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856 Nr. 12. » STAHL UND EISEN.“ December 1887. Die Eisenindustrie Italiens. Hierzu Blatt XXXVI. (Schlufs aus voriger Nummer), Die Stahlwerks-Anlage zu Terni.* Schon im Jahre 1871 verfocht der Com- mendatore Breda in der italienischen Kammer den Plan, im Herzen Italiens eine Waffenfabrik anzulegen. Seine Vorschläge drangen nach wenigen Jahren durch, denn 1875 legte General Ri cotti, der Kriegsminister, den Grundstein zu der grofsen königlich italienischen Waffenfabrik zu Terni. Der Platz wurde gewählt, weil er Sicherheit gegen Ueberraschungen bei eintretendem Kriegsfälle bietet, über aufserordentlich reiche Wasserkräfte verfügt und aufserdem in seiner Nähe grofse Braunkohlenlager sich befinden. Zur Orientirung bemerken wir, dafs Terni etwa 110 km nord-nordöstlich von Rom, am Fufse der Abruzzen, an der Bahnlinie Ancona-Rom liegt. Der Bau eines Stahlwerks, welchen Breda damals gleichzeitig schon anstrebte, stiefs indefs auf gröfsere Schwierigkeiten, und erst im Jahre 1883 gelang es, nachdem die Regierung grofse Bestellungen auf Panzerplatten und Schienen im Voraus zugesichert hatte, den unermüdlichen Anstrengungen Breda’s, eine italienische Gesell schaft zusammenzubringen, welche zur Gründung des, mit der erwähnten Waffenfabrik in keinerlei Verbindung stehenden, Unternehmens ein Actien- kapital von 16 000 000 Lires aufbrachte, und Breda gleichzeitig zu ihrem Präsidenten machte. Im Sommer 1884 wurde mit dem Bau begonnen; im Mai 1886 konnte man die erste Eisenbahn schiene von 36 kg Gewicht a. d. Mfr. aus walzen. Es folgte die Fabrication von Stabstahl und Blechen, und im August des verflossenen Jahres wurden Blöcke im Gewichte von 60 t und mehr gegossen, und der grofse 100 t-Hammer, dessen Modell von der Antwerpener Ausstellung her bekannt ist, in Betrieb gesetzt. Da das Werk nach einem Zeitabschnitte ge gründet wurde, in welchem sich auf dem Gebiete der Eisen- und Stahlerzeugung die grofsartigsten Umwälzungen vollzogen hatten, und man bei seinem Bau auf Grund der neuesten Erfahrungen vorgehen konnte, so hat Terni vor seinen älteren Schwester-Anlagen, welchen veraltete Einrich tungen wie ebensoviel Mühlsteine am Halse hängen, den grofsen Vortheil voraus, dafs es gewisser- * Aufser privaten Mittheilungen sind bei Abfas sung des obigen Aufsatzes folgende Quellen benutzt worden: »Journal of the Iron and Steel Inst.« I. 1887; »L’Industria« (Milano) Nr. 25 u. 30, 1887 ; »Schweizer. Bauzeitung« vom 19. Febr. 1887; »Oesterr. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen« vorn 26. Februar 1887: »Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure« vom 8. Januar 1887. * mafsen aus einem Gusse fertiggestellt ist. Das Stahlwerk von Terni, dessen officieller Name „Societä degli alti Forni, Fonderie ed Acciaierie di Terni“ ist, besitzt aufser den eigentlichen Stahlwerken Lignitgruben, Eisenstein gruben, Hochöfen, eine Hütte in Val Trompia in der Lombardei zur Erzeugung von Spiegeleisen, Ferromangan- und Qualitätsstahl, ferner die Eisen- giefserei von Terni, welche im Stande ist, Gufsstücke bis zu 60 t Gewicht* herzustellen. Um sich auch im Bezüge von Roheisen vom Auslande unabhängig zu stellen, hat man sich zur Errichtung einer gröfseren Hoch ofenanlage bei dem Hafen Civitavecchia ent schlossen, welche Eisenerze von der Insel Elba verhütten soll. Als Brennstoff will man Koks benutzen, den man selbst aus einer Mischung von englischen Steinkohlen mit italienischen Braunkohlen erzeugen will. Diese Anlage, mit deren Ausführung demnächst begonnen werden soll, soll zunächst 2 Hochöfen mit 8 Cowper- Apparaten und 100 Koksöfen umfassen. Die Erweiterung der Hochofen -Anlage auf 4 Oefen, mit der entsprechenden Anzahl von Koksöfen, sowie auch die Neuanlage eines Bessemerstahl- Werkes mit Schienenwalzwerk, gegebenen Falls auch Blechwalzwerk sind für später in Aussicht genommen. Diese Anlage ist der Leitung des in deutschen hüttenmännischen Kreisen wohlbekannten Hoch ofeningenieurs Hrn. Victor Limbor anvertraut, welcher diese Anlage sicherlich zu einem Muster werke machen wird. Gegenwärtig deckt das Stahlwerk seinen Roh eisenbedarf aus England und Spanien. Dem Stahlwerke steht eine sehr bedeutende Wasserkraft zur Verfügung. Etwa 6 km von Terni entfernt bildet der Velinoflufs einen majestätischen Wasserfall, die „Cascata della m ar more“, indem er sich aus einer Höhe von 12 m in die Nera stürzt. Diese Wasserfälle wurden von dem Römer Curius Dentatus in folge Durchbrechung eines Marmorfelsens her gestellt, um dem Velino den Abflufs in die Nera zu ermöglichen. Die Mindest-Wassermenge des Velino beträgt noch 50 cbm in der Secunde. Nach Angaben von Samuelson ist die Fallhöhe 150 m und die Mindest-Wassermenge 45 cbm, demgemäfs berechnet Samuelson die ganze Was serkraft auf insgesammt 200 000 HP, von der * Sir Bernhard Samuelson giebt 120 t an. Es wird uns jedoch mitgetheilt, dafs auf der Eisengiefserei keine Einrichtungen zur Bewegung so schwerer Stücke vorhanden seien.