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Richard Strauß (1864-1949) Don Quichotte, Phantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters (frei nach Cervantes) „Don Quichotte. Phantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charak ters für großes Orchester“ nannte Richard Strauß sein am 29. 12. 1897 be endete« opus 35. Der Komponist war damals 33 Jahre alt. Als Operndrama tiker war er — außer „Guntram“ — noch nicht in Erscheinung getreten, doch innerhalb der programmatischen Orchestermusik hatte er sich eine ungewöhn liche Meisterschaft der virtuosen Instrumentierung angeeignet und (nach den vorausgegangenen sinfonischen Dichtungen „Don Juan“, „Tod und Verklärung“, „Till Eulenepiegel“ und „Also sprach Zarathustra“) eine Erfahrung, die kaum ein anderer Komponist seiner Zeit aufzuweisen hatte. Nach dem bekannten Roman des spanischen Dichters Cervantes schildert Strauß in 10 Variationen ungemein plastisch und bildhaft die Abenteuer des „Ritters von der traurigen Gestalt“. Das Solocello verkörpert die Titelfigur (1. Thema), während die Welt seines Schildknappen Sancho Pansa durch die Tenortuba, durch tiefe Holzbläser und die Solobratsche charakterisiert wird (2. Thema). In seiner Introduktion (Einleitung) erzählt der Komponist die Vorgeschichte der Handlung, schildert uns Eigenart und Wesen des Helden. In den folgenden 10 Variationen, die von einem nachdenklich-besinnlichen, leicht resignierenden Epilog beschlossen werden, erleben wir sehr eindringlich Don Quichottes Liehe zur „Dulcinea“, den Kampf gegen die Windmühlen und die (höchst naturialistisch) blökende Hammelherde. Eine Schar von Büßern wird von Don Quichotte für Räuber gehalten, zwei Mönche für Zauberer, er glaubt durch die Luft zu reiten, fällt ins Wasser», es geschehen aufregende Dinge. Bis zum letzten Zweikampf mit dem „Ritter vom blanken Mond“ bleibt Don Qirchotte stets der Unterlegene, der Genarrte, der sich aber nie entmutigen läßt, seine Ideen und Träume weiterhin zu verwirklichen. Während wir die Musik hören, sehen wir zugleich ein großes, farbig leuchten des Gemälde, erleben wir ein Stück Musik gewordene Weltliteratur, ein musi kalisches Meisterwerk der Jahrhundertwende, das wir auch heute, nach fast 60 Jahren, ob seiner spielerischen Eleganz und blendenden Virtuosität ehrlich bewundern. Frank Martin (geb. 1890) Konzert für sieben Bläser, Schlagzeug und Streicher Frank Martin, 1890 in Genf geboren, ist als Komponist verhältnismäßig spät bekannt geworden, nicht nur bei uns, sondern auch in der internationalen Musikwelt. Bewußt sind wir ihm und seiner Musik erst nach 1945 begegnet. So wenig Werke wir von ihm auch leider nur hören konnten, der Eindruck war fast ohne Ausnahme stark und nachhaltig. Das ist wohl nicht zufällig zu er wähnen, denn Martin gehört zu jenen Meistern, die streng, unerbittlich und verantwortungsbewußt an sich gearbeitet haben, die sich vor allem viel, viel Zeit genommen haben und ihr Werk in aller Stille reifen ließen. Martin ist ein Landsmann der französischen Schweiz, und so verstehen wir, daß das klangliche Element seiner Werke eine bedeutende Rolle in seinem Gesamt- schaffen spielt. In seiner Musik steht nie das Dogma einer bestimmten Kompo sitionstechnik im Vordergrund, sondern die starke Persönlichkeit des Koinpo-