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Donnerstag, den 14. April 1810 76. Jahrgang Nr. 43. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmanulchaft, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtfettigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land-- und hauswirtschaftlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne. - Druck und Verlag von Carl Irhne in Dippoldiswalde. Inserate werden mit IT Pfg-, solche au» unsere» Ämtshauptmulinschaft mit 12 Pfg. die Spaltzeile oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 3d bez. Pfg. - Tabellarische und komplizierteJnserate mit entsprechendem Auf schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, dl« Spaltenzeile 30 Pfg. DK .MelYrrltz-Zeitune'' erscheint wöchentlich drei mal : Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denAbendenausgegeben. Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich A4 Pfg-, einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern tl) Pfg. — Alle Postan- Aalten, Postboten, sowie MsereAusträger nehmen Bestellungen an. WHeritz-Mung Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Der Streik der Seeleute in Frankreich. Der radikale Sozialismus hat in Verbindung mit einer Unzufriedenheit über die Löhne und die Behandlung der Seeleute in Frankreich urplötzlich einen Streik der See leute der französischen Handelsflotte herbeigeführt, der ganz gefährliche Dimensionen anzunehmen droht. In Marseille haben am 4. April die eingeschriebenen Seeleute durch ihr Syndikat einen Streikaufruf erlassen, nach welchem sofort alle Mannschaften sämtlicher Dampf- und Handelsschiffe in den Streik eingetrelen sind und die Schiffe verlassen haben. Gleichzeitig hat das Syndikat der eingeschriebenen und streikenden Seeleute in Marseille einen Aufruf an die verbündeten Syndikate in allen fran zösischen Häfen erlassen, wonach auch in ollen anderen französischen Häfen die Seeleute sofort in den allgemeinen Streik eintreten sollen. Die Lage in den französischen Häfen und für das gesamte französische Verkehrswesen ist daher augenblicklich eine nahezu verzweifelte, denn wenn kein Schiff mehr ausfahren kann, so mutz die französische Handelsmarine in kurzer Zeit ruiniert werden. Man schreibt nun diesen plötzlichen Ausbruch des Streikes der Seeleute nur einer Anzahl Hitzköpfe in Marseille zu, und zwar deshalb, weil zwölf Heizer auf dem Dampfer „Muluja" in Marseile, als sie Miene machten, ihre Arbeit und das Schiss zu verlassen, durch die Polizei wegen Kontraktbruch verhastet und in das Gefängnis zur Ab urteilung geführt worden sind. Die eingeschriebenen See- lcute in Marseille sollen darauf aufgefordert haben, datz die verhafteten zwölf Heizer so ort aus dem Gefängnisse entlassen werden sollten, sonst würde der Generalstreik der Seeleute sofort eintreten. Die Regierung habe aber nicht nachgegeben, weil sie den kontraklbruchigen Heizern das Recht des Kontraktbruches nicht zugejtehen könne, und des halb sei der Generalstreik der Seeleute ausgebrochen. Der Minister Briand in Paris hat erklärt, datz er gegen den plötzlichen und unverständlichen und unentschuldbaren Kontraktbruch, wie der Minister den Generalstreik der See leute nennt, mit allen gesetzlichen Mitteln vorgehen werde, denn die Regierung könnte nicht ruhig zuschauen, wenn durch den Kontraktbruch die französische Handelsmarine ruiniert und dem Handel und Verkehre Frankreichs un endlicher Schaden zugesügt würde. Die Regierung hat daher schon die