486 Nr. 7. n STAHL- UND EISEN.“ Juli 1887. auf allen wirthschaftlichen Gebieten im Gefolge hatte. Von diesem Höhepunkte ab sieht man die allgemeine wirthschaftliche Lage sich zusehends verschlechtern, ohne dafs sie jedoch bis jetzt nur annähernd auf den ungünstigen Standpunkt vom Jahre 1873 zurückgesunken wäre. In der That entsprach der wirkliche Gang der Weltwirthschaft in dem betrachteten Zeit räume im allgemeinen dem geschilderten Ver laufe. Die plötzliche Vermehrung der geförderten Kohlen- und Eisenmengen von 1872 bis 1873 war auffälligerweise auch von einer namhaften Preiserhöhung begleitet, vornehmlich weil Grofs- britannien in jenen Jahren unter aufsergewöhn- lichen Arbeiter-Strikes und Lohn-Erhöhungen zu leiden hatte. Die Anzahl der Strikes vermehrte sich von 30 im Jahre 1870 auf 365 im Jahre 1873. Eine gröfsere Anzahl von Strikes ist bislang in England nicht wieder vorgekommen ; sie bekundet bei aufserordentlicher Nachfrage nach Arbeit die übertriebenen Anforderungen der Arbeiter und begründet die nothgedrungenen Lohn-Erhöhungen. Auch in Amerika fällt der Höhepunkt der Strikes in die Jahre gesteigerter Thätigkeit daselbst, d. h. in die Jahre 1871 bis 72. 1871 fanden die Arbeitseinstellungen in den grofsen Anthracit-Kohlenwerken von Pennsylvanien statt. In New-York kämpften 1872 etwa 40000 Ar beiter durch Arbeits-Einstellung um Verkürzung der Arbeitszeit. 1876 bis 1877 führten Ent lassungen und Lohn-Herabsetzungen bei den Arbeitern in Pennsylvanien zu offenem Aufruhr, Mord und Brandlegung. Dann folgte der Strike der Eisenbahn-Arbeiter der Baltimore- und Ohio-Bahn, der ebenfalls erschreckende Ausdehnung gewann. Nach der Krise des Jahres 1873, die vornehmlich geschraubten Preis - Verhältnissen und ungesunden Gründungen ihr Entstehen ver dankt, trat die entgegengesetzte Bewegung ein. In der zweiten Hälfte des Jahres 1874 begann in England ein starkes Sinken der Kohlen- und Eisenpreise, welches sich von dort aus allgemach auf den Gontinent und Amerika übertrug. In Deutschland betrug im Jahre 1873 der Preis einer Tonne ab Werk für Kohle 10,94 •, für westfälisches Spiegeleisen 234 Jt, ein Preis, wie er so hoch seit Jahrzehnten nicht mehr erreicht worden war. Dagegen sank der Preis im Jahre 1875 auf 7,62 •6 bezw. 92 6 herab; im Jahre 1879 stand der Kohlenpreis mit 4,5 6 am niedrigsten, während der Roheisenpreis erst heute mit 40 bis 50 •6 auf seinen tiefsten Stand angelangt ist. Die Besserung der Verhältnisse im Jahre 1879 ist zum Theil dem Einflüsse zuzuschreiben, welchen niedrige Preise überhaupt auf den Ver kauf der Massen-Verbrauchsgegenstände zu äufsern pflegen; vorzugsweise stand sie aber in ursäch lichem Zusammenhänge mit den erstaunlich reichen Ernten, deren sich die Ver. Staaten von Amerika in den Jahren 1878 bis 1880 zu er freuen hatten. Die Union vermehrte darauf innerhalb zweier Jahre von 1880 bis 1882 die Länge ihres Eisenbahnnetzes um nahezu 43 000 km, d. h. also um eine Länge, welche diejenige der gesammten Eisenbahnen Deutschlands noch über steigt. Die hierfür benöthigten ungeheuren Massen von Eisen und Stahl konnten innerhalb des Landes nicht schnell genug erzeugt werden ; das Ausland müfste aushelfen. Die Preise von Roheisen, Schienen und Stahl zogen aus diesem Grunde an und veranlafsten eine Zunahme des Hochofen - Betriebes auf der ganzen Erde. Die durchschnittliche Leistung eines amerikanischen Hochofens stieg von 6346 t im Jahre 1873 auf 14 870 im Jahre 1885; in Deutschland von 6691 t im Jahre 1875 bis auf 13 783 t im Jahre 1884; in Oesterreich-Ungarn von 2890 t im Jahre 1875 auf 7195 t im Jahre 1885. Da aber die wirthschaftliche Lage die Folgen der vorhergehenden Krise noch nicht überwunden