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302 Nr. 4. April 1887. STAHL UND EISEN. of Labour, der Ritter der Arbeit, welche gerade gegen wärtig viel von sich reden macht. Er wurde schon vor siebzehn Jahren in Philadelphia gestiftet und zwar als geheime Genossenschaft mit dem Zwecke gegen seitiger Hülfe, wo die Mitglieder sich von der Macht des Kapitals bedroht oder geschädigt sahen. Begrün det wurde er von Uriah Stevens, einem Schneiderge sellen. Letzterer war ein ungebildeter, aber that- kräftiger Fanatiker, der durch Lesen und Nachdenken zu der Ueberzeugung gelangt war, dafs der Besitzer des allmächtigen Dollars der natürliche Feind des ar beitenden Volkes sei und sich von dem mäste, was dessen Hände schaffen —■ eine Ueberzeugung, die im Lande der Goulds und Fisks natürlicher ist als ander wärts. Das Geheimnifs, welches die von ihm gestiftete Gesellschaft umgab, desgleichen die Titel, die in ihr wie in ähnlichen Verbindungen zu erlangen waren, übten ihren Zauber aus, und schon nach einem halben Jahrzehnt war eine sehr grofse Anzahl der Gewerksge- hülfen und kleinen Gewerktreibenden Philadelphias dem Orden beigetreten, der gleich den Freimaurern seine Zeichen, Griffe und Hieroglyphen hatte. Oft bemerkte man am Tage auf den Trottoirs Kreuze und andere Symbole, die mit Kreide hingezeichnet waren, und in der folgenden Nacht sah man zwei- oder dreitausend Arbeiter sich auf einem entlegenen Platze zu der Ver sammlung einfinden, zu der mit den Symbolen einge laden worden war. Acht Jahre lang wulste man aufser- halb der Gesellschaft nicht einmal, wie sie sich nannte, und erst 1881 erfuhr das Publikum, dafs in ihr ein geheimer Mittelpunkt des Kampfes der Arbeit gegen das Kapital existire, welcher damals bereits in verschiede nen Symptomen zum Ausbruche gekommen war. Der amerikanische Zeitungsreporter sieht und hört durch sieben Schlüssellöcher hindurch, und so gelangte er mit seinen Beobachtungswerkzeugen auch hinter den Vorhang, der die Ritter der Arbeit verbarg, und bald war die Presse so ziemlich über sie unterrichtet. Man weifs jetzt ziemlich genau, wie sie organisirt und ge gliedert sind, wozu sie sich bekennen, was sie fordern und erstreben. Der Bund ist heutzutage über alle Staaten der Union verbreitet und hat an seiner Spitze eine Art Grofsmeister, den General Master Workman. Da neben bestehen Haupt-, Bezirks- und Ortsversammlungen sowie ein Ausführungsrath. Die Ortsversammlungen beschränken sich auf Mitglieder eines und desselben Gewerbes oder Handwerks, so dafs jede Stadt ihren Schuster-, Schneider-, Tischler-, Maurerclub u. s. w. hat, die sich dann in besonderen Fragen zur Bezirks versammlung vereinigen. Die Bezirksversammlungen ihrerseits treten gelegentlich durch Abgeordnete zur Hauptversammlung zusammen, die über Mafsregeln im Interesse aller Bundesglieder verhandelt und Be schlüsse fafst. Mitglied des Ordens kann mit einigen Ausnahmen Jedermann ohne Unterschied der Nationali tät, der Farbe, des Geschlechts und des Glaubens werden. Nur Advocaten, Bankiers, Börsenmakler, Spieler von Profession und Sckenkwirthe sind ausgeschlossen. Die Beamten der Gesellschaft thun ihren Dienst in der Regel umsonst, sie werden nur besoldet, wenn er ihre ganze Zeit beansprucht, und dann erhalten sie nur so viel, als sie mit ihrem Gewerbe verdienen würden. Das Motto des Ordens ist: An injury to one is the concern of all, der Schaden eines von uns geht alle an. In der Auseinandersetzung der Grundgedanken des Bundes stofsen wir auf Sätze wie: „Die Entwick lung und das aggressive Wesen der grofsen Kapitalisten und Consortien mufs gehemmt werden, sonst endigt es mit Verarmung und hoffnungsloser Unterdrückung der arbeitenden Massen,“ und: „Ungerechter Anhäufung von Reichthum und der Macht angehäuften Reichthums, zu schaden, mufs Einhalt gethan werden.