Verwendung der Kriegsmarine für den Dienst der Handelsschiffe ins Auge gesaht und entsprechende Maßregeln getroffen. Dadurch ist aber nicht verhindert worden, daß in der großen Hafenstadt Marseille der ganze Schiffsverkehr stockt und ganz Marseille und auch die anderen französischen Großstädte samt Paris über diesen so plötzlich ausgebrochenen Generalstreik der Seeleute der Handelsflotte ganz verblüfft sind. Ohne jeden Zweifel hat damit die sozialistische Partei in Frankreich eine außer ordentliche Kraftprobe gezeigt, und da man nicht annehmen kann, daß die französische Polizei die vielen Tausenden der streikenden Seeleute wegen Kontraklbruch verhasten und aburteilen lassen wird, so darf man sehr daraus ge spannt lein, ob dieser Generalstreik nur eine Demonstra tion der Seeleute von kurzer Dauer, oder eine Gewalt- maßregel zur möglichen Ertrotzung anderer Arbeitsbedin gungen für die Seeleute der Handelsflotte sein wird. In wieweit die Seeleute der übrigen französischen Häfen den Generalstreik beigetreten sind, ist auch noch nicht klar ge worden. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Feste begehen ist sonst nicht Sache der l. Begräbnisgesellschaft. Aber das Jahr ihres l 25jährigen Bestehens konnte sie doch nicht ungefeiert vorübergehen lassen. Auf Einladung waren am Montag, II. d. M., gegen 400 Personen im festlich geschmückten Schützenhaussaale erschienen, um sich an einem Konzert zu erfreuen, das durch die gütige Mitwirkung des Männer gesangvereins und seines gemischten Chores, der „Ein tracht", der Stadtkapelle und der Herren Oberpostassistent Lehmann, Lehrer Przioda, Kantor Schmidt und Musik direktor Jahn eine abwechslungsreiche, schöne Unter haltung bot. Nach den ersten Nummern des Programms begrüßte der Vorsteher, Herr Stadtkassierer Schubert, die Erschienenen, insbesondere Herrn strllvertr. Bürgermeister Stadtrat Reichel, die anwesenden Stadtverordneten und Herrn Superint. Hempel. In seiner Ansprache warf er einen dankbaren Rückblick auf die vergangenen 125 Jahre, in denen bei 1196 Sterbefällen 108 996 M. Begräbnis gelder ausgezahlt worden sind. Dann mahnte er zu einem ernsten Einblick, ob wir nicht in der Liebe immer inniger, in der Treue immer hingebender und in der Mitarbeit immer fleißiger sein könnten. Zuletzt blickte Redner frisch fröhlich in die Zukunft und ermunterte zur Weiterarbeit mit einem „Mutig vorwärts!" Am Schlüsse des Konzerts, das zum- Wohlgefallen der meist älteren Mitglieder bis über 11 Uhr andauerte, dankte der stellv. Vorsitzende, Herr Oberlehrer Buckel, den betr. Damen und Herren für freundliche Mitwirkung und gab bekannt, daß nun auch die Tanzlustigen zu ihrem Rechte kommen sollten. Bald füllte sich die Tanzfläche mit sich drehenden Paaren. Nun weiter auf die 150 los! — In der am 10. April abgehaltsnen Monatsver sammlung des hiesigen K. S. Militär Vereins gedachte der Vorsitzende des ersten deutschen Kanzlers, anknüpfend an dessen in den April jallenden Geburtstag, und verband damit eine Reihe von „Bismarck-Erinnerungen". Den Geburtstag des Königs beschloß der Verein am 22. Mai durch ein Sommerfest zu feiern. Das für den 12. Juni in Verbindung mit der Hauptbezirksversammlung geplante Scharfschießen wird nicht stattfinden, da cs an einem ge eigneten Schießstand für die vorhandenen Gewehre fehlt. — Heute, 13. April, beging Herr Lehrer Unger das Jubiläum seiner 25 jährigen Amtstätigkeit, und wurde er von Herrn Schuldirektor Ebert in Gegenwart des Lehrer kollegiums beglückwünscht