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L. Seitazr Ml WcheH IM«ß Sonnabend, den 7. August 1909. Nr. 90. 78. Jahrgang. TS Sächsisches — In Wilsdruff liegt der Stab und das l. Detache ment vom Eisenbahn-Regiment in Berlin in Quartier.. Es kommen demnächst sechs ^kriegsstarke Kompanien vom Eisenbahnregiment und bauen eine 40 Kilometer lange Eisenbahn von Weißig bei Riesa bis Seeligstadt bei Wils- druff. Diese Eisenbahn soll bereits am 4. September zum Manöver befahren werden. Riesa. Die vor kurzer Zeit gegründete Spar- und Baugenossenschaft läßt jetzt, um der Wohnungsnot abzu helfen, auf dem Terrain zwischen Poppitzer- und Stand- feststraße 2 Häuser mit Wohnungen für je 6 und eine für 10 Familien errichten. Der Bau soll so gefördert werden, daß die Wohnungen am l. Januar 1910 bezogen werden können. Leipzig, 4 August. In dem Dorfe Prödel bei Gasch witz wurde heute früh in einer einsam am Walde ge legenen Villa der Oberregierungsrat bei der Leipziger Kreishauptmannschaft Freiherr v. Wöhrmann mit zer trümmertem Schädel tob aufgefunden. Als Mörder stellte sich freiwillig heute früh um 8 Uhr jbeim Eemeindeoorstand von Hartmannsdorf (einem Dorfe in der Nähe) der 20- jährige Zimmermann Georgi, ein im üblen Rufe stehen» der und mehrfach wegen Gewalttätigkeit vorbestrafter Mensch. Georgi ist der Sohn der Hausmannsleute, mit denen der Ermordete seine Billa zusammen bewohnte. Ueber die Motive zu dem Verbrechen ist noch nichts näheres bekannt, jedoch nimmt man Raubmord an. Der Mittäter schaft dringend verdächtig ist ein Landstreicher, dessen man noch nicht hat habhaft werden können. — Weiter wird über die Mordtat noch gemeldet: Als mutmatzlicher Mörder kam zunächst der Portier des Hauses in Betracht, der auch verhaftet wurde, aber sein Alibi nachweisen konnte. Seine Aufklärung fand das Verbrechen, als sich beim Gemeindevorstand im benachbarten Hart mannsdorf der Sohn Robert des Portiers Georgi meldete, der sich beschuldigte, den Oberregierungsrat v. Wöhrmann um l/2 5 Uhr früh ermordet zu haben. Der Gemeinde- vorstand, der von dem Morde noch keine Kenntnis hatte, hielt ihn für irrsinnig, telephonierte aber sofort nach Prödel, worauf sich der dortige Gemeindevorstand um 1/2 9 Uhr in die Wohnung des Oberregierungsrats begab und dort die schlimmsten Befürchtungen bestätigt fand. Der Er mordete scheint bei dem Eintritt des Täters, der nur einen Einbruchsdiebstahl geplant hatte, erwacht zu sein. Er wurde augenscheinlich erst nach heftigem Kampfe mit einem Knüppel erschlagen. Dem Mörder ist der Zutritt zu seiner Woh nung sehr leicht gewesen, da der Schlüssel immer an einem kleinen Partevesenster lag und jederzeit leicht erreicht werden konnte. Der junge Georgi hatte sich, nachdem er sich lange Zeit ohne Arbeit im Dogtlande Herumgetrieben hatte, von einem Gemeindevorstand das Geld zu seiner Heimreise geben lassen. Am Sonnabend war er nach Prödel zurückgekehrt. Der vogtländische Gemeindevorsteher verlangte nun das ausgelegte Geld in Höhe von 38 M. von der Gemeinde zurück, die s'ch die Kosten von Georgi ersetzen lassen wollte. Da der junge Georgi nicht wußte, wo er das Geld auftreiben sollte, schlich er sich in die Wohnung des Oberregierungsrates, um dort zu stehlen. Annaberg. Die schon über 400 Jahre alte privilc- gierte Freischützen-Kompagnie hat infolge der An» forderungen, die die Neuzeit an die Berkehrsverhältnisse stellt, ihr altes Schützenheim verlassen müssen und sich am Fuße des Pöhlberges, auf Kleinrückerswalder Flur, mit einem Aufwand von rund 70 000 Mark e'n neues Heim gegründet, das am Sonntag seine feierliche Weihe erhalten hat. Der Schießstand besteht aus 22 verschiedenen Ständen (Hasenstand, Pistolenstand, Jagdstand, Saustand, Feld- und Standscheiben). Zwickau. Eine neue Beamtengruppe, die der Wohlfahrtspolizei-Aufseher, ist bei der hiesigen Stadtver waltung errichtet worden. Diese