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756 Nr. 10. STAHL UND EISEN.“ October 1887. Sparta und Corinth, den herrschenden Mittelpunkten der Macht und Kunst, von grofsen Unternehmern ein fabrikmäfsiger Betrieb durch Sklaven eingerichtet wurde. Eingehendere Mittheilungen über die Verwendung von Eisen und Stahl zu Constructionen, besonders zu Maschinen für die Zwecke des Krieges, haben Heron und Philon hinterlassen, beide Schüler des berühmten Ktesibios aus Alexandria, des Erfinders zahlreicher pneumatischer und hydraulischer Maschinen. Heron zählt einmal bei Beschreibung eines Windgeschützes alle eisernen Theile desselben, Zapfen, Lager, Drücker, Riegel, Zahnstange und Sperrklinke gewissenhaft auf und sagt z. B. an anderer Stelle von dem Bolzen zum Anziehen der Sehne eines Torsions-Geschosses: „Der Spann bolzen wird aus reinem Eisen gemacht und in der Schmiede sorgfältig bearbeitet, damit er die ganze Ge walt des Geschützes aushalten könne.“ Noch ausführlicher sind die Mittheilungen Philons aus Byzanz, der im Dienste der Ptolemäer stand, welche sich die Verbesserung der Kriegsmaschinen sehr ange legen sein liefsen. Philon begründet eingehend die Wichtigkeit von Eisen und Stahl für derartige Con structionen , indem er dabei die grofse Elasticität und Festigkeit dieser Materialien gebührend in das Licht stellt und dabei auch klarer und ausführlicher als jeder andere Schriftsteller des Alterthums die Natur, Behand lung und Verarbeitung von Bronze und Eisen ausein andersetzt. Die leider nur in Bruchstücken erhaltenen metallurgischen Schriften des grofsen Aristoteles und seines Freundes Theophrast (geb. 370 v. Chr.), ein Schüler Platos, erscheinen gegenüber denjenigen Philons unbedeutend. Die wichtigste Stelle im Aristoteles handelt von der Eisengewinnung der Chalyber und von Theophrast erfahren wir, dafs die Griechen nicht allein Steinkohlen beim Eisenschmieden gebrauchten, sondern das Brennmaterial auch schon zu verkoken verstanden. Andere metallurgische Schriften: Eine Abhandlung des Strato über Maschinenwesen und Scheidungsmittel, und ein Werk des Polybios über den spanischen Bergbau sind leider verloren gegangen. Weitere Aufschlüsse über Einzelheiten der griechi schen Metallbereitung, namentlich über die Formen der Handwerksgeräthe, als Hämmer, Ambose, Zangen, Aexte, Beile u. s. w. geben die Abbildungen auf den erhaltenen griechischen Denkmälern und Alterthumsfunde. * * * In ähnlicher Weise wie bei den Griechen hat das Eisen bei dem Volke der Etrusker, das, wie erwähnt, nach einer altägyptischen Inschrift schon um 1500 v. Chr. unter dem Namen der „Tursi“ als beutelustiges Seeräubervolk mit Griechen und Kleinasiaten in Ver bindung stand, frühe allgemeine Verwendung gefunden. Das beweisen die aus alten Grabstätten Italiens bei Bologna, Marzobotto, la Certosa, Corneto, Vulci und anderen Orten an das Tageslicht geförderten Ueberreste von eisernen Waffen und Geräthen aus der Zeit der etruskischen Herrschaft. Die bei Bologna aufgefundenen Schaftkelte und Speerspitzen sind die ältesten eisernen Fundstücke in Europa überhaupt. Graf Gozzadini ent nahm sie nebst zahlreichen Bronze-Schmucksachen im Jahre 1853 auf seinem Landgute Villanova aus Gräbern, die nachweislich aus dem 9. oder 10. Jahrhundert v. Chr. stammen. Um diese Zeit grenzten an das Gebiet der Etrusker (auch Tyrrhener, Tursenen und Tusker ge nannt) bereits die phönizischen Colonieen an den Mün dungen des Po; auch hatten sich innerhalb der Grenzen des etruskischen Besitzes (im 11. Jahrhundert v. Chr.) schon Griechen niedergelassen. Daraus läfst es sich zum Theil erklären, warum viele der aufgefundenen Ueberreste etruskischer Kunst ein orientalisch-griechisches Gepräge zeigen. Die Funde von Corneto und Vulci bieten besonderes