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und nirgends in einer, die materielle oder sittliche Wohlfahrt der Arbeiter gefährdenden Weise vor.“ In Strafsburg i. E. „constatirt“ die Handelskam mer „mit Freude, dafs in ihrem Bezirk die Sonn- und Feiertagsheiligung in dem Mafse der Mög lichkeit beobachtet wird, dafs keine Ausschreitung besteht, dafs nirgends eine übermäfsige Anstren gung seiner Kraft verlangt wird “ . . . , Bei dem Vergleich der gegenwärtigen Lage mit jener vor 30 oder 40 Jahren erkennt man mit Genugthuung, dafs die Sonntagsfeier besser beobachtet wird, als damals; diese erfreuliche Wendung ist aber nicht etwa irgend einer Mafsregel des Gesetzgebers zu danken, sondern die Ehre gebührt dafür der Initiative der Industriellen und der Kaufleute, und wird immer mehr zur Sitte.“ Die Handelskam mer in Gassei erwähnt, dafs in einigen Etablisse ments, um die Arbeit an Sonntagen möglichst zu beschränken, am Sonnabend eine Stunde früher geschlossen werde, welche Zeit dann ebenfalls den Reparatur- und Reinigungsarbeiten gewidmet sei. Der Vorstand der Krankenkasse für den Kreis Erfurt giebt an: „Nebenbei ist noch zu bemerken, dafs bei uns die Geschäfte nicht so floriren, dafs der Arbeiter mit Sonntagsarbeit überbürdet würde; diese Arbeit beschränkt sich vielmehr im grofsen und ganzen auf die Beauf sichtigung und Reinigung der Maschinen, und es wird hierbei mit den Arbeitern gewechselt, so dafs denjenigen Arbeitern, welche den Sonntag frei haben wollen, dies ermöglicht ist.“ Von verschiedenen Seiten wird darauf hinge wiesen, dafs die Sonntagsarbeit schon deshalb möglichst beschränkt werde, weil sie in der Regel minderwerthig sei und theurer bezahlt werden müsse. „Wer einigermafsen mit den thatsäch- liehen Verhältnissen der Industrie vertraut ist,“ äufsert der Central verband deutscher Industrieller, „weifs, dafs gerade die Sonntagsarbeit bei Unter nehmern und Aufsichtsbeamten unbeliebt ist, dafs sie unwirthschaftlich und theuer ist, und dafs das Arbeitstempo selbst bei sonst fleifsigen Arbeitern des Sonntags sich verlangsamt, weil es der mensch lichen Natur gewissermafsen angeboren ist, des Sonntags zu feiern und nur im Nothfall zu arbeiten. “ Die Handelskammer Braunschweig berichtet: „Uebrigens wird jeder Betriebsunternehmer soviel wie irgend möglich im eigenen Interesse die Sonn tagsarbeit, wie die verlängerte Arbeitszeit umgehen, da dieselbe zum Theil durch Extralohnerhöhung vertheuert und erfahrungsgemäfs nie mit gleichem Eifer und mit gleicher Anstrengung der Kräfte seitens der Arbeiter ausgeführt wird, wie die normale Arbeit.“ Hierüber, sowie über die Stel lung des Arbeiters überhaupt verbreitet sich die Handelskammer zu Hannover, indem sie ausführt: „Abgesehen davon, dafs die Sonntagsarbeit erfah rungsgemäfs schlechter und theurer ist, als die der Werktage (nach dem Tarif für die Buchdrucker z. B. wird Sonntagsarbeit doppelt so theuer bezahlt als Werktagsarbeit) und deshalb jeder Industrielle sie nach Möglichkeit von selbst vermeiden wird, hat derselbe aber auch in seinem eigenen wohlverstan denen Interesse der Zeitströmung und dem leider so wie so schon genügend gespannten Verhältnifs zwischen sich und Arbeitern Rechnung zu tragen. Es ist eine vielfach verbreitete, unseres Dafür haltens aber völlig unberechtigte Ansicht, als be fände sich der Arbeiter noch heutzutage in einem derart sklavischen Verhältnifs zum Arbeitgeber, dafs er Alles thun müsse, was dieser etwa gebie ten möchte. Die Nachfrage nach Arbeitern fast innerhalb eines jeden Industriezweigs, oder auch ganz im allgemeinen, ist aber so grofs und in folge der so sehr erweiterten und ausgebildeten Verkehrsverhältnisse die Möglichkeit, überall Ar beit zu finden, so sehr erleichtert, dafs der Ar beiter unabhängiger vom Arbeitgeber ist, als um gekehrt, des Drucks der öffentlichen Meinung auf lezteren nicht zu gedenken.“ Gegentheilige Ansichten allgemeiner Art über das Vorkommen der Sonntagsarbeit liegen aus dem Königreich Sachsen vor, und zwar zu nächst in einer Aeufserung des Superintendenten von Glauchau, welcher sagt: „Sonntagsarbeit ist in den meisten Fabriken und Werkstätten zur leidigen Gewohnheit geworden unter dem gang und gäbe gewordenen Vorwand der »Concurrenz«, so dafs nur noch die Gottesdienststunden und auch diese nur nothgedrungen ausgenommen sind.“ Ebenso führt der gewerbliche Bildungsverein zu Zwickau aus: „Trotzdem, dafs von Staatswegen wiederholt Verschärfungen eingetreten sind, sucht man von anderer Seite die im Gesetz vorhandenen Freiheiten in einer Weise auszunutzen, dafs be fürchtet werden mufs, die Sonntagsarbeit wird vielen Arbeitgebern zum Princip. Man geht sogar von Seiten einer Anzahl Fabrik- und Handwerks meister so weit, dafs der arbeitsuchende Geselle oder Arbeiter beim Engagement sich zu der üb lichen Sonntagsarbeit verpflichten mufs“, und der Fachverein der Weber und verwandter Berufsge nossen in Crimmitschau bemerkt: „Reparaturen werden in den hiesigen Fabriken gröfstentheils und meist unnöthigerweise auf den Sonntag aufge schoben, infolgedessen für die gewerblichen Ar beiter: Maschinenbauer, Klempner, Sattler u. s. w. der Sonntag nur dem Namen nach besteht, und da derartige Reparaturen sich von Sonntag zu Sonntag wiederholen, ist es leicht fafslich, dafs ein im Ma schinenbau beschäftigter Arbeiter in einem uns vor liegenden Fall sich 8 Wochen lang ohne Sonntag be helfen mufste, d. h. gezwungen war, an den betref fenden Sonntagen zu arbeiten. Wollte der Arbeiter die Arbeitsleistung am Sonntag verweigern, so wür den Repressalien des Arbeitgebers die unausbleib liche Folge sein. Und dies geschieht trotz einer bereits bestehenden gesetzlichen Beschränkung der Arbeit an Sonn- und Feiertagen! Es ist doch wahr lich kein unbilliges Verlangen, wenn der Arbeiter