Stelleninhaber werden zumeist zu gewerbepolizeilichen Revisionen verwendet. Zwickau i. Sa. Der in den landwirtschaftlichen Kreisen Sachsens hochangesehene Vorsitzende des „Klubs der Land wirte von Zwickau und Umgegend", Borslandsmitglied des. landwirtschaftlichen Kreisvereins im Erzgebirge, Ritter gutsbesitzer Gräßer auf Obermosel, hat sich durch einen Schuß in den Kopf zu töten versucht. Schwerverletzt wurde er in das Königliche Krankenjtift hier eingeliefert, wo er einer Operation unterzogen ward. Es besteht nicht viel Wahrscheinlichkeit, daß er mit dem Leben davon kommt. Ueber die Gründe für die Selbstmordabsicht ist Bestimmtes nicht bekannt. Wolkenstein. In der vorigen Ratssitzung wurde u. a. mitgeteilt, daß um die hiesige Stadtmusikdirektor stelle 47 Bewerbungsgesuche eingegangen sind. Plauen i. B. Unter der Anklage, sein einjähriges, uneheliches Söhnchen ermordet zu haben, stand der 24- jährige Wirtschaftsgehilfe F. Grimm aus Wolfpfütz i. V. vor den Geschworenen. Er hatte bei einem Besuche bei seiner Geliebten ihrem Kinde einen Teelöffel Lysol einge- flößt, wodurch der Tod des Kleinen herbeigeführt wurde. Grimm hatte zuvor bestritten, der Vater des Kindes zu sein, war aber zur Zahlung von Alimenten verurteilt worden. Als ihn seine Kameraden deshalb hänselten und in ihm den Argwohn erweckten, daß ein anderer der Vater gewesen sein könnte, beschloß er, sich und das Kind aus der Welt zu schaffen, und führte diesen Plan bei dem Kinde aus. Er wurde zu 4 Jahren 6 Monaten Gefäng nis verurteilt. Das Gericht hat Totschlag angenommen. Oelsnitz i. E. Ein Wasserwerk, dessen Kosten auf 800000 Mark veranschlagt sind, wird hier errichtet. Die Firma Ingenieur Jensen (Freiberg) führt die Arbeiten aus. Die Ouellsassungen sind beinahe beendet. Netzschkau. Unter Eisenbahnreisenden hat sich vielfach die Unsitte eingebürgert, Wagenabteile möglichst schwach j besetzen zu lassen. Um dies zu erreichen, werden bei den 1 Zugsaufenthalten die Fenster stark besetzt oder in Wagen ' 4. Klasse wird den Einsteigenden zugerufen, daß der Wagen voll besetzt ist. Daß dieses Beginnen leicht schlimme Folgen haben kann, beweist ein auf Haltestelle Limbach i. V. in der Nacht zum Sonntag vorgekommener, für den be teiligten Fahrgast noch glücklich verlaufener Fall. Eine aus Netzschkau gebürtige Handelsfrau mit dem Tragkorb auf dem Rücken war im Begriff, einen Wagen 4. Klasse zu betreten. Als sie die Tür öffnen wollte, wurde ihr von einem Mitreisenden zugerufen, daß die 4. Klasse voll besetzt sei. Dies veranlaßte hie Frau, umzukehren und in einen anderen. Wagen einzusteigen. Mittlerweise aber hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt. Bei dem Ver suche, in einen anderen Wagen zu'gelangen, fiel die Frau vom Zuge und kam zwischen die Schienen bez. zwischen äußere Schiene und Bordkante des Bahnsteiges zu liegen. Der nachfolgende Zugsteil ging über sie hinweg. Nur dem Umstande, daß sich die Frau duckte, ist es zuzu schreiben, daß ein Menschenleben erhalten blieb. Die bei dem Unfall erlittenen Verletzungen bestehen hauptsächlich in Hautabschürfungen und Quetschwunden. Die Kleider wurden allerdings arg zerrissen. Der Korb mit seinem Inhalt lag in Limbach zerstreut umher; er wird nach Aufnahme des Tatbestandes der Frau wieder zugestellt werden. Die Frau selbst war so erschrocken, daß sie wenig über den Unfall zu berichten weiß. Oftritz. Die Nonnenraupen sind im hiesigen Stadtwalde infolge der aufgetretenen Krankheiten im Verein mit den getroffenen Vorbeugungsmaßregeln beinahe ganz abgestorben und Verheerungen in diesem Sommer nicht mehr angerichtet worden. Der Stadtwald ist zirka 130 Scheffel groß, davon mußte ein Viertel des Bestandes in folge Kahlfraßes ganz abgeholzt und ein weiterer solcher Teil mußte oder wird noch einer Durchforstung unterzogen werden. Tagesgefchichte. — Graf Herbert von Einsiedel, Leutnant der Reserve des 