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868 Nr. 12. »STAHL UND EISEN.“ December 1887. diese Zeiten, soweit es sich um die Erfüllung der Wartezeit handelt, als Arbeitszeiten in Anrechnung gebracht. 10. Die Mittel zur Gewährung der Alters- und Invalidenrente werden vom Reich, den Arbeitgebern und den Versicherten zu je einem Drittel aufgebracht. Die Aufbringung erfolgt seitens des Reichs durch Uebernahme von einem Drittel derjenigen Gesammt- beträge, welche an Renten in jedem Jahre thatsächlich zu zahlen sind, seitens der Arbeitgeber und der Ver sicherten durch Entrichtung laufender Beiträge. 11. Die Beiträge sind für jeden Arbeitstag einer versicherungspflichtigen Person bei jeder regelmäfsigen Lohnzahlung vom Arbeitgeber zu entrichten. Bruch pfennige sind für die Lohnzahlungsperiode auf volle Pfennige nach oben abzurunden. Die Arbeitgeber haben jeder von ihnen beschäftigten versicherungs pflichtigen Person die Hälfte des für dieselbe einge zahlten Betrages bei jeder regelmäfsigen Lohnzahlung in Abzug zu bringen, soweit jener Betrag auf diese Lohnzahlungsperiode antheilsweise entfällt. Für Bruchtheile von Arbeitstagen sind die vollen Beiträge, jedoch für jeden vollen Tag nur einmal, zu entrichten. Im Zweifel ist zur Entrichtung der Beiträge derjenige Arbeitgeber verpflichtet, welcher den Ver sicherungspflichtigen während der ersten Stunden des Arbeitstages beschäftigt hat. Bei Personen, deren Gehalt oder Lohn nach Wochen oder längeren Perioden fixirt ist, werden für jede Woche sechs Arbeitstage in Anrechnung gebracht. Die Höhe der für den Arbeitstag zu entrichtenden Beiträge ist für jede Versicherungsanstalt etc. (Ziffer 21) derart im voraus festzustellen, dafs durch die Beiträge die Verwaltungskosten, die erforderlichen Rücklagen zum Reservefonds und zwei Drittel des Kapitalwerths der der Versicherungsanstalt durch Renten voraussichtlich entstehenden Belastung, gedeckt werden. Die Feststellung des Beitrags erfolgt ein heitlich für alle im Bezirk der Versicherungsanstalt beschäftigten versicherungspflichtigen männlichen be ziehungsweise weiblichen Personen derart, dafs die Beiträge der letzteren auf zwei Drittel der Beiträge der ersteren zu bemessen sind. 12. Ein Anspruch auf die volle Rente besteht nur, sofern seit dem Eintritt in eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung bis zum Eintritt der Inva lidität in jedem Kalenderjahre Beiträge für mindestens 300 Arbeitstage (für ein Beitragsjahr) geleistet sind.. Zeiten bescheinigter, mit Erwerbsunfähigkeit verbun dener Krankheit gelten, wenn sie nach dem Beginn einer regelmäfsigen, die Versicherungspflicht begrün denden Beschäftigung eingetreten sind, als Arbeitstage. Während derselben sind Beiträge nicht zu entrichten. Denjenigen Personen, für welche im Laufe eines Kalenderjahres aus anderen Gründen Beiträge für weniger als 300 Arbeitstage oder gar keine Beiträge geleistet sind, ist die Rente bei ihrer demnächstigen Feststellung nur nach dem Werthe der thatsächlich geleisteten Beiträge zu gewähren und zu diesem Zweck nach den von dem Reichs-Versicherungsamt hierüber aufzustellenden Tarifen, um den Versicherungswerth des Ausfalls an Beiträgen zu ermäfsigen. Hierbei werden die Beiträge derjenigen Versicherungsanstalt, an welche die letzten Beiträge vor dem Ausfall ent richtet sind, zu Grunde gelegt. Diese Kürzung tritt nicht ein, soweit der Ausfall anderweit gedeckt wird. Letzteres geschieht: a) durch Verrechnung der in den dem Ausfall vor angehenden Jahren für mehr als je 300 Arbeits tage