uns mit einem Silberstock be schenkt. — Wenn in der letzten Stadtverordnetensitzung den Mitgliedern des Flurausschusses ans Herz gelegt wurde, für Erhaltung der Dornhecken und Sträucher an den Feldrändcrn städtischer Grundstücke im Interesse unsrer Vogclwelt cinzutreten und das oft wegen einer Handvoll Gras vorgenommene Abbrennen nach Kräften zu ver hindern, so sei diese Bitte hiermit an alle Feld- und Gartenbesitzer überhaupt gerichtet Die Hecken und Sträucher gewähren der kleinen Vogelwelt, wie schon hundertmal gesagt, die besten Nist- und Echutzplätzs. Abgesehen von dem großen Nutzen dieser Tierchen als Jnsektenvertilger gewähren sie dem Naturfreunde einen hohen Genuß, in dem sie Feld und Wald erst die rechte Stimmung geben. Man gehe in der Mittagshitze eines Hochsommertages ins Freie hinaus, wo die kleinen Vögel sich in schattige Winkel verkrochen haben und schweigen; welchen Eindruck macht die weite Flur auf uns? Den eines stillen Fried hofes! Wie anders am frühen Morgen, wo die kleine Vogelwelt sich regt. Alles ist Leben und wirkt belebend auch auf uns; und so soll es ,ein. Damst es aber so bleiben kann, nehmt den Tierchen ihre Zufluchtsorte nicht! — Von einem Botenfuhrmann ist am II. d. M. abends in der 11. Stunde in der Nähe der Teichmühle auf der Straße nach Dresden ein führerloses Pferd mit anhängendem Futtersack und Wagendeichsel angetrosfen und vorläufig in einem Gasthause untergebracht worden. Am nächsten Morgen ist weiter auf dem Waldwege von der Rabenauer Straße nach Oberhäslich ein zerbrochener Wagen mit verschiedenen Waren gefunden worden. Diese Anzeigen ließen darauf schließen, daß ein Unglücksfall vor gekommen ist An dem Wagen hatte das Schild Voigt länder aus Dresden gestanden. Der Besitzer hatte am I I. April abends in der 9. Stunde im Restaurant „zum Steinvruch" geschäftlich zu tun gehabt und sein Pferd während dieser Zeit gefüttert. Von hier aus war das Tier sortgelaufen. Der Eigentümer hatte die ganze Nacht nach seinem Geschirr gesucht, aber dasselbe nicht gefunden. Erst am nächsten Tage hat er sein Pferd, Wagen und seine Waren wieder erhalten. — Mittlere Niederschlagsmengen (mm oder l auf den qm) und deren Abweichungen von den Normalwerten in den uns benachbarten Flußgebieten, 1. Dekade April 1910; Vereinigte Weißeritz: beob. 3, norm. 15, Abwchg. —12; wilde Weißeritz: beob. 3, norm. 20, Abwchg. —17; rote Weißeritz: beob. 3, norm. 19, Abwchg. —16; Müglitz: beob. 2, norm. 19, Abwchg. —17. — Da die Cholera in Rußland nahezu erloschen zu sein scheint, sind die durch Verordnung vom 10. Juli 1909 vom Ministerium des Innern getrosfenrn Maßregeln wieder aufgehoben worden. — Reklamen statt des Poststempels. Der Kauf mann Johannes Heyn in Leipzig hat dem Staatssekretär Krätke den Vorschlag gemacht, bei den mit der Maschine hergestellten Abgangsstempeln auf Briefen, Postkarten usw. an Stelle der Striche Reklamen aller Art auf die Post sachen aufzustempeln. Da die Reichspojt jährlich 10 Milli arden bestelle, kämen 20 Milliarden Poststempel, Absen- dungs- w d Ankunftsstempel (die Heyn wieder eingeführt wissen will), in Betracht. Wenn jeder Reklamepoststempel mit 2 Pf. bezahlt würde, so ergäbe dies eine jährliche Einnahme von 400000 000 Mark. Wenn es auch nicht gleich gelingen würde, für alle Poststempel Reklame-Auf träge zu erhalten, so glaubt Heyn doch, den vierten Teil, gleich 100000000 Mark Aufträge in einigen Jahren pro Jahr der Post beschaffen zu können. Wie das „Leipziger Tageblatt" mitteilt, hat