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3. Aeiti-e M Wrißnltz - Mtmg. Nc. 143. Sonnabend, den 11. Dezember 1909. 75. Jchrgang. Lokales und Sächsisches. — Morgen Sonnabend findet der vom Vortrags- Institut „Orania" in Dresden veranstaltete Erperimen- tal-Bortrag in der Reichskrone statt. Der Besuch wird gewiß sehr zu empfehlen sein, auch machen wir Gewerbe vereinsmitglieder nochmals auf die ihnen dabei gewährte Preisermäßigung aufmerksam. — Nach einer längeren Pause wird der hiesige Wohl- tätigkeitsoerein „Sächsische Fechtschule" nächsten Sonntag im Saale der „Reichskrone" eine in musikalischen und gesanglichen Darbietungen, sowie in Theater und Ball bestehende öffentliche Aufführung veranstalten. Da der Reinertrag für hiesige würdige und bedürftige Arme als Weihnachtsgabe bestimmt ist, wünschen wir ein volles Haus. — Die Abholungsfrist für die vom Bezirksobstbau- verein seinen Mitgliedern überwiesenen Obstversandtkisten (Bekanntmachung in Nr. 132 der „Weißeritz-Ztg.") ist bis zum 15. Dezember d. I. verlängert worden. — Am Mittwoch, den 8. Dezember, abends gegen 8 Uhr, ist auf dem Markte Frau Selma Hulda Beyer aus Berreuth an Herzschlag plötzlich gestorben. — Wie vor einiger Zeit auch in dieser Zeitung aus- gesührt wurde, hat die Dresdner Eewerbekammer die Frage, ob auch Gehilfen nach Ablegung der Meisterprüfung den Meistertitel führen dürfen, verneint. Der Sekretär der Stettiner Handwerkskammer weist demgegenüber in dem „Pommerischen Handwerksblatte" darauf hin, daß nach der diesbezüglichen preußischen ministeriellen Ausführungs anweisung auch nichiselbständige Handwerker, die die Meisterprüfung bestanden und das 24. Lebensjahr zurück- gelegt haben, den Meistertitel führen dürfen. — Worte der Weisheit. Der Kaufmann, der mit Inserieren aushört, begeht geschäftlichen Selbstmord. — Zum Inserieren gehört Ausdauer, denn kein Baum fällt auf den ersten Hüb, und auch Rom ward nicht an einem Tage erbaut. — Wer sein Geschäft schnell und sicher ruinieren will, vermeide die Reklame. — Ist der Karren festgefahren, so muß das Pferd doppelt kräftig an ziehen, um ihn wieder flott zu machen; ist ein Geschäft zurückgegangen, so kann nur kräftige und ausdauernde Reklame es wieder in die Höhe bringen. — Die König!. Technische Hochschule zu Dresden hat im Wintersemester 1909/10 folgende Besuchszisfern zu verzeichnen: Hochbau-Abteilung 182 Studierende, 57 Zu hörer, zusammen 239 ,Hörer; Jngenieur-Abteilung: 173 Studierende, 26 Zuhörer, zusammen 199 Hörer; Mecha nische Abteilung: 237 Studierende, 25 Zuhörer, zusammen 262 Hörer; Chemische Abteilung 222 Studierende, 16 Zu hörer, zusammen 238 Hörer; Allgemeine Abteilung: 78 Studierende, 14 Zuhörer, zusammen 92 Hörer; also ins gesamt 892, Studierende, 138 Zuhörer, zusammen 1030 Hörer (darunter 7 Damen). Hierzu kommen Hospitanten für einzelne Fächer, zusammen 350 (darunter 204 Damen). Die Summe der Hörer beträgt daher 1380. Von den 1030 Studierenden und Zuhörern sind ihrer Nationalität nach 557 aus Sachsen, 230 aus den übrigen deutschen Bundesstaaten; 232 aus sonstigen europäischen Staaten (je 1 aus Belgien und Niederland, je 2 aus Griechenland, Großbritannien und Italien, je 3 aus Schweden, Serbien und Spanien, 5 aus Rumänien, 20 aus der Schweiz, 25 aus Bulgarien, 34 aus Norwegen, 36 aus Oesterreich- Ungarn, 95 aus Rußland mit Finnland), sowie 5 aus Amerika, 4 aus Asien und 2 aus Australien. — Der alte Eliaslriedhof, der im Innern Dresdens zwischen großen, modernen Bauten liegt, wird säkularisiert. Damit verschwindet auch das Grab der Gultel von Blase witz. Hohe Zypressen beschatten die malerische Ruhestätte. Eine schlichte Steinplatte