geleisteten Beiträge; b) durch Verrechnung derartiger, in späteren Jahren geleisteter Mehrbeiträge, soweit durch diese auch die Zinsen und Zinseszinsen des Ausfalls von dem Ablaufe desjenigen Kalenderjahres ab, in welchem der Ausfall eingetreten war, gedeckt werden; den Zinsfufs besimmt der Bundesrath; c) durch freiwillige Nachzahlung der ausgefallenen Beiträge in dem unter b bezeichneten Umfange einschliefslich des auf den Arbeitgeber entfallen den Antheils derselben. Ausfälle an Beiträgen, welche nach Beginn einer regelmäfsigen, die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung durch Erfüllung der Militärpflicht in Friedens-, Mobilmachungs- oder Kriegszeiten, oder durch freiwillige militärische Dienstleistungen in Mobilmachungs- oder Kriegszeiten verursacht worden sind, haben eine Kürzung der Rente nicht zur Folge. Denjenigen Betrag der Rente, um welchen die letztere wegen solcher Ausfälle rechnungsmäfsig würde gekürzt werden müssen, übernimmt das Reich. 13. Die Renten werden für Kalenderjahre berechnet. Die Invalidenrente beträgt bei Männern 120 K jährlich und steigt nach Ablauf der ersten 15 Bei tragsjahre für jedes vollendete weitere Beitragsjahr um je 4 •K jährlich bis zum Höchstbetrage von jährlich 250 JI* Die Altersrente beträgt jährlich 120 Jt. Die Altersrente kommt in Fortfall, sobald dem Empfänger Invalidenrente gewährt wird. ' Weibliche Personen erhalten 2/3 des Betrages dieser Renten. So lange der Berechtigte nicht im Inlande wohnt, ist die Zahlung der Renten einzustellen. Ist der Berechtigte ein Ausländer, so kann ihn die Versicherungsanstalt für seinen Anspruch mit dem dreifachen Betrage der Jahresrente abfinden. Die Altersrente beginnt mit dem ersten Tage des 71. Lebensjahres, die Invalidenrente mit dem Tage, an welchem der Verlust der Erwerbsfähigkeit einge treten ist. Dieser Zeitpunkt ist in der Entscheidung über die Invalidisirung festzusetzen; sofern eine solche Festsetzung nicht getroffen ist, gilt als Anfangstermin der Invalidenrente der Tag, an welchem der Anspruch auf Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit bei der unteren Verwaltungsbehörde gestellt worden ist. 14. Tritt in den Verhältnissen eines Empfängers von Invalidenrenten eine Veränderung ein, welche ihn nicht mehr als dauernd völlig erwerbsunfähig (Ziffer 6) erscheinen läfst, so kann demselben in dem für die Feststellung der Rente vorgeschriebenen Verfahren die Rente entzogen werden. 15. Entschädigungsansprüche, welche den zum Empfang von Invalidenrenten berechtigten Personen gegen Dritte, welche die Invalidität vorsätzlich oder durch Verschulden herbeigeführt haben, zustehen, sowie die Schadenersatzansprüche derselben gegen Eisenbahnverwaltungen auf Grund des § 1 des Haft pflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 207), gehen in Höhe der geleisteten Renten auf die Versicherungsanstalten über. Soweit von Gemeinden oder Armenverbänden an hülfsbedürftige Personen Unterstützungen für einen Zeitraum geleistet sind, für welchen diesen Personen ein Anspruch auf Alters- und Invalidenrente zustand, geht dieser Anspruch im Betrage der geleisteten Unterstützung auf die betreffende Gemeinde oder den Armenverband über. Das Gleiche gilt für Betriebs unternehmer und Kassen, welche die den Gemeinden * Der Höchstbetrag der Rente wird somit nach Ablauf von 48 Beitragsjahren erreicht, also bei Per sonen, welche mit dem Beginn des 19. Lebensjahres in eine die Versicherungspflicht begründende Beschäfti gung eingetreten sind, nach Ablauf von 18+48 = 66 Lebensjahren.