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764 Nr. 11. „STAHL UND EISEN.“ November 1887. entwickelten fremden Industrien noch durch die Rücksicht auf die angebliche Vorliebe der aus ländischen Abnehmer für gewisse aufserdeutsche Waaren gerechtfertigt werden kann. Nun soll freilich nicht geleugnet werden, dafs in vielen Fällen eine Nothwendigkeit vor liegt, deutsche Waaren mit dem Namen oder der Marke eines fremdländischen Fabricanten zu versehen. Selbstverständlich denken wir hier nicht an den Versuch, die eingetragene Marke oder den Namen einer ausländischen Firma be trügerischer Weise in Anwendung zu bringen, sondern an den Fall, dafs eine Bestellung aus dem Auslande mit der ausdrücklichen Forderung einläuft, das Fabricat mit dem Namen oder Zeichen des bestellenden Händlers zu versehen. Soll da etwa vom deutschen Fabricanten gefordert werden, die Ausführung der Bestellung aus Patriotismus abzulehnen? Wir glauben kaum, dafs dies irgend Jemand verlangen wird. Freilich behalten sich schon heute erfreulicherweise die angesehenen Werke beispielweise der Grofseisen- und Stahl industrie auch in diesem Falle vor, zugleich den Namen der Ursprungsfirma und des Ursprungs ortes mit anzugeben, und man kann nur wün schen, dafs dies möglichst allgemeiner Gebrauch werde. Ob das freilich überall, namentlich auch in der Kleineisenindustrie möglich sein wird, ist die Frage. Auch in der Textilindustrie wird es sich wohl nicht immer durchführen lassen. Wie viele Fabricanten der Wirkwaarenbranche sind auf Grund ausdrücklicher Bedingungen genöthigt, ihre Erzeugnisse mit irgend einem Etiquette eines englischen Warehouse an ausländische Besteller* abzuliefern, zu welchem Zwecke sie häufig sogar von dem Londoner Käufer die Etiquettes geliefert erhalten! Soll der Verkäufer solche ihm vom Käufer gegebenen Instructionen nicht beobachten? Die Berliner Confection liefert ebenfalls nach Aufgabe die Etiquettes oder erhält sie vom Käufer. Welcher Fabricant wird zögern, die vorgeschrie benen Etiquettes anzuwenden? Wenn dem * Für die in England selbst zum Verkauf gelan genden Waaren wird dies freilich nach dem neuen englischen Markengesetz, auf das wir gelegentlich in einem besonderen Artikel zurückzukommen gedenken, nicht mehr angängig sein. Bekanntlich verfällt nach den Bestimmungen dieses neuen Gesetzes derjenige strengster Strafe, welcher irgend eine Waare oder Verpackung »falsch« bezeichnet. Unter falscher Be zeichnung ist auch zu verstehen, wenn ein Grossist oder ein gröfseres Detailgeschäft eine von ihm nicht hergestellte Waare mit seiner Firma bezeichnet. Die Engländer haben bereits eingesehen, dafs diese, sich hauptsächlich gegen Deutschland richtenden Bestim mungen das englische Geschäft schwer schädigen, weshalb denn auch in der englischen Presse vielfach Stimmen laut werden, die Gerichte möchten das neue Markengesetz in liberalem Sinne auslegen, d. h. mit anderen Worten, man möge ein Auge zudrücken, sobald das Gesetz nicht den Ausländer, sondern den Engländer zu treffen droht. Franzosen oder Engländer dies so vorgeschrieben wird, so wird er es ohne Bedenken ausführen. Die Bedenken können hierbei nur auf Seiten des Bestellers liegen. Wer Waare liefert, wird in der Regel nach dieser Richtung hin die Instruction des Käufers befolgen. Obwohl es erfreulicher weise auch in der Textilindustrie, die Spinnerei branche nicht ausgenommen, zahlreiche deutsche Firmen giebt, welche ihre Fabricate nur mit ihrem eigenen Firmenstempel versenden und das Zu standekommen des Geschäfts von dieser Bedingung abhängig machen. Auch darin wird ein Vorwurf nicht zu finden sein, dafs das deutsche Gewerbe auf die An passung seiner für die Ausfuhr bestimmten Er zeugnisse an den Geschmack, die Gewohnheiten und die Sprachkenntnisse der Abnehmer Werth legt. Die fremdsprachige Bezeichnung der Export- waaren, die Beifügung ebensolcher Gebrauchs anweisungen und dergl. ist vielmehr für die Gewinnung und Erhaltung fremder Absatzmärkte oft von Bedeutung. Ohne Zweifel aber wird hierbei nicht selten heute noch darin gefehlt, dafs man nicht gleichzeitig die inländische Her kunft der fremdsprachig bezeichneten Waaren kenntlich macht, sondern den Abnehmer durch fremde Ortsnamen, imitirte Firmen, Marken und dergl. in den Irrthum versetzt, dafs er ein Er- zeugnifs des betreffenden Landes vor sich habe. Dies ist um so bedauerlicher, als in vielen Fällen eine solche Bezeichnung nicht nur gar nicht nothwendig, sondern völlig verfehlt ist. Die Preiswürdigkeit und Gediegenheit der deut schen Ausfuhrwaaren vorausgesetzt — und nur um solche, nicht um unreelle Scheinwaaren, die den deutschen Namen und Ausfuhrhandel gleich- mäfsig schädigen, handelt es sich hier — mufs der Absatzmarkt für die deutschen Erzeugnisse naturgemäfs fester begründet werden, wenn der selbe ihre Herkunft zweifellos erkennen lassen, als wenn sie unter dem Deckmantel ausländischer Erzeugung Absatz suchen und damit stetig den Ruf fremder Industrieen mehren. Ein Beispiel für viele mag dies beweisen. Ein englischer Consularbericht aus Tschifu äufsert in bezug auf Handelsmarken, dafs der Chinese jeden Artikel kauft, der ihm ansteht, gleichviel welche Marke der letztere trage oder wie er verpackt sei. Es wird dann weiter em pfohlen, durch kundige Handelsreisende oder Specialagenten den Geschmack des chinesischen Käufers an Ort und Stelle zu erforschen und dementsprechend solche Artikel zu liefern, welche dem Producenten bezw. dem Importeur einen angemessenen Nutzen abwerfen. Habe der Chinese sich erst von der Brauchbarkeit und Güte eines unter bestimmter Handelsmarke ein geführten Artikels überzeugt, so könne diese Marke als fest und sicher auf dem chinesischen Markt eingeführt gelten, wohingegen Imitationen