Interesse, weil sie uns in dramatischer Weise die Vergänglichkeit des Eisens vor die Augen führen. Als Avolta im Jahre 1823 in die Abschlufs-Platte eines von ihm durch Zufall entdeckten Grabes in Cor neto eine Oeffnung brach und hinein schaute, sah er, ausgestreckt auf einem Felsenlager, einen Krieger liegen und wenige Minuten darauf unter seinen Augen gleich sam verschwinden, denn sowie die Luft eindrang, zer fiel die ganz und gar verrostete Rüstung in kleine Stücke. Auf dem Lager ruhten neben dem Krieger eine Lanze und 8 Wurfspiefse, zu einer Masse zusammen gerostet, welche, als man sie wegzunehmen versuchte, ebenfalls in Stücke zerfielen.* In Vulci fand man im Jahre 1835 das Skelett eines Kriegers, mit dem Helm auf dem Kopfe, einen Ring am Finger und einer verworrenen Masse von zerbroche nen und verrosteten Waffen zu seinen Füfsen, auf dem Boden einer Grabkammer hingestreckt, und an einem fast gänzlich verrosteten Nagel der Grabmauer hängend, einen grofsen mit Holz gefütterten Bronzeschild. Man geht daher sicher nicht fehl, wenn man die in Hinblick auf massenhafte Bronzefunde nur geringe Zahl der etrurischen Eisenfunde in Zusammenhang mit der starken Vergänglichkeit des Eisens bringt Andere Ueberreste der etruskischen Kunst auf den Gebieten der Keramik, Malerei und Metallverarbeitung lassen heute noch erkennen, wie wohlverdient der Ruhm war, den die etrurische Bildnerei in der gesammten klassischen Welt davontrug. Die Thonbildnerei führte das industriöse Volk schon frühe auf die Kunst des Schmiedens und Treibens der Metalle und zum Bronze- gufs. Stoff zu ihren Kunstwerken boten im eigenen Lande das Eisen von Elba, das Kupfer von Kampanien und Voltaterrä, das Silber von Populonia und Montieri und was noch fehlte, u. A. auch Zinn und Bernstein, holte die mächtige Flotte ihrer Kauffahrer, meistens gegen Austausch heimischer Waaren aus Thon oder Metall selbst von den entlegensten Ländern. Etrurische Bildwerke waren, wie Plinius schreibt, ..über alle Länder zerstreut“.** Getriebene Schalen und Kandelaber, auch gegossene Standbilder, welche in etrurischen Städten zuweilen zu Tausenden angehäuft lagen,*** waren selbst bei den feinsinnigen Griechen, die sonst dem Volke der tyrrhenischen Seeräuber lieber die Thüren verschlossen hätten, ein viel begehrter Artikel. Wie auf dem Gebiete der Kunst, so wuchsen die Etrusker auch auf dem Felde der Politik frühe zum herrschenden Volke in Italien heran. Zur Zeit der römischen Könige (im 7. und 6. Jahrh.) stand Etrurien auf dem Gipfel der Macht und Kunst. Eifersüchtig wachte es an den Grenzen Roms, dessen Gebiet an Metallen ganz arm war, und hielt es in bezug auf die Waffenzufuhr in steter Abhängigkeit Servius Tullius, römischer König etruskischen Stammes, führte zwar (577 — 534) die heimische Kriegsausrüstung bei den Römern ein, aber bald darauf (507), kurz nach der Gründung der römischen Republik, schrieb der Etrusker- fürst Porsenna den Besiegten vor, dafs sie sich in Zu kunft des Eisens nur zu Geräthen des Ackerbaues zu bedienen hätten.**** Selbst in späterer Zeit, als die etrus kische Herrschaft unter dem Ansturm der Gallier und Samniter ihrem Ende nahe gebracht wurde, mufs der Mangel an Metall und brauchbaren Waffen der aufstre benden jungen römischen Republik ein starker Hemm schuh gewesen sein. Wie hätten die römischen Krieger sonst noch um 390 v. Chr. die goldenen Ketten und Gehänge der Horden des Brennus und deren mangel hafte eisernen Waffen bewundern können? Nach der Unterwerfung Etruriens (300) und wäh rend der beiden ersten punischen Kriege (264 — 202) änderte sich die Sachlage zusehends. Als „Beute des * Dennis: DieStädteund BegräbnifsplätzeEtruriens, deutsch von Meifsner. S. 238 und 249. ** XXXIV. 16. *** Daselbst. **** Plinius. XXXIV. 39, 1.