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870 Nr. 12. „STAHL UND EISEN.“ December 1887. geregelt. Die Errichtung von Schiedsgerichten und die Berufung von Vertretern der Arbeiter erfolgt in Anlehnung an die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes vom 28. Mai 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 159). 23. Die für die Berufsgenossenschaft (beziehungs weise den Bezirk der Ausführungsbehörde) bestellten Vertreter der Arbeiter sind aufser am Schiedsgericht (Ziffer 22) auch an der Verwaltung der Versicherungs anstalt betheiligt, und zwar in folgender Weise: a) durch Theilnahme an den Verhandlungen und Beschlüssen der Genossenschafts- beziehungsweise Sectionsversam ralung, soweit es sich um An gelegenheiten der Versicherungsanstalt handelt. Die Vertreter haben volles Stimmrecht; ihre Ab stimmung ist besonders zu protokolliren. Wider sprechen den Beschlüssen drei Viertel der er schienenen Arbeitervertreter, so steht denselben die Beschwerde an das Reichs - (Landes-) Ver sicherungsamt zu; b) durch Wahl von mindestens je einem Versicher ten, welcher den Genossenschafts- oder Sections- vorständen, der Ausführungsbehörde, beziehungs weise denjenigen besonderer Organen, welche die Verwaltung der Versicherungsanstalt führen, so weit es sich um Angelegenheiten der letzteren handelt, zugeordnet wird. Durch das Nebenstatut (die Ausführungs vorschriften) kann bestimmt werden, dafs statt eines mehrere Versicherte den Vorständen etc. hinzutreten, und dafs bei Abstimmungen die an wesenden Vertreter der Arbeiter mehr als eine Stimme führen sollen oder ein entsprechender Theil der anwesenden Vertreter der Arbeitgeber sich der Stimme enthalten soll. Die Vermehrung der Vertreter der Arbeiter kann auch durch den Bundesrath angeordnet werden. 24. Aufserdem werden für den Bezirk je einer oder mehrerer Gemeinden oder weiteren Communal- verbände (worüber die Landes - Centralbehörde Be stimmung trifft) aus der Zahl der in ihrem Bezirk dauernd wohnenden Versicherten Vertrauensmänner der Arbeiter bestellt, welche berufen sind, für sämmt liehe in ihren Bezirken beschäftigte oder wohnhafte versicherte Personen a) über Anträge auf Invalidisirung ein Gutachten abzugeben; b) neben den etwaigen Vertrauensmännern oder Beauftragten der Berufsgenossenschaften etc. die Rentenempfänger zu überwachen (vergl. Ziffer 14); c) die Versicherungsanstalt in der Controle der Quittungsbücher zu unterstützen. Durch die Landes-Centralbehörde im Einverneh men mit dem Reichs- (Landes-) Versicherungsamt können diesen Vertrauensmännern der Arbeiter weitere Functionen übertragen werden. Die Abgrenzung der Bezirke und der Erlafs einer Geschäftsordnung für diese Vertrauensmänner der Arbeiter bleibt der Landes-Centralbehörde oder der von dieser zu bestimmenden anderen Behörde über lassen. Den Vertrauensmännern ist von den Ver sicherungsanstalten eine rnäfsige Vergütung für den durch Wahrnehmung ihrer Geschäfte ihnen erwachsen den Zeitverlust zu gewähren. Die Höhe dieser Ver gütung und die Vertheilung derselben auf die Ver sicherungsanstalten etc. wird von dem Reichs-Ver- sicherungsamt im Einvernehmen mit den Landes- Centralbehörden nach für alle gleichen Grundsätzen bestimmt. Die Auszahlung erfolgt vorschufsweise durch die Postverwaltungen. 