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November 1887. » STAHL UND EISEN.“ Nr. 11. 769 Streben gleichzeitig das Interesse der deutschen Eisenindustrie fördern kann, und mögen die nachstehenden Erörterungen deshalb in dieser technischen Zeitschrift ihren Platz finden. II. Artilleristische und fortificatorische Vor bemerkungen. Zunächst sei gestattet, daran zu erinnern, dafs die Flugbahn aller Geschosse (Fig. 1) ge bogen ist, selbst die der sogenannten „rasanten“ Schüsse; der Grad der Biegung, d. h. die Höhe und Form des Bogens, hängt ab von der Auf richtung (Elevation) des Rohrs, seiner Construc- tion, der Pulverladung und Entfernung; der „absteigende Ast“ der Flugbahn ist steiler, als der „aufsteigende; der „Einfallwinkel“ liegt am Treffpunkt und wird durch die Flugbahn und deren Projection auf der Horizontalebene ge bildet ; bei grofsen Entfernungen steigt das Ge- schofs bis 1/6 oder 1/5 der Entfernung. Ist das Ziel nicht horizontal, sondern eine senkrechte, bezw. eine rückwärts geneigte Mauer, oder eine, oben nach vorn überhängende Eisen-Construction bezw. eine gewölbte Panzerkuppel, so wird der kleinste derjenigen Winkel, welchen die Flugbahn mit diesen Flächen oder ihren Tangenten im Treffpunkt bildet, „Auftreffwinkel“ genannt, gleich viel ob er unter, über oder seitlich der Flug bahn liegt; ist er kleiner als 44°, so gleitet das Geschofs von einem Hartgufspanzer ab und geht in derselben Richtung weiter, „ricochettirt", nur mehr oder weniger tiefe Schrammen zurück lassend; ist das Material weicher als Hartgufs, so mufs der Auftreffwinkel spitzer sein als 44°, um das Geschofs abgleiten zu machen, sonst bleibt es stecken und bringt seine volle „leben dige Kraft“ und ganze Sprengwirkung zur Gel tung. — Vor Allem ist es also der Grund rifs und das Profil des Panzers, welche die Gröfse des Auftreffwinkels und damit die Wirkung der feindlichen Geschosse und die Widerstandsfähigkeit des Panzers beeinflussen. Demnächst ist auch die Höhen lage der Panzerconstruction, im Vergleich zur feindlichen Batterie wichtig. Liegt die Panzer kuppel höher als die Batterie, wie dies oft der Fall sein wird, da die Ingenieur - Offiziere die hohen, das Gebäude beherrschenden Punkte, für die Anlage der detachirten Forts auswählen, und die Panzerconstructionen auf den Wall des aus springenden Winkels stellen, so wird der Auftreff winkel kleiner sein, und das Geschofs leichter nach oben abgleiten, als wenn die Angriffsbatterie höher läge. Unter „lebendiger Kraft“ versteht man die jenige, welche das Geschofs im Treffpunkt gegen 1882 Provisorische Befestigungen und Festungseisen bahnen. 1885 Militärische Verwendung der Elektricität als Licht und Kraft. das Ziel zur Geltung bringt, sie pflegt in Meter- Tonnen ausgedrückt zu werden. Die Wirkung derselben wird beeinflufst durch die Gröfse des Auftreffwinkels, das Material und die Form des Geschosses. Ein Auftreffwinkel von 90° gestattet der „lebendigen Kraft“ voll zu wirken. Der Angreifer mufs, um die festen Ziele, z. B. Mauerwerk und Eisenconstructionen schnell zu zerstören, möglichst starke Ladungen an wenden , diese führen aber das Geschofs in flacher Flugbahn, verkleinern den Einfall- bezw. Auftreffwinkel und verursachen dadurch das Ab gleiten des Geschosses; in diesem Gegensatz liegt ein grofser Vortheil für die Panzerconstruc tionen. Bei 80° Auftreffwinkel mufs die lebendige Kraft um 1,07, bei 70° um 1,13, bei 60° um 1,33, bei 50° um 1,70, bei 45° um 2,0, bei 35° um 3,04 , bei 30° um 4,0 , bei 25» um 5,62 gröfser sein als bei 90°, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Hierbei sei gleichzeitig daran erinnert, dafs alle Langgeschosse mit etwas gehobener Spitze fliegen. Die Kenntnifs der feindlichen Artillerien, namentlich die unserer voraussichtlichen Feinde, ist fast noch wichtiger als die des eigenen Geschützwesens; ein Umstand, der oft ganz über sehen wird. Die Panzerconstructionen sollen das Feuer der eigenen Geschütze begünstigen, aber dem der feindlichen Artillerie wider stehen. Die Kenntnifs derselben wird auch die Frage beantworten lassen, in welchem Grade deren Belagerungs-Kanonen mehr zu fürchten sind, als die gezogenen Mörser, ob deshalb mehr Rücksicht auf die Stellung, bezw. Neigung und Stärke der von jenen beschossenen Panzerwände, oder auf die Neigung der von den Mörsern be worfenen Panzer decke zu nehmen ist. Danach mufs die Profillinie beider bestimmt werden und demnächst, nach den ungünstigsten Auftreffwinkeln jener Geschütze, die wechselnde Stärke. Krupp hat diese für Schmiedeisen, Gruson für Hartgufs berechnet, ähnliche Formeln wurden nach den Erfahrungen auf dem Schiefsplatz bei Grave in Frankreich, sowie in England für Walzeisen auf gestellt; wir kommen nachstehend auf dieselben zurück. Der französische Belagerungstrain enthält schon jetzt 22-cm-Kanonen und 27-cm-Mörser, die Einführung von 28 - cm - Belagerungskanonen für die 1., entfernteste Artillerie-Aufstellung ist wahrscheinlich. Zahlreiche Versuche haben bewiesen, dafs der Rücklauf selbst schwerer Geschütze, z. B. der gezogenen 15-cm-Kanone, nicht blofs durch das Heben des hinterel Rahmentheils, und durch Unterlagskeile, sondern durch hydraulische Brem sen und Federn, bezw. Puffer gehemmt, selbst ganz aufgehoben werden kann. Krupp begann