weckt Erinnerungen: „FrauSenator Auguste Renner, geb. 1763, gest. 1856 in Dresden. Wie du geglaubt, so ist dir nun geschehen, wie du gehofft, so wandelst du im Licht, wie du geliebt, wirst du die Liebe schauen, wo Stern an Stern sich dir zum Kranze flicht". Die Frau Senator ist die Tochter der Schenkwirtin Segedin, wo Schiller, als er in den Jahren 1785 bis 1787 bei seinem Freunde, dem Rate Körner, lebte, oft zu Gaste war. Das schöne und heitere Mädchen verewigte er in „Wallensteins Lager". Die Frau Senator, die „Gustel von Blasewitz" war freilich über diese Ehrung wenig er baut und zürnte dem „ungalanten" Schiller. Und doch hat er ihrem Namen Unsterblichkeit verliehen. Altenberg. Das hiesige Hotel „ zur Post" ist zwangs- weise versteigert worden und wird nach den mit dem Er- steher getroffenen Vereinbarungen in den Besitz des Traiteurs Mar Oswald Henke, des jetzigen Inhabers der Alten Giöschelschen Weinstuben in Pirna übergehen. Geising-Altenberg, 9. Dezember. Der vormittags 6 Uhr 28 Min. von MUgeln bei Pirna nach Geising- Altenberg verkehrende Personenzug Nr. 5252 ist heute unweit der Station Hartmannmühle bei Geising im Schnee stecken geblieben. Gleichzeitig ist die Maschine des genannten Zuge» mit zwei Achsen entgleist. Infolgedessen kann der Verkehr während der Dauer der Betriebsstörung nur zwischen Mügeln und Lauenstein aufrecht erhalten werden. Possendorf. Der hiesige Frauenverein veranstaltet, wie alle Jahre, so auch am diesjährigen Weihnachtsseste eine Weihnachtsbescherung für würdige Arme in unserer Gemeinde. Auch der Nähverein, dem Damen von hier und aus den Nachbarorten angehören, rüstet sich zu einer Bescherung für Arme and Bedürftige der Parochie. Tagesgeschichte. — Elsaß-Lothringen behält seinen Statthalter, wobei es keinen Unterschied macht, ob dieser ein könig licher Prinz oder eine andere hervorragende Persönlichkeit ist. Dem auch von einigen Abgeordneten geteilten Wunsche der Reichsländer, Elsaß-Lothringen völlige Selbstständig, keit und eine Art republikanischer Verfassung zu geben, wird nicht entsprochen werden. Auch die Umwandlung der Reichslande in einen Bundesstaat ist vorläufig nicht zu erwarten. Roßbach bei Asch, 8. Dez. Im Ortsteile Schmalz- grübe hier hat ein großer Erdrutsch stattgefunden. Heute früh bildete sich längs des betreffenden Geländes ein etwa zwei Meter breiter, zum Teil beträchtlich tiefer Spalt und die Senkung der Bodenfläche dauert an. Die Erd spalte durchzieht Feirer und einen Wald, ist jedoch von Häusern weit abseits gelegen, sodaß in dieser Hinsicht keine Gefahr besteht. Ueber die Ursachen dieser Erdbewegung ist man sich noch immer nicht klar geworden. Bergbau ist in dieser Gegend, soweit bekannt, niemals betrieben worden. Der Hinweis, daß Roßbach in dem nordwest- böhmischcn Erdbebengebiete liegt, dürfte nicht von Belang sein, da hier seit einem Jahre kein Erdstoß mehr zu ver zeichnen gewesen ist. Pest, 9. Dezember. Nachdem Graf Zichy es abge lehnt hat, die Kabinettsbildung zu übernehmen, ist die Lage wieder verworrener geworden. Wekerle wird im Laufe des heutigen Tages sich nach Wien begeben, um dem Kaiser die Bildung eines farblosen Verwaltungs ministeriums und ein kurzfristiges Budgetprovisorium vor zuschlagen. Kattowktz. Der Regierungspräsident von Schwerin in Oppeln hat das Ersuchen der gemaßregelten Katto- witzer Lehrer um Zurücknahme der Versetzung abgelehnt, um ein Erempel zu statuieren. Durch Ministerialerlatz ist autzerdem die Versetzung einer großen Anzahl von Eisen bahnbeamten, die bei der letzten Kattowitzer Stadtverord netenwahl ebenfalls polnisch gewählt hatten, gleichfalls an geordnet worden. Frankreich. Auf