25. Die Bestellung dieser Vertrauensmänner er- | folgt für diejenigen Gemeinden beziehungsweise ' weiteren Communalverbände, in deren Bezirken Orts-, Betriebs- (Fabrik-), Innungs- oder Bau-Krankenkassen und Knappschaftskassen ihren Sitz haben, durch Wahl der dem Arbeiterslande angehörenden Mitglieder der Vorstände dieser Kassen; für diejenigen Bezirke, in welchen solche Kassen nicht domicilirt sind, durch die Verwaltungen der Gemeinde-Krankenversicherung. Die näheren Bestimmungen erläfst die Landes-Central behörde. 26. Das Reich ist befugt, durch besondere Com- missarien von der Verwaltung der Versicherungsan stalten Kenntnifs zu nehmen und an den Berathungen und Beschlüssen ihrer Organe sich zu betheiligen. Diese Commissarien müssen auf Verlangen jederzeit gehört werden. Sie sind berechtigt, Beschlüsse, so fern dieselben die Interessen des Reichs beeinträch tigen. mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. Beanstandete Beschlüsse sind von dem Vorsitzenden des betreffenden Organs dem Reichs-Versicherungs amt zur Prüfung ihrer rechtlichen Zulässigkeit und ihrer Angemessenheit vorzulegen. Schliefst sich das Reichs-Versicherungsaml der Beanstandung an, so gilt der beanstandete Beschlufs als nicht gefafst. III. Verfahren. 27. Die Invaliditätserklärung und die Feststellung der Renten erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag nach Anhörung des örtlich zuständigen Vertrauens mannes der Arbeiter (Ziffer 24) durch die Organe derjenigen Versicherungsanstalt, zu welcher von dem Versorgungsberechtigten ausweislich seines Quittungs buchs (Ziffer 35) zuletzt Beiträge geleistet worden sind. Diesen Organen bleibt überlassen, über die Invalidität ein ärztliches Gutachten einzuholen. Die Kosten desselben fallen der Anstalt zur Last, können jedoch von dem Versorgungsberechtigten wieder ein gezogen werden, sofern das ärztliche Gutachten in Uebereinstimmung mit dem Gutachten des Vertrauens mannes das Vorhandensein der Invalidität verneint und der Antragsteller auf Mittheilung hiervon den Antrag auf Gewährung einer Rente nicht zurückzieht. 28. Gegen den Bescheid, durch welchen die Ge währung der Rente versagt, oder durch welchen die Rente festgestellt wird, steht dem Versicherten die Berufung an das Schiedsgericht der Versicherungs anstalt (Ziffer 22) zu. Gegen den Bescheid des Schiedsgerichts ist beiden Theilen der Recurs an das Reichs- (Landes-) Versicherungsamt gestattet, aber nur, sofern es sich um Verletzungen des geltenden Rechts (vergl. §§ 511) ff. der Civilprocefsordnung), nicht sofern es sich um Thatfragen handelt. Die Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung. 29. Ueber die Höhe der Rente hat der Vor stand derjenigen Anstalt, welche die Festsetzungsver handlungen zu führen hatte, dem Empfangsberech tigten einen Berechtigungsausweis zu ertheilen und die Zahlungen auf die Central-Postbehörde anzuweisen. 30. Demnächst ist in denjenigen Fällen, in welchen der Rentenempfänger Beiträge zu verschie denen Versicherungsanstalten geleistet hatte, eine Ver rechnung darüber herbeizuführen, welcher Betrag der Rente auf die einzelnen Versicherungsanstalten, an welche die Beiträge entrichtet worden sind, entfällt. Für die Verrechnung ist der Versicherungswerth der an die einzelnen Anstalten entrichteten Beiträge mafsgebend. 31. Zu diesem Zweck wird in dem Reichs-Ver- sicherungsamt ein aus Reichsbeamten bestehendes Rechnungsbureau eingerichtet. Dasselbe stellt fest, mit welchem Betrage die einzelnen Versicherungs anstalten beziehungsweise das Reich, die Bundes staaten u. s. w., durch die Renten belastet werden.