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442 Nr. 6. n STAHL UND EISEN.“ Juni 1887. weise noch so unversehrt erhalten war, als sei sie eben erst hergestellt worden. Trotz aller Achtung vor der Findigkeit der alten Aegypter und der vorzüglichen Güte ihrer Bronze, glauben wir aber heute nicht mehr an die Möglichkeit, diese ausreichend zu härten. Möglich ist es, dafs die Aegypter, wie der englische Alterthumsforscher Flin ders Petri* auf Grund seiner Untersuchungen an nimmt, neben ihren Werkzeugen aus Stahl und Eisen auch noch Bohrer und Sägen benutzten, deren Schneiden und Zahnspitzen mit Edelsteinen besetzt waren. Letztere Annahme hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. „Nie mand, der einmal versucht hat, einen ägyptischen Granitblock anzubohren oder anzuschneiden,“ sagt Wilkinson, „wird mehr bezweifeln, dafs die Spitzen unserer besten Stahlwerkzeuge dabei in kurzer Zeit krumm werden.“ Unter den vielen Thatsachen, welche für die frühe Bekanntschaft der Altägypter mit Eisen und Stahl sprechen, darf auch nicht unerwähnt bleiben, dafs die alten Bewohner des Nillandes nachweisbar in grauen Zeiten besonders die Gewinnung und Verarbeitung des Goldes und Kupfers bereits in ausgedehntem Mafse betrieben haben. Die Goldbergwerke an der Süd grenze des Reichs in Nubien waren schon zur Zeit der 4. Dynastie in Betrieb, während der Betrieb der alten Kupferbergwerke auf der Sinaihalbinsel, um welche bereits 5700 v. Chr. König Snefru mit den Arabern kämpfte, noch älter war. Wir sind daher wohl be rechtigt, anzunehmen, dafs die alten Aegypter schon in der Periode der 4. Dynastie auch mit dem einfachen Vorgänge der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens bekannt gewesen sein müssen, und dafs die bewun derungswürdige Vollendung ihrer Steinhauerarbeiten in dem festesten Granit, Basalt oder Porphyr ohne An wendung von stählernen Werkzeugen nicht zu ermög lichen war. Die Aegypter müssen es in jener Periode auch schon verstanden haben, den Stahl vorzüglich zu härten. Ihre Werkzeuge standen in bezug auf ihre Härte den unsrigen in Nichts nach; man denke nur an die grofse Mühe, die es den französischen Ingenieuren verursacht hat, in der theilweise bereits verwitterten Basis des Obelisken von Luxor einen Einschnitt von etwa nur einem halben Meter Tiefe zu machen. Diese Thatsache bezeugt zur Genüge, dafs wir es selbst heute noch mit Unterstützung unserer ausgezeichneten modernen Werkzeuge schwierig finden, das zu thun, was den alten Aegyptern anscheinend eine Kleinigkeit war. Ein hervorragender Zweig der ägyptischen Industrie ist die Eisengewinnung nie gewesen. Wohl besas das Nilland einst einen grofsen Reichthum an Gold und Kupfer, dagegen war es von jeher nicht allein arm an Brennmaterial (Holz), sondern auch an Eisen. Im eigentlichen Nilthal finden sich gar keine Erzlager, wohl aber auf dem östlichen Ufer des Nils im Berg land, welches das Flufsthal vom Rothen Meere scheidet. Die Aegypter bezogen das Eisen daher meist vom Auslande, und zwar in älterer Zeit als fertige Waare aus Aethiopien. Späterhin, als sie mit den asiatischen Völkern in Palästina, Syrien und Mesopotamien in feindliche oder friedliche Berührung traten, flofs ihnen aus der neuen Quelle, namentlich durch die Phönizier, neben der Bronze, Eisen in solcher Menge zu, dafs wahr scheinlich dadurch die alte äthiopische Bezeichnung für verarbeitetes Eisen — m e n — allmählich verloren ging, um einer neuen Benennung — tehaset — Platz zu machen.** Die Bezeichnung men erscheint erst in den In schriften der jüngeren Periode. Die ältesten Urkunden dieser Art sind wohl die Inschriften aus der Zeit des * The Pyramids and Tempels of Gizeh vergl. Centralblatt der Bauverwaltung. 