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Die internationale Concurrenz unter dem Gesichtspunkte der nationalen Handelspolitik. Es mag zwar im allgemeinen ein nutzloses Beginnen sein, unserer deutsch-freisinnigen Presse in denjenigen Leistungen entgegenzutreten, welche darauf berechnet sind, die nationale Arbeit des deutschen Volkes dem Hafs und der Verachtung des für die Geschicke des Vaterlandes mafsgeben- den »Steuerzahlers« preiszugeben. Wir würden diese Aufgabe denn auch für eine aufserordentlich müfsige halten, wenn nicht bedauerlicherweise durch jene Verhetzung auch an einzelnen anderen Stellen bezüglich gewisser Dinge unrichtige Auf fassungen einzureifsen drohten, welche in ihren Folgerungen mit der wirthschaftlichen Wohlfahrt des Landes nicht wohl vereinbar erscheinen können. Dafs die z. Z. bei uns glücklich zum Durchbruch gekommene Wirthschaftspolitik des Reiches mit ihren segensreichen Einflüssen auf die Lebens haltung der arbeitenden Klassen und auf die selbständige Erstarkung unserer Gewerbthätigkeit dem zum Glück wenig mehr bedeutenden doctri- nären Freihandel ein gewaltiger Dorn im Auge ist, darf als allgemein bekannt gelten. Statt der mit so grofser Emphase als Folge unserer Zoll politik angekündigten Minderung des deutschen Exports hat sich das gerade Gegentheil eingestellt. Die angedrohte Vertheuerung des Consums ist nirgends eingetreten und die Retorsionszölle des Auslandes bleiben einstweilen ein frommer Wunsch der Herren Freihändler, während in früherer Zeit so wenig Amerika als Frankreich und Rufsland sich jemals haben bewegen lassen, infolge unserer niedrigeren Zölle auch ihre Eingangsabgaben zu ermäfsigen. Selbst als wir im Jahre 1873 unsern Roheisenzoll, und mit dem 1. Januar 1877 die sämmtlichen Eisenzölle fallen liefsen, hat im offensten Widerspruch mit dem Cobden- Evangelium keiner der genannten Staaten unserm Beispiel Folge geleistet. Wohl aber sind im Auslande mehrfache Zollerhöhungen ein getreten, ehe wir nur an die Reform unserer Zollpolitik rührten. Der deutsche Freisinn hat in seiner grundsätzlichen Bekämpfung der inneren Entwicklung des Reiches u. A. auch getreulich die Erbschaft der alten Manchester-Partei angetreten. Wer sich noch der naiven Hoffnung hätte hingeben können, dafs bei jenen Leuten jemals eine verständige Politik der Thatsachen Platz zu greifen vermöchte, den müfsten von einer solchen Täu schung die Wuthanfälle bekehren, welche sich jeweilig in der Presse dieser Partei erheben, so bald einmal aus den Kreisen der deutschen In dustrie der Grundsatz »nationaler Handelspolitik« für ihre Interessen geltend gemacht wird. Ein klassisches Beispiel liefern dafür die jenigen Auslassungen, welche neuerdings anläfs- lieh des Mitbewerbes der belgischen Eisenindustrie auf dem deutschen Schienenmarkte hervorgerufen wurden. Es ist in diesen Blättern schon früher und mehrfach auf das Mifsverhältnifs hingewiesen worden, welches zwischen den Productionsbe- dingungen Deutschlands einerseits und Belgiens und Englands andererseits besteht. Auf die in Betracht kommenden Umstände fufsend, glaubte man bei unserer Staatseisenbahn-Verwaltung, gegenüber den bei verschiedenen Bedarfsaus schreibungen aufgetretenen Offerten des mitcon- currirenden Auslandes, durch welche die Preise deutscher Werke unterboten wurden, dennoch eine gewisse Bevorzugung des heimischen Ge werbes beanspruchen zu dürfen. Dieser Anspruch wurde zunächst darauf begründet, dafs es billig sei, denjenigen Lasten Rechnung zu tragen, welche unserer Industrie durch die, in anderen Ländern nicht oder nur in sehr viel milderer Form bestehende, gewerbliche und socialpolitische Gesetzgebung aufgebürdet sind. Sodann wurde betont, dafs es national-ökonomisch sich als wenig verständig darstelle, wegen geringfügiger Preisdifferenzen, welche sich zur Genüge durch die von der Natur sehr viel weniger begünstigte Lage der heimischen Production erklären, dem Aus lande Lieferungen zur Befriedigung des deutschen Bedarfes zu übertragen und dadurch der vater ländischen Arbeit grofse Objecte zu entziehen, an deren Stelle auf keine Weise neue Erwerbs gelegenheiten beschafft werden könnten. Man empfindet es als ein bitteres Unrecht gegen den deut schen Arbeiter, wenn eines geringen Mehrpreises wegen die Lieferung von Staatsbahnmaterial der ausländischen Industrie übertragen wird. Es ist jedenfalls auch wenig politisch und mit dem Geiste unserer socialpolitischen Gesetzgebung schwer zu reimen, wenn man Gesetze schafft, durch welche dem Arbeiter Wohlthaten auf Kosten des Arbeitgebers erwiesen werden sollen, dem Arbeiter selbst aber denjenigen Boden (die Arbeit) entzieht, auf welchen allein er seine Ansprüche zu gründen imstande ist. Ueberdies war man in der Lage, den rechnerischen Nach weis zu erbringen, dafs bei den in verschiedenen Fällen ertheilten Zuschlägen unsere Eisenbahnen einen sehr wesentlichen kaufmännischen Gesichts punkt aufser Acht gelassen hatten. Es hätten nämlich jedenfalls die durch die inländische Production bedingten Frachteinnahmen bezw. der aus denselben sich ergebende Gewinn dem Preis unterschied der billigeren ausländischen Offerte