“ Als Ziele des Ordens werden bezeichnet: „Zu bewirken, dafs industrieller und moralischer Werth , nicht Grofse des Besitzes als wahres Mafs persönlicher und nationaler Grofse gelten, sowie den Arbeitern den vollen Genufs des Reichthums, den sie schaffen, hinreichende Mufse zur Entwicklung ihrer geistigen, sittlichen und gesell schaftlichen Fähigkeiten und alle Wohlthaten und Freuden geselligen Lebens, kurz einen Zustand zu sichern, der sie zur Theilnahme an den Gewinnen und Ehren der fortschreitenden Bildung befähigt.“ Im einzelnen wird u. A. verlangt: Abschaffung der Kinderbeschäftigung in Werkstätten, Fabriken und Bergwerken, Auslöhnung in Geld, nicht, nach dem Trucksystem, ganz oder theil weise in Waaren, achtstündige Tagesarbeit als Regel, Beseitigung der Banken und Ausgabe von Noten oder Münze direct von Seiten des Staates, Verbot der Ein fuhr fremder, contractmäfsig gebundener Arbeitskraft, endlich freie Cooperation zur Ueberwindung des Lohn systems. Stevens wollte nicht, dafs seine Ritter der Arbeit das würden, was sie jetzt sind, Urheber und Leiter von Arbeitseinstellungen. Nach seinem Plane sollte „der Orden den Charakter und die Einsicht des Arbeiters heben, indem er ihn seine Rechte kennen lehrte und ihn dann darauf hinwies, diese Rechte durch schiedsrichterlichen Spruch zu erlangen“; nur als letztes Mittel sollte man streiken, dann aber „den Unterdrücker mit der ganzen Kraft der Organisation im Lande zum Nachgeben nöthigen". Die Ritter der Arbeit sind diesen Grundsätzen ihres ersten Grofsmeisters in den letzten Jahren untreu geworden. Die grofsartigen Arbeits einstellungen, welche seitdem die Kapitalisten Amerikas ängstigen und schädigen und den Bahnverkehr stören, sind auf Agitatoren zurückzuführen, welche direct mit den Arbeitgebern unterhandeln und ihnen die Friedens bedingungen vorschreiben. Die Genossenschaft scheint den Händen ihrer mafsvolleren und klügeren Führer ent schlüpft zu.sein; wenigstens hat sich der Nachfolger des verstorbenen Stevens nicht unverständig ausge sprochen. Der unvermeidliche Interviewer, der in Amerika alle hervorragenden Leute ausfragt, setzte auch bei dem jetzigen General Master Workman seine Preis schraube an und erhielt eine Antwort, nach welcher sich viele Streitigkeiten auf friedlichem Wege beseitigen lassen würden. „Schiedsrichterspruch also,“ schlofs diese Antwort, „und keine Niederlegung der Arbeit. Verständigung, wenn irgend möglich, und Streik nur äufserstenfalls , dann aber tüchtig, ernstlich und gründ lich und kein Nachgeben bis zu billigem Zugeständnifs, Die Ritter der Arbeit und die Arbeitergenossenschaften, die mit ihnen sympathisiren, bilden gegenwärtig die mächtigste Organisation arbeitender Menschen, welche die Weltgeschichte aufweist. Ihre Stärke wächst mit jedem Tage, und ihr Einflufs wird auf allen Gebieten gewerblichen Verkehrs empfunden. Es ist aber ge fährlich , diese Macht zu mifsbrauchen.“ Sie ist nun seitdem in der That gemifsbraucht worden zu aller hand Gcwaltthat und Unfug. Die Ritter sind vom Appell an Schiedsgerichte zu Streiks und von solchen zu »Boykottirungen« und sogar, ebenso wie in Belgien, zu schweren Verbrechen gegen das Eigenthum überge gangen. Die öffentliche Meinung war ihnen anfangs nicht ungünstig gestimmt, wenn sie aber jetzt alle Unternehmungen des Kapitals zu zerstören drohen, falls man ihre mafslosen Forderungen nicht gewährt, so wird die rechte Antwort der amerikanischen Gesell schaft nicht auf sich warten lassen. Nirgends in der Welt ist man so rasch bei der Hand als hier, wenn es gilt, gesetzlose Rotten mit Kartätschen zur Ruhe zu bringen. (Grtu^bolcn.)