Siaatssekretär Krätke zunächst Ent» gegenkoinmcn gezeigt, dann aber Schwierigkeiten gemacht. Heyn will aber trotzdem von der Verwirklichung dieses Gedankens nicht ablassen und wendet sich deshalb an die Oeffentlichkeit. — Die Postagentur Bärenburg (Erzgeb.) wird am I. Mai wiedereröffnet und bis 10. Oktober in Tätigkeit bleiben. Reichstädt. Die hiesige Freiw. Feuerwehr gedenkt Sonntag, den 29. Mai d. I., ihr 25. Jubrlstiftungsfest zu feiern. Außer den Vertretern der Behörden werden die Mitbegründer der Wehr, die hiesigen Ortsoereine und die Bezirksverbandswehren eingeladen werden. Die Orts- bewohner aber werden gebeten, durch Schmückung der Häuser usw. dem Festorte einen besonderen Schmuck zu verleihen. Bärenstein. Am Sonnabend abend fand in Zilgers Restaurant die von 5 Arbeitgebern und 20 Arbeitnehmern besuchte ordentliche Generalversammlung der hiesigen Orts krankenkasse statt Die Rechnungslegung für 1909 ergab 7246,72 Mark Einnahme, 7035,— Mark Ausgabe und einen Gesamtoermögensbestand von 7103,42 Mark. Zur Unterhaltung der Gemeindediakonie wurde, wie bisher, ein Betrag von 30,— Mark für das laufende Jahr be willigt. Dresden, 12. April. Eine heute stattgehabte Ver sammlung des Arbeitgeberbundes für das Baugewerbe für Dresden beschluß einstimmig die Aussperrung der Arbeiter, welche Freitag abend 6 Uhr in Kraft tritt. Zur Unter stützung der Arbeitgeber haben verschiedene Konventionen beschlossen, die Materialsperre zu verhängen. , — Obermusikmeister Arnold vom Riesaer Artillerie- regiment Nr. 68 ist zum Obermusikmeister des 64. Artillerie regiments in Pirna ernannt worden. Leipzig. Infolge der Unsitte, Nadeln in den Mund zu nehmen, verschluckte ein 16 Jahre altes Dienstmädchen aus der Jägerstraße in Leipzig-Gohlis plötzlich acht Steck nadeln. Wegen der Schmerzen, die sich in der Magen gegend einstellten, mußte das unvorsichtige Mädchen ärzt» liche Hilfe in Anspruch nehmen. Olbernhau. Gestorben ist in seiner Gefängniszelle der wegen Brandstiftung in Untersuchungshaft genommene Gastwirt Neubert aus Hirschberg. Er erlitt einen Schlag anfall. Hohenstein-Ernstthal. Als Termin für die Feier des 400jährigen Stadtrechtsjubiläum ist der 20., 21. und 22. August d. I. bestimmt worden. Zur Vorbereitung der Feier ist aus Bürgern aller Stände ein größerer Aus schuß gebildet worden, dessen Vorsitz Herr Bürgermeister l)r. Patz führt. Glauchau. Sonnabend vormittag gingen auf dem Mühlberg die Pferde eines Ziegelfuhrwerks durch und rasten den Berg hinunter. An der Schloßmauer kippte der Wagen um, wodurch die Ziegel in eine Grube ge worfen wurden, wo sich der Arbeiter Schädlich befand und verschüttet wurde. Auch eins der Pferde und der Kutscher fielen in die Grube. Nur mit Mühe gelang es, die Verschütteten zu befreien. Der Kutscher kam mit leichten Verletzungen davon, während der Arbeiter Sch. so schwer verletzt wurde, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Ihm wurde der Brustkorb eingedrückt. Plauen i. V., 9. April. In der heutigen Sitzung des Kreisausschusses in Zwickau kam u. a. die Aufnahme einer Anleihe von 16 Mill. Mark der Stadtgemeinde Plauen für Gemeindezwecke zur Verhandlung. Obwohl der Referent anerkannte, daß der Rathausbau zu den un produktiven Ausgaben gehörte, die ein Ministerial-Erlaß nur in Dringlichkeitsfällen genehmigen will, wurden zunächst 3500000 Mark für den Rathausneubau in Plauen be willigt bezw. dem Ministerium zur Genehmigung emp fohlen. Ferner wurden dann 2 Millionen für Klärungs-