eine eigentümliche Weise versucht das Syndikat der Pariser Spielwarenhändler die Nürn berger Spielwaren vom Pariser Weihnachtsmarkte zu ver drängen. Es hat nämlich beschlossen, jedem Inhaber einer Weihnachtsmarktbude, der nachweisen kann, daß sich unter seinen Waren keine aus deutschen Fabriken befinden, eine Prämie von 200 Frank zu zahlen. Für den Niedergang des Pariser Weihnachtsmarktes wird die deutsche Kon kurrenz verantwortlich gemacht, da angeblich die deutschen Spielzeugfabrikate bedeutend billiger sein sollen als die französischen. — Der bekannte Nationalist Deroulede hielt am Sonn tag anläßlich des Jahrestages der Schlacht von Champigny eine Ansprache, in der er hervorhob, Frankreich dürfe niemals auf die Wiedererlangung der verlorenen Provinzen verzichten. Es handle sich um die Ehre und die Inter essen Frankreichs. Auch dürfe es nicht zu einer Annähe rung zwischen Frankreich und Deutschland kommen, es sei denn bei einem bewaffneten Zusammenstoß. Inmitten der begeisterten Kundgebung der Volksmenge rief Deroulede: „Frankreich wird die verlorenen Provinzen wieder erobern!" Kopenbagen. Das Folkething hat, dem Antrag der Untersuchungskommission entsprechend, beschlossen, die früheren Minister Christensen und Berg vor das Reichs gericht zu stellen. Rußland. Im Hafen von Sebastopol wurden, wie der „Lokalanzeiger" meldet, vom Gehilfen des Marine ministers, Vizeadmiral Grigorowitsch, große Unterschlag ungen aufgedeckt. Petersburg, 9. Dez. In den Wandelgängen der Reichsduma war gestern das Gerücht verbreitet, auf der Kailerjacht „Standart" seien zwei Bomben gefunden und in Jalta und Kiew seien zahlreiche Verhaftungen vorge nommen worden. Adjda, 9. Dez. Wie die „Agence Havas" meldet, ist einem aus Eingeborenenkreisen stammenden Gerücht zu folge der Bruder des Suttans, Mulay Kebir, in Taza eingetrosfen und von der dortigen Bevölkerung, die immer mit den neuen Steuern unzufrieden war, zum Sultan aus gerufen worden. Literatur. f Zu allen Zeiten kam es den seefahrenden Nationen darauf an, möglichst kurze Verbindungswege zwischen dem Mutterlands und den Kolonien und Handelszentren der Welt aufzufinden und neue zu schaffen. Deshalb die ge waltigen Anstrengungen, natürliche Hindernisse, die sich einer solchen Kürzung entgegenstellen, mit allen nur denk baren Mitteln zu überwinden! Das zeigt in lehrreicher Darstellung im Dezemberheft der „Flotte" der Aufsatz von Paul Martell „Die Geschichte des Suezkanals". Von den verschiedenen Ansätzen, die unter den Pharaonen bereits begannen und unter den wechselnden Herrschern Egypten» sortgesührt wurden, bis zu der Vollendung des Durch stiches der Landenge von Suez unter Ferdinand von Lesseps, der in genialer Schaffenskraft alle Hindernisse überwand, erhalten wir ein fesselndes Bild über die un geheuere Bedeutung des Kanalwerkes. Das Bild einer Riesenarbeit entrollt sich dem Leser, die dann schließlich England fast mühelos in den Schoß fiel. Daneben ent hält die neue Nummer der „Flotte" den Schluß de» außerordentlich unterrichtenden Artikel» des Grasen zu Reoentlow: „Das internationale Seekriegsrecht nach der Londoner Deklaration", auf den wir neuerdings verweisen, und eine ungemein anschauliche Schilderung über „Weih nachten auf dem Auslandskreuzer" aus der Feder de» Marinepfarrer Weicker. Wie immer sorgt ein reicher Bilderschmuck für die Veranschaulichung der Aufsätze, der Stapellauf S. M. S. „Helgoland", von unserem neuesten Dreadnought-Typ, weist auf die Mitteilungen aus unserer Kriegsmarine hin, die in sachlicher Uebersicht von dem derzeitigen Stand unserer Kriegsflotte Ausschluß geben. Vermischtes. " Achtzehn Millionen