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December 1887. „STAHL UNI) EISEN.“ "Nr. 12. 879 betont, dafs Ueberstunden oder Nachtarbeit in der Woche nur auf Kosten der Gesundheit der Arbeiter eingeführt werden könnten. Die Handelskammer Köln glaubt, dafs die Möglichkeit zwar nicht ausgeschlossen sei, dafs der Wegfall der Sonntagsarbeit für die Arbeiter auch günstige Wirkungen hätte; Vortheile würden jedoch nur in dem Falle eintreten, dafs die frei gewordene Zeit in zweckmäfsiger Weise, sei es zur Fortbildung oder zu Arbeiten für häusliche Zwecke, verwendet werde, während dann, wenn die Zeit lediglich dem Vergnügen, insbesondere dem Wirthshausbesuch, gewidmet werde, den materiellen Nachtheilen jener Neuerung auch sitt liche sich beigesellen würden. Entgegen den bisher erörterten Anschauungen gehen andere Aeufserungen dahin, dafs eine Lohnminderung für die Arbeiter nicht ein treten, sondern unter Umständen der Lohn sogar steigen würde ; namentlich wird Ersteres hinsicht lich des Handwerks von mehreren Vereinen und Krankenkassen behauptet, zum Theil unter Hin weis darauf, dafs die Sonntagsarbeit, wenigstens bei Wochenlohn, doch nicht besonders vergütet werde, dafs die Arbeiter das am Sonntag Ver diente ebenso rasch wieder ausgäben und geneigt seien, zum Ersatz für die fehlende Sonntagsruhe am Montag die Arbeit zu versäumen, dafs durch Ueberstunden in der Woche sich der Ausfall aus gleichen liefse, oder endlich, dafs infolge der Erholung die Leistungsfähigkeit des Arbeiters in der Woche steige. Ein Verbot werde, wie zwei Hülfskassen bemerken, nur gute Folgen haben; Aber auch von solchen, welche eine mehr oder weniger bedeutende Lohnminderung erwarten, insbesondere von einigen sächsischen Geistlichen, wird betont, dafs dieser Nachtheil durch Vor theile der verschiedensten Art aufgewogen würde. Der Arbeiter selbst würde in gesundheitlicher Beziehung gewinnen, seine Arbeitskraft nicht so rasch verzehrt werden, er selbst Krankheiten und frühem Tode weniger ausgesetzt sein; in wirth- schaftlicher und sittlicher Beziehung hätte das Verbot eine Steigerung der Leistungsfähigkeit, eine Beschränkung des „blauen Montags“ und eine Verminderung der Geldverschwendung und Genufssucht zur Folge, denn gerade der Sonntags verdienst werde erfahrungsmäfsig häufig imBrannt- weingenufs wieder vergeudet; in religiöser Hin sicht würden dem Arbeiter durch die Möglichkeit des Besuchs der Kirche unbezahlbare Vortheile erwachsen; er werde zufriedener, freudiger und dankbarer werden. Auch das Familienleben werde eine wesentliche Besserung erfahren; Ar beiter, die oft die ganze Woche von ihren Familien fern gehalten seien, hätten mehr Gelegenheit, die Erziehung ihrer Kinder im Auge zu behalten und für die Erhaltung des Hausstands Sorge zu tragen; Ordnung, Sauberkeit und Eintracht werde wieder in der Familie des Arbeiters einkehren. Der Gesammtheit endlich werde ein Verbot durch die Beschränkung der Ueberproduction und durch die Abnahme der übermäfsigen, ungesunden und das Volk zerrüttenden Vergnügungssucht zu gute kommen; das Volk werde mehr und mehr nach den höheren, bleibenden Gütern verlangen und streben. Zur Frage der Durchführbarkeit eines Verbots der Sonntagsarbeit wird von den ein zelnen Vereinen u. s. w. folgende Stellung einge nommen: Ein Gewerbeverein, eine Innung, ein Geist licher und Schuldirector im Königreich Sachsen, ein Gewerbeverein und 21 Krankenkassen in Hessen, sowie der katholische Gesellenverein zu Duisburg (Regierungsbezirk Düsseldorf) erklären ein Verbot für unbeschränkt durchführbar; der letztere Verein bemerkt: „Durch das generelle strenge Verbot der Sonntagsarbeit würde ein Hauptanlafs zu derselben, nämlich die Rücksicht auf das Publikum in Verbindung mit dem Mangel an einer einheitlichen Stellungnahme gegenüber demselben seitens der Handwerker, vollständig beseitigt werden. Wir würden das Verbot der Arbeit an den Sonntagen mit Freuden begrüfsen und überdies es sehr gerne sehen, wenn dieses Verbot auch auf die kirchlichen Feiertage aus gedehnt würde.“ Dagegen erachten der Centralverband deutscher Industrieller, der Verein deutscher Eisenhütten leute, der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, der Verein der Industriellen des Re gierungsbezirks Köln, der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen der Saarindustrie, 35 Handels- und Gewerbekammern, eine Handelsgenossenschaft, 6 Handelsvereine, 61 Gewerbevereine, 33 Krankenkassen, 1 Ge werbegericht, 2 Fabricantenvereine, 5 Handwerker vereine, 2 katholische kaufmännische Vereine, 2 Arbeiter-Fortbildungsvereine, 1 Fachverein, 5 Geist liche, 3 Lehrer und eine Resolution von 15 Ar beitgebern und 12 Arbeitnehmern ein beschränk- tes Verbot für durchführbar. Die meisten dieser Vereine u. s. w. halten den § 105 der Gewerbe ordnung, beziehungsweise die für ihr Gebiet be stehenden landesrechtlichen Bestimmungen, zur Wahrung der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitern für ausreichend. Für die Aufrecht haltung der reichsgesetzlichen Vorschrift sprechen sich insbesondere die Handels- und Gewerbe kammern Kottbus, Barmen, Köln, Heidenheim, Freiburg i. B., Lahr, Darmstadt, Mainz, Meiningen, Strafsburg i. E., sowie der Arbeiterfortbildungs verein zu Kassel aus. „Durch ein staatliches Verbot den Arbeiter hindern zu wollen,“ sagt die Handelskammer Heidenheim (Württemberg), „aus seiner Arbeitskraft den höchst möglichen Nutzen zu ziehen, halten wir für einen Eingriff in die Erwerbsfreiheit desselben, zu welchem es X1I.7 7*