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December 1887. STAHL UND EISEN.“ Nr. 12. 873 Die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen. Es liegen uns die im Reichsamt des Innern zusammengestellten, 3 Bände umfassenden Ergeb nisse der Erhebungen über die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen vor. Es wird interessiren, aus den den Schlufs des III. Bandes bildenden allgemeinen Aeufse- rungen von Verbänden, Vereinen und einzelnen Personen dasjenige hier wiedergegeben zu sehen, was sich auf den Grofsbetrieb bezieht. Was zunächst das thatsächliche Vorkom mender Sonntagsarbeit betrifft, so erklären, in der Hauptsache mit Beziehung auf den Grofs betrieb, eine Anzahl von Verbänden, namentlich Handelskammern, dafs am Sonntag nur unter folgenden Umständen gearbeitet werde: 1. zur Ermöglichung einer ungestörten Wieder aufnahme des eigenen Betriebs oder fremder Betriebe am nächstfolgenden Werktag: a) durch Vornahme von Reparaturen, Reini gungen, Untersuchungen u. s. w. an Betriebs mitteln aller Art, welche je nach Bedarf regelmäfsig oder unregelmäfsig ausgeführt werden, oder b) durch Fortsetzung bestimmter Arbeiten, wie z. B. des Betriebs der Wasserhaltung und gewisser Vorarbeiten in den Gruben, Unter haltung der Feuer unter den Dampferzeugern und . unter gewissen Oefen, namentlich in der Eisenindustrie u. s. w.; 2. bei Verrichtungen, welche dazu dienten, ein Verderben des Materials zu verhindern; 3. in Betriebstheilen, welche zwar der Produc tion dienten, aber aus technischen Gründen nicht unterbrochen werden könnten: z. B. in den Betrieben der Hoch- und anderen Schmelzöfen, sowie den damit verbundenen Kokereien, in Gas fabriken , Ziegeleien und zahlreichen sonstigen Betriebszweigen, namentlich der chemischen In dustrie ; 4. lediglich mit Rücksicht auf die Production in dringenden und unvorhergesehenen Fällen, theils unregelmäfsig und vorübergehend, theils periodisch während einer bestimmten Saison oder Campagne. Mehrfach wird hervorgehoben, dafs die Sonn tagsarbeit nur da vorkomme, wo sie unbedingt nothwendig sei. So bemerkt der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Inter essen in Rheinland und Westfalen: „Wo die Natur des Betriebs die Continuität nicht erfordert, dürfte regelmäfsige und dauernde Sonntagsarbeit lediglich zum Zweck der Productionsvermehrung in der Grofsindustrie dieses Bezirks nicht vor kommen. “ „Thatsächlich ist“, so spricht sich der Verein der Industriellen des Regierungsbezirks Köln aus, „in keinem der von uns erwähnten Industrie zweige Sonntagsarbeit in gröfserem Umfang üb lich, als dies durch die Natur der Betriebe und die allgemeinen wirthschaftlichen Interessen be dingt ist.“ Die Handels- und Gewerbekammer Stuttgart berichtet: „Die Frage, ob die gesetzliche Rege lung einem Bedürfnifs entspricht, wäre nach dem Stand in unserm Handelskammerbezirk zu ver neinen. Die Sonntagsheiligung und der Schul besuch sind so allgemein, die humanitären Be strebungen unserer Industriellen, nach dem Zeug- nifs der Fabrikinspectoren, ohnehin schon so weit gehend, als nur das Gesetz vorschreiben kann. Die meisten industriellen Werke sind bisher schon bestrebt gewesen, die Sonntagsarbeit so weit zu beschränken, als technische und wirthschaftliche Gründe dies zulassen.“ Ebenso sagt die Handels- und Gewerbekam mer Calw (Württemberg) in ihrem Bericht: „Die Gründe, welche den Reichstag veranlafsten, ge setzliche Msfsregeln zur Herstellung der Sonn- und Festtagsruhe vorzuschlagen, tref-fen in Würt temberg und speciell in unserm Kammerbezirk nicht oder nur in ganz geringem Mafse zu. Es findet im allgemeinen wenig Sonntagsarbeit statt; religiöses Bewufstsein, verbunden mit den seit Jahren bestehenden, auf die Feier der Sonn-, Fest- und Feiertage gerichteten Polizeivorschrif ten, haben das Volk in einer Weise erzogen, dafs die Sonntagsarbeit im grofsen und ganzen möglichst vermieden wird. Arbeitgeber sowohl als Arbeiter nehmen die Sonntagsruhe für sich in Anspruch; wo dies nach der Art des Geschäftsbetriebs nicht jeden Sonntag sein kann, ist dies zuverlässig jeden zweiten Sonntag der Fall.“ „Wir können die Thatsache feststellen,“ äufsert sich die Handelskammer für den Kreis Offenburg und den Amtsbezirk Ettenheim in Lahr (Baden), „dafs im diesseitigen Bezirk systema tische, nicht durch zwingende Umstände gebotene, nur aus gewinnsüchtiger Absicht entspringende Sonntagsbeschäftigung der Arbeiter überhaupt nicht und anderweitiger, regelmäfsiger Sonntags betrieb unter Heranziehung der vollen Arbeiterzahl ebenfalls nicht vorkommt“. . . „Sonntagsarbeit kommt im Handelskammerbezirk im allgemeinen nicht ohne Noth, nur in beschränktem Umfang