicht meinem Freund überlassen, ihr die Langeweile zu vertreiben." Die Antwort wurde Herbert erspart, da Ilse wieder eintrat. Sie war tief dankbar für das, was ihr gegeben wurde. Wie eine Flut von Sonnenstrahlen drang es mitunter an sie heran, und doch hatte sie dann plötzlich ein Wehgefühl, weil ein Fremder ihr das gab, was sie von ihrem Mann zu erwarten berechtigt war. Der Zauber, der von Lüders ausging, wurde immer mächtiger. Ganz besonders gewann er Ilses Herz durch die Art und Weise seines Verkehrs mit dem kleinen Werner. Er beschäftigte sich so oft und so verständnis voll mit dem Knaben, daß dieser ihm entgegenjauchzte, sobald er sich sehen ließ. Wenn Lüders am Abend nicht erzählte oder vor las, setzte er sich an das Klavier. Er hatte eine hervor ragende Begabung zum Fantasieren, und in seinem Spiel lag dieselbe hinreißende Macht, wie in seinen Erzählungen. Wie in Träume versunken, saß dann Ilse oft mit geschlossenen Augen und abnte nicht, daß die Blicke des Spielenden auf sie gerichtet waren, und ahnte nicht, daß im Herzen des Spielenden etwas erwachte, das ihm und ihr zur Qual werden mußte. Lüders freute sich auf die Abendstunden, auf das Zusammensein mit Ilse. Sie war nicht schön und besaß doch große An ziehungskraft; sie gehörte nicht zu den geistreichen Frauen und hatte doch so warmes Interesse für alles. Und ihr Mann ging neben ihr her, sah das nicht oder wollte das nicht sehen. Lüders verstand den Freund nicht. Er sagte ihm das wieder und wieder, aber ohne jeden Erfolg. Es schien geradezu, als fühle Herbert sich durch derartige Bemerkungen unangenehm berührt, und als Lüders ihm eines Tages erklärte: „Ich werde jetzt deiner Frau allen Ernstes den Hof machen, um dich zu strafen," zuckte Herbert nur die Achseln und entgegnete: „So tu es doch. Das liegt ja auch von jeher in deiner Natur. Du gehst von einer zur anderen; jede fesselt dich für Augenblicke, aber keine auf die Dauer. Armer, bunter Schmetterling, findest hier nicht so farbenglühende Blumen wie in Indien. — Hans," schloß er, plötzlich in warmen Ton verfallend, „du bist doch ganz der alte geblieben. Es. tut gut, dich Z.r Z» haben, und ja, Hans, mir ist es recht, wenn du meine Frau unter hältst." „Mensch," fuhr Lüders heftig am, „daß dich's nicht mal reut, was du sagst, und was du tust." „Geh nur, Hans, und spiele deine Melodien. Ich höre sie bis hier, und meine Arbeit geht dabei doch gut vonstatten." Lüders ging, und Herbert sah ihm nach mit halbem Lächeln. 3. Kapitel. Aris dem Herbst war der Winter geworden. Ent laubt standen die Bäume, und der Sturm machte oft die kahlen Zweige ächzen und stöhnen. Der Schnee legte sich weiß und weich über Rasenplätze und Blumen beete, hüllte sie ein zum Schlaf, bis Frühlingshand die Decke wegnehmen und sie wieder zu neuem Leben führen würde. Herbert fuhr jetzt öfter im Schlitten zum Vorwerk. Dann begleiteten ihn Ilse und Lüders. Und Lüders sah, daß solche Fahrten Ilses Augen aufleuchten machten, und er wußte, daß sie glücklich war darüber, daß sie mit ihrem Mann in die weiße, wunderschöne Winter landschaft hineinfahren konnte, wußte aber auch, daß das immer nur ein kurzes Glück war. Wie Mitleid hatte es sich anfangs in seinem Herzen geregt für diese Frau, die unverstanden und vernach lässigt an der Seite ihres Mannes durch das Leben ging, aus deren ganzem Wesen ein stetes Sehnen her aussprach ; aber aus dem Mitleid war ein anderes Ge fühl geworden, über das er selbst erschrak. Es zog ihn hin zu Ilse; er hätte ihre Hand fassen mögen, er hätte sie in seine Arme nehmen mögen, und er zürnte dem Freund, dessen Verhalten es zuließ, daß solche Gefühle entstehen konnten. Er kämpfte gegen das, was in ihm entstand und wuchs, und gelobte sich, alles zu tun, was in seinen Kräften stand, um einen Wechsel der Verhältnisse her vorzurufen, der für Ilse das Leben erträglicher machte. Was sein Mund nicht aussprach, leuchtete doch mit unter aus seinen Augen heraus, und cs geschah, daß Ilse von einem Angstgefühl erfaßt wurde, wenn ihr Blick den Blicken der braunen, glänzenden Augen begegnete. Dann eilte sie wohl zu der Tür, die in ihres Mannes Zimmer führte, um ihm zu sagen: „Laß mich nicht allein I Um Gottes willen, laß mich nicht allein!" Aber sic kehrte vor der Tür wieder um. Sie fürchtete sich vor dem kühlen Blick seiner Augen, fürchtete, daß er über sie lächeln würde, weil sie vom Alleinsein sprach, während Lüders ihr Gesellschaft leistete, und er doch öfter als früher sich während des Arbeitens für eine halbe Stunde von seinem Schreibtisch trennte. Weihnacht kam heran. Da sagte Ilse eines Tages zu Lüders: „Ich fürchte mich vor dem Fest und habe doch früher immer ge dacht, es könnte nichts Schöneres geben, als Weihnacht zu feiern im eigenen Haus mit Mann und Kind." „Weshalb fürchten Sie sich, gnädige Frau?" „Ich weiß den Grund nicht, ich weiß nur die Tat sache. Herbert hat ein Grauen vor jeder Weihnachts feier, scheint den Christbaum geradezu zu hassen. Er hat nur angesichts der ersten Feier auf Kaltenborn ge sagt, daß im Schloß nichts zu merken sein dürfe von irgendwelcher Festlichkeit." Lüders stutzte. Es schien, als wolle er etwas sagen, aber er schwieg. „Herberts Ablehnung," fuhr Ilse fort, „war so