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Der Marokkokrieg und die Revolution in Spanien. Die grotzen Verluste der Spanier in den fortgeletzten Kämpfen bei Melilla in Marokko gegen die Kabylen und die Notwendigkeit, ein gröbere« spanisches Heer schleunigst nach Marokko zu schicken, um die aufständischen Kabylen zurückzudrängen, hat das spanische Königreich in eine böse Situation gebracht. In ganz Spanien herrscht eine grobe Bewegung gegen den Krieg in Marokko und diese Be wegung kann schon in mehreren spanischen Städten als eine Revolution bezeichnet werden, denn in Barcelona, Muroia, Tarragona, Gerona und anderen spanischen Städten haben offene Demonstrationen auf Straßen und Plätzen gegen die Regierung stattgefunden und hinter dieser Bewegung stehen nicht nur die zahlreichen Anarchisten in Spanien, sondern auch die ganze republikanische Partei, die in Spanien noch sehr viele Anhänger besitzt. Auch ist es ein offenes Geheimnis, daß mehrere spanische Re gimenter sich geweigert haben, an dem Feldzuge in Marokko teilzunehmen. Die Versuche, durch Aufreiben der Eisenbahnschienen die Abfahrt der Militärzüge zu ver hindern, werden in Spanien fast überall fortgesetzt; es sind in Barcelona auch schon Bomben geworfen worden und Häuser in Barcelona und Pueblo in Brand gesteckt worden. In der Stadt Terrasa ist «in förmlicher Aufstand ausge brochen, bei welchem die Aufständischen mit der Polizei und der Bürgergarde gekämpft und mehrere Brücken zer stört haben. Man sieht aus dieser Bewegung, dab das spanische Königreich auf sehr schwachen Füßen steht, und dab'wahrscheinlich an Stelle de» bisherigen Ministeriums Maura eine Art Militärdiktatur eingeführt werden mutz, um in Spanien durch militärisch« Strenge und allgemeine Verhängung des Belagerungszustandes die Ordnung auf recht zu erhalten und der königlichen Regierung Achtung zu erzwingen. In mehreren spanischen Provinzen ist der Belagerungszustand auch schon verhängt worden. Es ist ja möglich, dab die ganze bisherige spanische Marokko- Politik von der Mehrheit de« spanischen Volkes für einen grotzen Fehler erachtet wird, da sie bisher Spanien nur Blut und Geld gekostet hat und schlieblich der eigentliche Linflutz Spaniens in Marokko doch nicht gehoben worden ist. Aber in dem gegenwärtigen Stadium kann Spanien nicht plötzlich seine Marokkopolilik ändern, zumal ja Spanien gar nicht mit d«m Sultan von Marokko Krieg führt, sondern der ganze Streit ist ja nur dadurch entstanden, datz die stets zu Aufständen und räuberischen Ueberfällen geneigten Kabylen in Marokko die spanischen Stellungen angegrisfen haben. Daraus geht auch klar hervor, datz die Macht d«» Sullanr in Marokko gegenüber den Kabylen- stämmrn noch eine sehr zweifelhafte ist, und datz die Kabylenstämm« wie überhaupt alle marokkanischen Stämme die Oberhoheit de» Sultan» immer nur soweit anerkennen, al» r» ihnen patzte Recht beschämend ist er übrigen» für dar spanische Nationalgesühl, dab die spanische Nation in ihrer Gesamtheit kein Verständnis dasür zu haben scheint, datz die Ehre Spanien» ein Einschreiten einer starken spanischen Streitmacht in Marokko erfordert, um den Kabylen eine Lektion zu geben und dirsrn die Lust zu nehmen, spanische Stellungen zu überfallen. Spanien scheint leider von Parteileidenschaften so auf dem politischen Gebiet« zerrüttet hu ftin, daß da» spanisch« Volk sich nicht m«hr recht alr «ine Nation fühlt, und di«r ist für die jetzige Regi«rung»form in Spanien seht schlimm Da« Königreich wird sich daher in Spanien nur dann gegen über der revolutionären Bewegung behaupten können, wenn sich die Regierung noch auf das stehende Heer ver lassen kann. Sollte die republikanische Partei in Spanien auch noch viel Anhang im Herre finden und die Kämpfe in Marokko nicht bald zu Gunsten Spaniens entschieden werden, so dürften die Tage de« Königtums in Spanien gezählt sein. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Morgen Dienstag, abends 7 Uhr, findet wieder ein Promenaden-Konzert an der Hohen- strotze statt. — Herr Oberamtsrichter vr. Grohmann ist vom Ur- laub zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder über nommen. — Am heutigen 2. August sind 40 Jahre verflossen, seit die Kunde von einer der furchtbarsten Grubenkata strophen, die unser Sachsen betroffen, in alle Welt hinaus drang. Auf den zu den Freiherrlich von Burgkschen Steinkohlenwerken gehörigen und mit einander verbundenen Schachtrevieren „Segen Gottes" und „Neue Hoffnung" unweit Niederhäßlich und Kleinnaundorf bei Potschappel hatten sich schlagende Wetter entzündet. 