1. Garde-Dragoner-Regiments, meldet von seiner Be sitzung Dreba im Kreise Rothenburg im schlesischen Bezirk Liegnitz aus die Geburt eines Töchterchens, das ihm seine Gemahlin, die Gräfin Irene von Einsiedel, geborene Gräfin Bismarck, geschenkt hat. Diese kleine, wenig be achtete Familienanzeige darf deshalb einiges Interesse be anspruchen, weil das Töchterchen, das dem Grafen und der Gräfin Einsiedel geboren wurde, das erste Urenkel- kind des Fürsten Otto von Bismarck, des unvergeßlichen größten Staatsmannes unseres deutschen Vaterlandes, ist. Die Gräfin Einsiedel ist in der Tat eine Enkelin Bismarcks, die zweite Tochter seines jüngeren Sohnes, des 1901 ver storbenen Grafen Wilhelm Bismarck, im Verwandten- und Freundeskreise „Bill" genannt, aus dessen Ehe mit seiner Kusine, der Gräsin Sibylle Bismarck, geborenen von Arnim aus dem Hause Kröchlendorff. So erscheint die Nachkommenschaft des Begründers der deutschen Einheit jetzt zum ersten Male in der dritten Generation, und dieser Anlaß mag dazu benützt werden, einen Ueberblick über alle Die zu geben, die von ihm in grader Linie ab stammen, Blut von seinem Blut in ihren Adern haben. Drei Kinder entsprossen dem Bunde Otto von Bismarcks mit Johanna von Puttkamer: zwei Söhne, Herbert und Wilhelm, und eine Tochter, Marie. Beide Söhne sanken bald nach ihrem großen Vater in der Blüte männlicher Kraft ins Grab: Herbert, der zweite Fürst von Bismarck, am 18. September 1904 zu Friedrichsruh, und Graf Wilhelm am 30. Mai 1901 in Varzin. Fürst Herbert hinterließ von seiner Gemahlin, der österreichischen Gräfin Marguerite Hoyos, fünf Kinder, zwei Töchter, Hannah und Goedela, und drei Söhne, Otto, Gottfried und Albrecht. Der älteste dieser Söhne trägt den glorreichsten Namen der deutschen Geschichte: er heißt Otto Fürst von Bismarck, ist gegenwärtig — am 25. September 1897 zu Schönhausen geboren — fast 12 Jahre alt und wird, zusammen mit seinen Geschwistern, unter der Aufsicht seiner außerordentlich klugen und gewissenhaften Mutter zu Friedrichsruh auf das sorgfältigste erzogen. Den Grafen Bill Bismarck überlebten vier Kinder: die Gräfinnen Hertha, Irene und Dorothee und ein einziger Sohn, Graf Nikolaus, der jetzt 13 Jahre zählt, Fideikommißherr auf Varzin und trotz seines jugendlichen Alters, Erb-Oberjäger- meister im Herzogtum Pommern ist. Die gegen den Willen der Mutter vollzogene Heirat der Gräfin Hertha Bismarck mit einem bürgerlichen Pfarrer, dem Sohne eines bescheidenen Berliner Handwerkers, erregte vor einigen Monaten lebhaftes Aussehen. Die Gräsin Irene ist seit einem Jahre mit dem Grafen Herbert Einsiedel vermählt, die Gräfin Dorothee noch nicht dem Backsischalter. ent ¬ wachsen. Bismarcks Tochter Marie war erst mit dem Grafen Wend zu Eulenburg verlobt, der Legationsrat lm Auswäriigen Amte und ein jüngerer Bruder des jetzigen Ober-Hofmarschalls und Hausministers August zu Eulen burg war. Graf Wend zu Eulenburg starb indessen, bevor er seine Braut zum Altar führen konnte, und die Gräfin Marie Bismarck heiratete am 6. November 1878 den Grafen Kuuo zu Rantzau, der ebenfalls in diplomatischen Diensten stand, zuletzt preußischer Gesandter in München war und jetzt als Wirklicher Geheimer Rat in Dobersdorf bei Kiel lebt. Er ist Vater von drei Söhnen, den Grafen Otto, Christian und Heinrich zu Rantzau, von denen der älteste und der jüngste Referendare sind, während der zweite nach Ablegung der ersten juristischen Prüfung zur militärischen Laufbahn übertrat und gegenwärtig Leutnant im 16. Dragoner-Regiment zu Lüneburg ist. Somit er gibt sich, daß lm ganzen 14 Nachkommen Otto von Btt- marcks am Leben sind, die sich auf drei Generationen ver teilen: nämlich eine Tochter, sieben Enkel, fünf Enkelinnen und eine Urenkelin. — Gegen den Zweisvrachen-Unterricht in Elsaß- Lothringen führt der in Paris lebende deutsche Schrift steller Karl Eugen Schmidt den