Weihnachts-Knallbonbons. Vor 60 Jahren erfand der Konditor Tom Smith in Finsbury die Knallbonbons. Er steckte Bonbons und einen !mit einem Spruch bedeckten Streifen in eine Papierhülle, die beim Oeffnen einen lauten Knall ertönen lietz. Heute be sitzt der Sohn dieses einfachen Konditors ein Weltgeschäft, in dem Tausende von fleißigen Händen tätig sind, all jährlich über achtzehn Millionen Knallbonbons herzustellen, die England in der Weihnachtszeit braucht, denn die Abende vor Weihnachten sind in der englischen Familie ohne Knallbonbons nicht gut denkbar. Bei allerlei Kurz weil werden sie von den Familienmitgliedern geöffnet und auch Gesellschaften sind ohne sie unmöglich. Künstler, Zeichner und erfinderisch veranlagte Leute bemühen sich jahrüber, neue Arten von Knallbonbons zu erfinden und die Produkte vieler Kulturländer sind in den Bonbons al» Ueberraschungen vertreten. Japan liefert kleines Spiel zeug, Venedig Verzierungen aus Glas und Imitationen von Juwelen, während aus Holland Puppen, aus Italien Perlenschnüre, aus Amerika kleine Holzwaren und au» Deutschland allerlei Erzeugnisse der Buchdruckerkunst kommen. Die Herstellung eines Knallbonbons ist nicht so einfach, wie es scheint, und manche Arbeiterin hat Monate lernen müssen, um es schließlich so weit zu bringen, an einem Tage vier oder fünf große Knallbonbons fertigen zu können. Das bunte Papier muß zu Röhren gerollt werden, in diese muß der Knalleffekt, die Ueberraschungen und der Spruch kommen, dann muß das Ganze verschlossen und außen mit Franzen und bunten Bildern und dergleichen versehen werden. Neben den kleinen Knallbonbons — der kleinste ist kaum einen Zentimeter lang — werden auch Riesenknallbonbons gefertigt, die zur Erheiterung einer ganzen Gesellschaft dienen» und oft einen ganzen Meter lang sind. Sie enthalten*Masken zur Verkleidung der Festteilnehmer oder Musikinstrumente, Fächer und anderes. In den Knallbonbons dieses Jahres müssen natürlich Gegenstände, die aus die Entdeckung des Nordpols, den Kampf der Suffragetten, die Eroberung der Luft durch Luftschiff und Flugmalchine Bezug haben, enthalten sein. " Die 25-Pfennigstücke kommen jetzt ganz vereinzelt in die Hände glücklicher Besitzer. Als weiße Raben zeigt man sie von Hand zu Hand. Die vox populi geizt dabei nicht mit der Kritik, die diesen Treibhauspflanzen deutscher Münzstätten nicht zum Ruhm gereicht. Vor allem frappiert die Einmütigkeit in der Verurteilung des leichten Gewichts, der Größe, der Farbe, die nicht nach Nickel und nicht nach Eiker schillert, und sodann das fettige Anfühlen. Bean standet wird auch die wenig geschmackvolle „künstlerische" Seite, die Riesenzahl 25, umrahmt von agrarischen Emblemen, als ob man nicht wüßte, datz Deutschland ein Industriestaat vom reinsten Wasser geworden ist. Dieser unverfälschten Anschauung unserer Volkskreise gibt ein „alter Frankforder" in folgender Satire treffend Ausdruck: Des Finfundzwanzigpsennig-Stück, Des wo der Staat geschlage, Es leiht merr schwer, es leiht merr dick, Es leiht merr dies im Mage! Des Ding, wo uns der Staat bescheeri, Js kinstlerisch känn Pfennig wert. Un wär' ich net im Dalles, Ich nähm derr'sch net for alles! Guck ich des Stick dann werd'» merr schlecht, Ich krieh en Heideschrecke: Eh Handkäs, mit dem Ding geblecht, Mutz wie Salmiakgeist schmecke! Der äänz'ge Vorbei! is derr blotz: Es dhut derr des geschmacklos Oos — des muß der Neid em lasse — Zu unsrer Briefmark' passe! Daß in der Mitt dhut riesegrob E 25 stehe, I » etwa net kään Zufall bloß, Des haww ich eigesehe. Des soll bedeute, klar unn glatt: Der Kerl, wo de« geschafft hat So öd' un mir» un ranzig, Verdient halt finfunzwanzig!