28 l Bergleute waren am Morgen zu ihrer schweren Arbeit eingefahren, 273 davon wurden als Leichen heraurgebracht, 140 waren bei dem Unglück sofort getötet worden, die übrigen er- litten, wie durch nachträgliche Untersuchung sestgestellt wurde, den langsamen Erstickungstod. Wendischcarsdorf. Die Zahl der Sommerfrischler nimmt bei uns von Jahr zu Jahr zu, es mögen etwa 50 bis 60 Personen hier weilen, die bei hiesigen Be wohnern bequeme Wohnung gefunden haben. Der nahe liegende herrliche Wald bietet den Sommergästen Gelegen heit zu ihrer Erholung und Kräftigung. Auch im Nachbar orte Großölsa sind die Sommerstischler ziemlich zahlreich eingekehrt. Die Witterung der vergangenen Woche konnte man freilich nicht als sommerliche bezeichnen, sie kug viel mehr einen recht herbstlichen Charakter an sich. Hoffent lich wird es bald besser! Wilmsdorf. An hiesiger Schule beginnen die drei wöchigen Sommerferien an 2. August, auf die Michaelisferien werden dann 21/2 Wochen kommen. Der immer wieder eintretende Regen ist der Roggenernte recht hinderlich. Während in früheren Jahren um diese Zeit schon ein Teil des Roggens eingeerntet war, kann unter den gegenwärtigen Witterungsverhältnissen kaum ein An fang gemacht werden. Recht anhallend warme Tage würden die Ernte bald in vollen Gang bringen. Dresden. Aus Anlatz der Jubelfeier der Universität in Leipzig errichtete die Stadt Dresden «ine Jubiläums- Stiftung, die au» l2 Freistellen besteht; sie wird verwaltet von der bei der Universität bestehenden Speiseanstall (Konvikt) und tritt vom l. Oktober d. I. ab unter der Bezeichnung „Dresdner Tisch" in Kraft An verfügbaren Mitteln hat der Rat pro Jahr 2800 bewilligt. — Da» Ministerium des Innern hat den Bau eines Krematoriums in Dresden genehmigt; der Bau wird sofort in Angriff genommen. — Au» einem eigentümlichen Grunde mutzte auf seine diesjährig« F«rienr«ise ein Beamter in Glauchau ver zichten. Der Mann nennt ein kleines Wohnhaus sein eigen, da» er vor geraumer Zeit durch «inen dortigen Malermeister hatte renovieren lassen. Trotz wiederholter Mahnung blieb er aber mit der Bezahlung hierfür — die Summe betrug etwa 300 Mark — im Rückstand. SS Ptz? eknmonatltch 2 Afa. Einzelne Nummern 10 Pfg. - M- Postan- statten, Postboten, sowie «nserrAustrLger nehmen Bestellungen an. Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. oder deren Raum berech net. Bekanntmachung«« auf der ersten Dette (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile SS bez. 30 Pfg. - TabellMisch« und komplizierte Inserat« mit entsprechendem Auf schlag. - Eingesandt; im redattionellen Telle, di« Spaltenzrlle 80 Pfg. Amtsblatt für die Königliche Amishauptmannschasi, das Königliche Amtsgericht und dm Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtsettige» ^Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land» und hauswirtschastlicher Monats-Vellage» Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmte« Lage« wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Irhne. — Druck und Verlag von Carl Jehns in Dippoldiswalde. Nr. 88. Dienstag, den 3. August 1969. 75. Jahrgang. ! Frau Fabrikbesitzer Lina verehl. Reimann in Schlottwitz beabsichtigt eine Ver änderung der Stauanlage insofern, alr da« in der Müglitz eingebaute Wehr mit einem S cm hohen Aufsatz versehen werden soll. In Gemäßheit § 17 der Reichsgewerbeordnung wkd dies mll der Aufforderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht auf be sonderen Privatrechts-Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, hier anzubringen. Dippoldiswalde, am 20 Juli 1909. 91 is^. Königliche Amtshauptmannschaft. Neuerding« ist der Ronnenfalter in großen Schwärmen in Teilen des hiesigen Lerwallungsbezirks ausgetreten, sodatz die Gefahr eines verheerenden Nonnrnstaßer be steht. Unter Hinweis auf das Gesetz vom 17. Juli 1876 und unter Bezugnahme auf die bei den Ortsbehörden befindlichen Belehrungen zur Bekämpfung der Nonne werden die Waldeigentümer angewiesen, insoweit es nicht bereits geschehen sein sollte, sofort die zur Abwehrung und Vertilgung des Insektes dienlichen Maßregeln, insbesondere Ablesen und Verbrennen, zu ergreifen. Dl« Ortspolizelbehörden wollen die energische Durchführung der Vertttgungsmaß- I regeln aufs sorgfältigste überwachen und etwaige Säumige unverzüglich hier zm An zeige bringen. 