1884. S. 24. ** Lepsius, a. a. O. thatenreichen Königs Thotmosis III. oder seines Sohnes Amenophis II. und die Inschriften der Tempelwände in Luxor und Karnak, in denen neben Gold, Silber und Gefangenen auch mit Eisen gefüllte Gefäfse als Kriegs beute aufgeführt werden.* Es heifst dort z. B. bei der Aufzählung der Beute von Thotmosis III.: ,, 100 ten Silber, 100 ten Gold, chesbet, mafek und Geräthe von men.“ Nach Lepsius bezeichnet chesbet einen blauen Stein (Kupferlasur) und mafek einen grünen Edelstein, ten war das ägyptische Einheitsgewicht (etwa 100 g). In den späteren Inschriften werden Thürschlösser, Thor- einfassungen, Beschläge u. s. w. von tehaset genannt, besonders in den Tempeln; dagegen finden Waffen aus tehaset keine Erwähnung. In der Inschrift von Dendera heifst es: „Der König bringt Dir das Land Bektot** versehen mit tehaset in seiner Natur aus den Minen Asiens, um anzufertigen die Schlösser der Thüren Deiner Wohnung, und um einzufassen die Schreine Deiner Behausung, darbringend das tehaset Deinem Hause.“ Nach den gründlichen Auseinander setzungen von Lepsius darf an der Richtigkeit der An nahme, dafs die Gruppen men und tehaset Eisen bedeuten, und zwar ersteres das Eisen aus Aethiopien, letz teres das Eisen aus Asien, nicht mehr gezweifelt werden. Die heute noch in den eisenreichen Gegenden des oberen Aethiopien und von Darfur geübte Dar stellungsweise des Eisens stimmt merkwürdigerweise mit dem altägyptischen Verfahren, das in Abbildungen auf uns gekommen ist, überein. Zwei Figuren eines in Florenz verwahrten Steines zeigen solche Abbil dungen.*** In einer Figur tritt ein jugendlicher Neger- sclave einen einfachen Blasebalg, aus welchem der Wind durch ein Bambusrohr einer flachen Grube zu geführt wird, in welcher die Abscheidung des Eisen erzes vor sich geht. In der zweiten Figur wird das Eisen auf einem Ambos, der aus einem flachen, runden, auf Holz liegenden Steine besteht, mit einem steinernen Hammer ausgeschmiedet.-J- Neuere Berichte der Afrika' Reisenden melden uns, dafs die barbarischen Bewohner des Sudans noch heute wie vor 5000 Jahren ihr Eisen in der nämlichen urwüchsigen Weise gewinnen + Wir könnten danach Aethiopien als die wahrscheinlich älteste Stätte der Eisengewinnung betrachten, wenn wir zur Zeit nicht mehr in Zweifel darüber wären, ob diese Stätte nicht auf dem Boden Asiens zu suchen ist. Auch bleibt ja immerhin noch die Möglichkeit, dafs die Aethiopier die Kunst der Eisenbereitung von dem alten Nilvolke übernommen haben, obwohl für eine solche Uebertragung triftige Gründe nicht sprechen. Andreetrt ist der Ansicht, dafs die Eisenbereitung ein durchaus ursprüngliches Gewerbe der Neger ist, wobei er nicht unterläfst, die oberflächliche Behauptung des Hrn. Gabriel de Mortillet,§ der alle Eisenge werbe von den Schwarzen abzuleiten sucht, in ihrer Nichtigkeit blofs zu stellen. Eine »Bronzezeit« ist für Aegypten nicht nach zuweisen, ebensowenig der Ursprung des Zinns, welches für die Mischung der thatsächlich vorhandenen alt ägyptischen Bronzen benutzt wurde. Da es für Zinn auf den Denkmälern keine hieroglyphische Bezeichnung giebt und auch nichts darüber bekannt geworden ist, dafs das alte Nilland jemals eigene Zinnerze besessen hat, so gewinnt die Ansicht, nach welcher die ägyp tische Bronze ursprünglich aus Asien stammte, an Wahrscheinlichkeit. (Fortsetzung folgt.) * Mittheilung von Ebers an die französische Aka demie. Journal officiel vom 13. Mai 1873. ** Eine Landschaft in Persien. *** Nach Rossel ini, il monumenti dell Egitto. + Dr. Ludwig Beck, die Geschichte des Eisens. S. 97• rt Russegger, Reise in Aegypten, Nubien und Ost sudan. Stuttgart. II. 2. S. 286 ff. tit Die Metalle bei den Naturvölkern. 1884. S. V. § Bulletins de la soc. d’Anthropol. 1883. S. 562.