durchschlagenden Grund an, daß die Franzosen in ihrem Lande anders verfahren. Er schreibt im „Tag": „Warum machen die Franzosen denn nicht den Anfang; warum geben sie nicht das gute Beispiel, um so die Nachbarn zur Nachahmung aufzu- muntern? In Frankreich darf der Franzose seinen Kindern auch keine anderen als französische Vornamen geben. Und hat man jemals, davon gehört, daß in den Distrikten an der Grenze die Elementarschulen zwei Sprachen lehren? Gibt man in Nizza, wo doch die Bevölkerung bei weitem italienischer ist als in Straßburg französisch, etwa italienischen Unterricht in der Volksschule? Lehrt man etwa Flämisch in den Elementarschulen von Dün kirchen, wo doch das Volk ganz genau die nämliche Sprache spricht wie in Brügge und Ostende? Lernen die kleinen Buben und Mädel in Perpignan und Biarritz Spanisch, in Nancy und Beifort Deutsch? Für alle diese Leute'ist doch die Kenntnis beider Sprachen ganz genau ebenso wichtig wie für die Bewohner des deutschen Reichs landes. Aber so etwas ist den Franzosen niemals einge fallen, und dadurch ist Frankreich ein einheitliches Land mit einer starken Zentralgewalt geworden." — Die Wirkung der Diamantenfunde in Deutsch-Süd westafrika ist ein Anziehen aller Preise im eigentlichen Diamantengebiet. In einem vom „Hannoverschen Courier" veröffentlichten Privatbriefe aus Lüderitzbucht heißt es: „Jetzt baut man hier schon dreistöckige Häuser, denn die Grundstückspreise sind kolossal gestiegen; es werden schon von 6 bis 85 Mark für einen Quadratmeter gezahlt. Die kolossale Bautätigkeit schraubt natürlich auch die Löhne fast ins Ungeheuere. Zimmerleute und Maurer bekommen täglich 16 bis 22 Mark bei neunstündiger Arbeitszeit. Das war den Herren noch nicht genug, denn sie beschlossen einen Streik (der erste in Deutsch-Südwest) und verlangten für Zimmerleute, Maurer und Tischler einen Normalsatz von 18 Mark, ganz egal, ob der Mann was taugt oder nicht. Sie haben tatsächlich eine Woche gestreikt, aber nichts erreicht, denn es kam genug fremder Zuzug aus der britischen Kapkolonie, namentlich schwarze Handwerker, die fürs halbe Geld arbeiten. . ." Oesterreich-Ungarn. Der böhmische Landtag soll am 27. September für drei Wochen einberufen werden. Be kanntlich haben die Deutschen erklärt, daß vor der Er füllung gewisser, ihrerseits gestellter nationaler Forderungen zum Schutze ihres Besitzstandes in Böhmen von einer Arbeitsfähigkeit des Landtages keine Rede sein wird. Serbien. Der oberste Gerichtshof hat ein aufsehen erregendes Urteil gefällt, dessen Spitze sich gegen König Peter und den vormaligen Kronprinzen Georg kehrt. Das sozialistische Blatt „Zvono" hatte schwere Anschuldigungen gegen den Prinzen Georg erhoben und war deshalb wegen Majestätsbeleidigung verboten worden. Auf Beschwerde beim Obersten Gerichtshof hat dieser sein Urteil dahin ge fällt, daß zu einem Verbot des Blattes kein Grund vor läge. König Peter habe der Erziehung des zukünftigen Herrschers von Serbien nicht die genügende Aufmerksam keit gewidmet, obwohl er dazu als Vater und als Regent verpflichtet gewesen wäre. Es sei Pflicht der Untertanen, den König durch die Presse auf seine Pflichten aufmerksam zu machen. Eingesandt. (Ohne Verantwortlichkeit der Redaktion.) Avenarius Carbolineum. Immer mehr bestätigen sich die Vorteile des Avenarius Carbolineum gegenüber anderen im Handel befindlichen Carbolineum-Sorten. Wer sein M dem echten (Avenarius) Carbolineum bestrichener Holzwerk genauer beobachtet, sich also die langandauernde Konservierung und die schöne rotbraune Farbe vor Augen führt, wird nur noch das seit mehr als 30 Jahren be währte Avenarius Carbolineum verlangen, das die Firma R. Avenarius L Co., Berlin, Stuttgart, Hamburg und Köln liefert und in hiesiger Gegend erhältlich ist bei Adolf Liebel, Baumaterialien, Dippoldiswalde, Hermann Lommatzsch, Drogerie, H. Krumpolt, Baumaterialien, Buschmühle.