8990. Königliche Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, am 31. Juli 1909. Herr Freigutsbesitzer Friedrich Wilhelm Allrich in Wendischkarsdorf ist zum stell-, vertretenden Kassierer der Berbandssparkasse zu Possendorf gewählt und von der König lichen Amtshauptmannschast bestätigt worden, was gemäß 8 7 der revidierten Statuten für die Sparkasse zu Possendorf vom 1. Oktober 1903 bekannt gemacht wird. Königlich« Amtshauptmannschast Dippoldirwald«, am 29. Juli 1909. Holztest« im Bövchea betreffend. Dienstag dis mit Freitag dieser Woche, von früh 8 bis nachmittag« 5 Ahr, ist das Holzlesen im Bödchen in den vom Stadtförster Herrn Schieritz anzuwrisenden Par zellen für hiesig« Einwohner nochmal« freigegrben. Dippoldiswalde. Der Forst- and Flur-Ausschuß. Auch im Klagewege war kein Geld von ihm zu erlangen, da verfiel der Malermeister auf eine schlaue Idee, um zu seinem Geld« zu kommen. Er hörte, daß sein Schuldner die Absicht hatte, eine größere Ferienreise zu unternehmen, und faßte daraufhin seinen Plan. Als der Beamte, aus gerüstet mit Touristenanzug und Bergstock, auf dem Bahn hof stand und des Zuges harrte, erschien plötzlich der — Gerichtsvollzieher und forderte ihn ebenso liebenswürdig wie dringend auf, seine Schuld zu bezahlen. Was blieb dem so Ueberraschten weiter übrig, al» seine Geldbörse zu ziehen und sie um die genannte Summe zu erleichtern, die durch die Kosten des Mahnverfahrens natürlich noch bedeutend angewachsen war. Die Ferienreise wurde nun zu Wasser, da die verfügbaren Mittel erschöpft waren. Der Meister mit dem Pinsel aber lachte sich in» Fäustchen, denn er hat nun endlich sein Geld und wird nicht ver fehlen, das von ihm gebrauchte Mittel allen säumigen Zahlern gegenüber zur Anwendung zu empfehlen. Freiberg. Im benachbarten Hilbersdorf wurde Donnerstag nachmittag gegen 4 Uhr ein Kirchenräuber auf frischer Tat festgenommen. Von Kindern war dem Gemeindevorstand mitgeteilt worden, daß in der Kirche ein fremder Mann sei. Als nun der Gemeindeoorstand die Kirche betrat, ergriff der Unbekannte, der die Opfer büchsen erbrochen hatte, die Flucht. Er wurde aber er griffen und nun stellte sich heraus, daß der Einbrecher drr noch nicht 18 Jahre alte Schuhmachergeselle Grumpelt aus Dresden war. Dem Gendarm gestand Grumpelt dann zu, daß er in den letzten Tagen in der Freiberger Gegend nicht weniger als acht Einbruchsdiebstähle verübt hat, dar unter auch Einbrüche in eine Freiberger und in die Conrads- dorfer Kirche. Die übrigen Einbrüche hatte Grumpelt in Bauerngehösten verübt, wobei er sich vorher erst verge wissert hatte, daß die Bewohner auf dem Felde arbeiteten. Der jugendliche Einbrecher befindet sich jetzt im Unter suchungsgefängnis des hiesigen Landgerichts. Meißen, 31. Juli. Der Trinkspruch, den König Friedrich August auf dem Festmahl in der Albrechtsburg ausbrachte, hatte folgenden Wortlaut: Am Schlüsse der für alle Teilnehmer unvergeßlichen Festtage habe ich Sie alle hierher gebeten, um in meinem alten Ahnenschlosse noch einmal aller Tage zu gedenken. Zweimal war die Universität schon hier, vertrieben durch mißliche Verhält nisse aus Leipzig. Daß wir heute unserem Feste hier einen würdigen Abschluß geben, ist deshalb um so erfreu licher. Daher fordere ich Sie auf, auch hier im alten Schlosse, wie so ost in diesen Tagen zu rufen: slma mstcr lipsiensis vivst, crescat, florist! Döbeln. Am Mittwoch nachmittag bemerkte der Schutzmann Seifert «inen Stallschwelzer aus Zweinig, welcher, da er etwa» auf dem Kerbholze hatte, polizeilich gesucht wurde. Der Schutzmann schritt sofort — es war auf der Oberbrücke — zur Verhaftung des Schweizer», bekam diesen auch glücklich zu fassen, als der Schweizer sich losreißen wollte und Seifert hierbei in den Daumen biß. Der Schutzmann mußte loslassen und der Verfolgte sprang sofort mit einem kühnen Satz in die Mulde. Er schwamm bis zur Biegung gegenüber dem „Sonnengarten" und stellte sich dann auf eine ins Wasser führende Treppe. Drr inzwischen herbeigerufene Wachtmeister Götze besetzte alsbald mit vier Schutzleuten die beiden Ufer, doch jedes mal, wenn der Ausreißer gefaßt werden sollte, sprang er in» Wasser zurück. Al» die Schutzleute sich anschickten, ihm auch hier zu folgen, gab der Schweizer endlich da» Nutz lose seiner Flucht auf und stellte sich. Nur mit der Hose