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eine weitere Verschiebung des Schwerpunktes der Weltwirthschaft zur Folge gehabt. Amerika war das erste Land, welches sich England in der Industrie selbständig gegenüber stellen konnte. Im Dampfschiffbau hatte es ihm gleich anfangs den Rang abgelaufen und Locomotiven bezog es schon seit dem Jahre 1838 nur aus nahmsweise noch vom Mutterlande; auch auf dem Felde des Eisenhüttenwesens wurde es frühe ein mächtiger Nebenbuhler. Das Insel königreich mufste daher danach trachten, diese Einbufse an seiner industriellen Alleinherrschaft durch Vergröfserung seines Handels-Uebergewichtes wieder wett zu machen, um so mehr, als auch die continentalen Staaten ihre Industrieen allmäh lich selbständig festigten. Neumann - Spallart meint, dafs infolge der angedeuteten Aenderung in der Weltstellung Grofsbritanniens Europa einen Theil seiner Cuiturmacht an die übrige Welt, besonders an Nordamerika abgeben mufs, dafs ferner die Aeufserungen der künftigen Welt handelsmacht an den vom atlantischen Ocean beherrschten Erdräumen des nordwestlichen Europas und des östlichen Amerikas zu suchen sein werden und dafs endlich die fernere Ge staltung der Dinge in Europa von dem Lauf der wirthschaftlichen Ereignisse im fernsten Osten Asiens wesentlich beeinflufst werden wird. Die Völkermassen, welche Ostasien bewohnen, sind mehr als elfmal so grofs wie diejenigen, welche in den Vereinigten Staaten und Canada leben. Eine ganz geringfügige Steigerung der Bedürfnisse und demzufolge des Durchschnitts- Verbrauchs der 745 Millionen Einwohner von Britisch-Ostindien , China, Japan und der Inseln des indischen und stillen Oceans würde schon einschneidende Rückäufserungen in den euro päischen Erzeugungs- und Absatz ■ Verhältnissen bewirken. Die Handelsbewegung der genannten Länder ist innerhalb der Jahre 1871 bis 1883 von 3795 Millionen auf etwa 5250 Millionen Mark, also um 37 % gestiegen, während der Aufsenbandel der nordamerikanischen Union sich in derselben Zeit nur um 25 % hob. Endlich bietet der Umstand, dafs in Ostasien das Ver kehrsleben noch einer grosen Entwicklung fähig und vielfach der Uebergang von der Natural- zur Geldwirthschaft erst zu bewerkstelligen ist, die Gewähr noch bevorstehender mächtiger An triebe auf das europäische Wirthschaftsleben. — 11. Der geeignetste Gradmesser für die in ge wissen Zeitabschnitten eintretenden oder wieder- j kehrenden Aenderungen der wirthschaftlichen Lage würden die Werthziffern des Welthandels ; bilden, wenn sich solche einigermafsen sicher bestimmen Jiefsen. Neumann-Spallart giebt den Werth der gesammten Handelsumsätze für das Jahr 1863 zu 32 Milliarden Mark an, berechnet für die Jahre 1882 und 1883 eine Steigerung bis zu 67 Milliarden und eine Abnahme bis auf 61 Milliarden Mark im Jahre 1885. Aus diesen Zahlen erkennt man zwar im allgemeinen den grofsartigen Aufschwung des Welthandels inner halb der letzten Jahrzehnte und seinen Nieder gang vom Jahre 1883 ab, will man aber ein genaueres Bild der gewaltigen wirthschaftlichen und socialen Fluthungen empfangen , welchen die civilisirte Welt in der Zeitspanne von 1870 bis 1885, in einem Grade wie nie zuvor, aus gesetzt gewesen ist, so kann man dies aus den Schwankungen in der Erzeugung und dem Verbrauch der nothwendigsten Güter des Lebens, als welche wir Getreide, Baumwolle, Kohle und Eisen ansehen, entnehmen, denn die noth- wendigslen Lebensgüter werden infolge ihres Massen-Verbrauchs zugleich die wichtigsten Welt handelsgüter sein. Unter diesen Gütern spielt das Getreide insofern die Hauptrolle, als der Geldwerth seines jährlichen Verbrauchs denjenigen von Eisen, Kohle und Baumwolle bedeutend übersteigt. Der jährliche Umsatz an Getreide beziffert sich zur Zeit auf etwa 6 Milliarden Mark, während der wirkliche Werth der Welt-Ernten von 1878 bis 1884 durchschnittlich zwischen 27 bezw. 22 Milliarden Mark jährlich schwankt. Da der Handels-Umsatz in roher Baumwolle, welcher früher in erster Linie stand, heute nicht ganz den Jahreswerth von 2 Milliarden Mark erreicht und der Gesammtwerth des Kohlen- und Eisen- Verbrauchs der Erde auf etwa 2,6 bezw. 3 Milliarden Mark geschätzt wird , so hat der Kornhandel alle übrigen Handelszweige im Güter- Austausch der Welt heute weit überflügelt. Aus tausch, Verarbeitung und Verwendung von Ge treide und Baumwolle, in den ungeheuren Massen, wie sie heute die Welt braucht, wäre aber ohne Kohle und Eisen einfach unmöglich. Kohle und Eisen bilden demnach die materiellen Grundlagen aller Cultur ; aus diesen Stoffen schafft menschliche Arbeit überdies Werthe, gegen welche die Milliarden des Korn- und Baumwollen-Handels nicht ins Gewicht fallen. Die Krisen der Weltwirthschaft werden danach in den Zahlen, welche die jährlich erzeugten und verbrauchten Massen von Kohle und Eisen andeuten, besonders anschaulich zum Ausdruck gelangen müssen. Der allgemeine Gang der wirthschaftlichen Ereignisse wäre, nach der in Fig. 1 und 2 gegebenen bildlichen Dar stellung der Erzeugung von Kohle und Eisen in dem Zeitraum von 1870 bis 1885 zu urtlieilen, der folgende gewesen: Mit dem Jahre 1870 be ginnt in den mafsgebenden Culturstaaten eine aufsergewöhnliche Besserung der Lage,, die Krise des Jahres 1873 bemerkt einen Rückschlag, der in allen Mittelpunkten von Arbeit und Verkehr lebhaft fühlbar wird. Wie bekannt, waren