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646 Nr. 9. .STAHL UND EISEN.“ September 1887. Die XXVIII. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure. Wenn man ehedem Leipzig in Schriften recht hoch erheben wollte, so sagte man, es prange mit fünf Kleinoden, der Universität, dem Oberhof gerichte, dem Consistorium, dem Schöppenstuhl und den Messen. Letztere aber und der Handel ständen obenan. Zu diesen fünf Kleinoden ist nun aber in den letzten Jahrzehnten noch ein sechstes getreten, — die Industrie. Thatsächlich ist Leipzig nicht nur noch Handelsstadt, sondern ein grofses Industriecentrum, wie es denn ja auch nach den Ergebnissen der Reichsstatistik der Zahl der selbständigen Gewerbebetriebe nach die erste Stelle in Deutschland einnimmt. Diese Stadt war also im hohen Grade geeignet, den »Verein deutscher Ingenieure« bei sich aulzu nehmen, und sie hat das, um es gleich voraus zuschicken, mit einer Liebenswürdigkeit und Zu vorkommenheit gethan, die des höchsten Lobes werth ist. Der Raum zwingt uns, nur über das zu berichten, was für die eisenhüttenmännischen Kreise ein besonderes Interesse besitzt. Voran schicken wollen wir, dafs die sächsische Staats regierung, die Stadt Leipzig, die Universität, das sächsische Ministerium des Innern und der Säch sische Architekten- und Ingenieurverein durch be sondere Vertreter den »Verein deutscher Ingenieure« ihres besonderen Interesses versichern liefsen. Dem Geschäftsbericht des Hrn. Generalsecre- tärs Theod. Peters entnehmen wir, dafs die Zahl der Vereinsmitglieder auf 5743 gestiegen ist, die Auflage der Zeitschrift 6800 beträgt und das Vermögen des Vereins die Summe von 78244 •6 91 8 erreicht hat. Die Vorträge der 28. Hauptversammlung waren mannigfacher und sehr anregender Natur. Geheimrath Prof. Dr. Zeuner sprach »über die Luftmaschinen und ihre Kreisprocesse«, Dr. 0. v. Hase (i. F. Breitkopf und Härtel) »über das Buchgewerbe und seine Entwicklung in Leipzig«, Ingenieur Thiem »über Wasserversorgung von Städten«, J. G. Hermann (i. F. Rötiger und Quarch) »über Zubereitung und Färberei derRauchwaaren« und der kaiserl. Marineingenieur Busley aus Kiel über die flüssigen Heizstoffe für Schiffskessel. Da dieser Vortrag ein gröfseres Interesse für eisenhüttenmännische Kreise besitzt, so sei er in der nachfolgenden Skizze wiedergegeben. Das Erdöl war den alten Culturvölkern als Brennmaterial viel früher bekannt als die Stein kohle. Schon 400 Jahre v. Chr. bat Nehemias Erdöl bei Opfern benutzt; die Steinkohle hingegen lernten die Römer erst nach der Eroberung Britanniens etwa 50 n. Chr. kennen. Die erste Anwendung des Erdöls oder überhaupt flüssiger Brennstoffe zur Dampferzeugung liegt nicht weit zurück. Die ersten Patente auf solche Verwen dung sind in Nordamerika 1862/63 ertheilt, in England erwärmte sich 1864 der damalige Gapi- tän, jetzige Viceadmiral Selwyn, in Frankreich kein Geringerer als Napoleon III. dafür. In Rufs- land fällt die erste Verwendung der flüssigen Heizstoffe zur Dampferzeugung mit dem Auf blühen der Oelindustrie in Baku zusammen, also etwa in die Jahre 1869/70. Deutsche Ingenieure wie Lenz und Brandt gehörten dort zu den eifrigsten Vorkämpfern für die Verwendung der Erdölrückstände zur Kesselheizung. In Deutsch land wurden 1870/71 von Devrient in Danzig 3 Torpedoboote für die deutsche Marine erbaut, welche mit einer Petroleumheizanlage von Wagen knecht versehen wurden, an deren Mangelhaftig keit indessen der ganze Versuch scheiterte. Er folgreichere Versuche sind dann im Laufe der 70er Jahre von verschiedenen anderen Firmen gemacht worden. Das kaspische Meer sowie die darin mündende Wolga sind indefs die einzigsten Gewässer, welche dauernd von Dampfern — gegen wärtig etwa 300 — mit ausschliefslicher Oel- feuerung befahren werden. In England, Frank reich und den Ver. Staaten sind solche Dampfer bis in die neueste Zeit hinein immer nur Ein tagsfliegen geblieben. Bei den verschiedenen Versuchen sind nicht blofs das rohe Erdöl und seine Destillationsrück stände, sondern auchTheer, Theeröle und Schiefer öle als Feuerungsmaterial benutzt worden, von welchen der Redner Proben vorzeigt. Das rohe Pennsylvanische Erdöl, welches viele leicht flüssige Oele enthält, ist seines niedrigen, schon zwischen 15 — 20° G. liegenden Entflammungs punktes wegen höchst gefährlich, trotzdem aber von den Amerikanern wiederholt bei ihren Ver suchen benutzt worden. Das dickflüssigere Erd öl von Baku hat zwar einen höheren Entflam mungspunkt, ist aber, um Gefahren vorzubeugen, von der russischen Regierung durch Verbot von der Verwendung als Feuerungsmaterial an Bord ausgeschlossen worden, allerdings sehr mit Un recht. Das am häufigsten verwendete Brennmaterial bilden die nach der ersten Destillation des Erd öls, d. h. nach Gewinnung des Brennöls ver bleibenden Erdölrückstände, von den Russen kurz