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634 Nr. 9. STAHL UND EISEN.“ September 1887. literatur in weiteren Kreisen mit seinen Coliegen auszutauschen. Schreiber dieses hat sich auf Wunsch der Redaction dieser Zeitschrift der Aufgabe unter zogen, einige Meinungsäufserungen über Schiffs- wellen in der englischen Literatur den Lesern von »Stahl und Eisen« auszugsweise in beque merer Form zugänglich zu machen, und verbindet damit die stille Hoffnung, dadurch einen etwas lebhafteren Austausch der Meinungen über diese Sache hervorzurufen. In der im Januar d. J. abgehaltenen Sitzung der Institution of Engineers and Shipbuilders in Scotland hielt Mr. Hector Mac Coll einen Vor trag über Wellen von Schraubendampfern, welcher viel Lehrreiches und Interessantes enthält und die Wellenleitungen in 3 Abtheilungen, nämlich 1. Kurbelwellen, 2. Zwischen wellen, 3. Schraubenwellen behandelt. 1. Kurbelwellen. Material: Eisen. Bis jetzt ist die gröfsere Zahl der Wellen aus Schweifseisen liergestellt worden; die Eigen schaften, welche dem Material diese rühmliche Stellung verschafft haben, sind sein billiger Preis*, die Leichtigkeit seiner Verarbeitung und seine Zuverlässigkeit. Eine dem Aufsatz beigefügte Tabelle zeigt die Preisschwankungen von 1870 bis incl. 1886 und ist es interessant zu sehen, dafs die höchsten Preise in den Jahren 1873 und 1881 gezahlt wurden, während der Preis Ende 1886 beinahe 5O°/o unter diesen höchsten Preisen und noch etwa 2O°/o unter dem nächstniedrigen Stand in 1877 bis 1879 steht. Weiter wird dann mitgetheilt, dafs eine Kur belwelle in Eisen bei mäfsigen Dimensionen in England heute in etwa 14 Tagen hergestellt werden könne, während eine gleiche Stahlwelle nicht viel weniger als die doppelte Zeit erfordere. Mehr als Alles dies sei das Schmiedeisen bis jetzt obenauf gehalten worden durch seine verdienstvollste Eigenschaft: die Zuver lässigkeit, denn obgleich es in der Praxis unmöglich sei, eine rifsfreie eiserne Welle zu schmieden, sei das Material doch von einer sol chen Natur, dafs sichtbare Fehler eine beträcht liche Zeit existiren können, ehe sie sich als so ernstlich zeigen, dafs sie gefährlich werden, und thatsächlich bricht eine eiserne Welle selten, ohne lange vorher gewarnt zu haben. Es ist unmöglich, in einer so grofsen Masse Schmiedeisen Homogenität zu erzielen, und diese Schwierigkeit wächst mit der Masse des Materials * Gilt nur für England und Schottland; in Deutsch land ist Stahl meistens billiger wie Eisen. beim Schmieden und ist bei der gewöhnlichen Form der Wellen da am gröfsten, wo Arme, Zapfen und Schaft zusammen geschmiedet und nachher aus dem Vollen herausgearbeitet werden. Es ist zweifelhaft, ob unter gewöhnlichen Um ständen diese Form der Wellen anders als für kleine Wellen angewandt werden sollte. Material: Stahl. Stahl, geschmiedet oder ungeschmiedet, ist neuerdings in ausgedehntem Mafse zu Kurbel wellen verwandt worden; er ist dem Eisen in Festigkeit, Härte und Homogenität überlegen und daher das geeignetste Material für Wellen von 16 Zoll und mehr Durchmesser. Hier widerspricht der Verfasser unserer An sicht nach der in der Praxis gemachten Er fahrung, dafs die Schwierigkeit der Herstellung guter Stahlwellen bezw. guter Blöcke dazu, mit der Gröfse der Blöcke rapide zunimmt, jedenfalls mehr wie beim Eisen, wo eine Gewichtszunahme nicht annähernd die Herstellungsschwierigkeiten und das Risico so vermehrt, wie beim Stahl, gleichgeeignete Fabricationseinrichtungen beider seits vorausgesetzt. Weiter sagt Mr. Mac Coll dann: Man hat geschmiedete Wellen aus Tiegelstahl, Bessemerstahl, flüssig comprimirtem Stahl und aus Siemens-Martin-Stahl gemacht und haben sich manche derselben bewährt, aber andererseits sind Wellen aus jedem dieser Materialien, das letztere ausgenommen, unbrauchbar geworden, ohne dafs Anzeichen oder doch nur ge ringe voraufgegangen wären. Die Zahl dieser Fälle und ihre Wiederholungen haben dem Stahl einen erheblichen Mifscredil eingebracht und ihm den Charakter geringer Zuverlässigkeit gegeben. Die homogene Natur des Stahls eignet sich bewunderungswürdig für glatte und harte Zapfen oberflächen und deswegen laufen auch die Stahl wellen durchschnittlich mit weniger Reibung wie die eisernen Wellen. Dazu kann Schreiber dieses die Bemerkung nicht unterdrücken, dafs die bestechende Lager oberfläche des Stahles in der Praxis häufig nicht die erwarteten und erhofften Erfolge, sondern noch nicht genügend erklärte Mifserfolge ergeben hat, welche aber im allgemeinen auf eine gröfsere Lagerreibung, wie beim Eisen, zu schliefsen be rechtigen. Es sind hiermit die in Deutschland häufig vorgekommenen Mifserfolge mit Stahl wellen bei schweren Walzenzug-Maschinen ge- meint, worüber ja auch schon in dieser Zeit schrift verhandelt worden ist. Durch manche dieser Fälle, die Schreiber dieses kennen zu lernen Gelegenheit hatte, ist derselbe zu der An sicht gekommen, dafs Eisen trotz seiner weniger schönen, oft sogar unsauberen Oberfläche, doch ein mindestens ebenso gut zu Lagerzapfen ge eignetes Material ist, wie Stahl, welche Ansicht