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Juni 1887. » STAHL UND EISEN.“ Nr. 6. 441 unzweifelhaft aus der Periode des alten Reiches her rührt, ist das Bruchstück eines gröfseren Werkzeuges, das der Engländer Hill am 26. Mai 1837 beim Los sprengen einiger Steinlagen von der grofsen Pyramide des Cheops in einer inneren Steinfuge derselben vor fand. Das merkwürdige Stück, jetzt eine der gröfsten Seltenheiten der Sammlungen des britischen Museums, hätte sonach ein Alter von fast 5000 Jahren. Die Gelehrten haben lange Zeit wegen des be- regten Mangels an Eisenfunden und wegen fehlender Bestätigung in den Schriften der Alten eine frühe Bekanntschaft der Aegypter mit dem Eisen nicht zu geben wollen. Dem Berichte des Herodot, in welchem von dem namhaften Verbrauch des Eisens zur Er bauung der grofsen Pyramiden die Rede ist,* traute man nicht, obwohl es jetzt wohl zweifellos ist, dafs der »Vater der Geschichte« bei weitem nicht jener »Vater der Lügen« war, zu welchem man ihn ehedem hat stempeln wollen. Gerade die neueren archäologischen Forschungen haben der Glaubwürdigkeit und Zuver lässigkeit der Berichte Herodots in vielen Fällen ein glänzendes Zeugnifs ausgestellt. Eine gewaltige Stütze für die Zweifler bildet der Inhalt der ersten 4 Bücher Mosis, soweit die Schicksale und Drangsale der Juden in Aegypten bis zum Zuge durch das rothe Meer in Frage kommen, denn nirgends wird ein Vorhanden sein von Eisen in jener frühen Periode der ägyptischen Geschichte darin angedeutet, Gold, Silber und Erz brachten die Juden aus Aegypten haufenweise mit; sie hatten auch gelernt, diese Metalle zu giefsen bezw. zu bearbeiten; das beweist der Bau der Stiftshütte mit der Bundeslade und der Gufs des goldenen Kalbes. Moses vor Allen mufs den Aegyptern viel von ihren geheimen Künsten abgesehen haben, denn er „nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und verbrannte es mit Feuer und zermalmte es zu Pulver und stäubte es aufs Wasser und gab es den Kindern Israels zu trinken“,** ein schwieriges Verfahren, das selbst dann noch ohne bedeutende metallurgische Kenntnisse nicht wohl aus geführt werden konnte, wenn, wie man annimmt, das goldene Kalb nicht massiv, sondern mit einem Holz kern ausgefüttert war. Nur eine einzige Stelle im Exodus, wo von dem Bau des Altars die Rede ist und gesagt wird: „Du sollst ihn nicht von gehauenen Steinen bauen, denn wo Du mit Deinem Messer dar über fährst, wirst Du ihn entweihen“, möchte an deuten, dals Moses aufser anderen Metallen auch Eisen in Aegypten kennen gelernt hatte, denn es ist hier ein eisernes Messer gemeint, was die Parallelstellen im 5. Buche und im Buche Josua ausdrücklich be stätigen.*** Alle Zweifel an einer frühen Bekanntschaft der Aegypter mit dem Eisen müssen aber schwinden, wenn man die wunderbaren Denkmäler aus den drei Glanz perioden ihres Reiches, unter den Regierungen der vierten, zwölften und achtzehnten Dynastie, insbesondere die darin gegebenen Aufschlüsse über Einzelheiten ihrer gewerblichen und technischen Kunstfertigkeiten an der Hand der neuesten Aufdeckungen einer richtigen Würdigung unterzieht. Ausführliche lebenswahre Schil derungen der gesammten gewerblichen Thätigkeit der Aegypter bieten uns die Wandmalereien. Wir sehen dort Landbau, Jagd, Fischfang, alle Arten Gewerbe: Glasbläser, Töpfer, Flachsbereiter, Weber, Bäcker, Gerber, Gürtler, Schuster, Schlachter, Fleischer, Gold schmiede u. s. w., ja selbst Akrobaten dargestellt. Es sollen nachfolgend nur die das Eisen betreffenden Darstellungen hervorgehoben werden. In den thebanischen Monumenten und den Gräbern in der Nähe von Memphis, die über 4000 Jahre alt * Herodot, II., 125. * * 2. Mosis 32, V. 20. * ** 2. Mosis 20, V. 25. — 5. Mosis 27, V. 5 und Buch Josua 8, V. 31. sind, sieht man Schlachter abgebildet, welche ihre Messer an einem runden Metallstück schärfen, das an ihrer Schürze befestigt ist.* Das Metallstück ist mit blauer Farbe dargestellt. Daraus darf man schliefsen, dafs es Eisen war, weil in allen anderen Darstellungen in den Gräbern der 4. und 5. Dynastie gewisse charakteristische Gegenstände, Werkzeuge, verschiedene Waffen und Theile von Kriegsgeräthen, Schiffsbeschläge u. s. w. stets mit blauer Farbe gekennzeichnet sind, während bronzene Gegenstände später, z. B. in der Grabkammer des Königs Ramses III., immer durch rothe Farbe versinnlicht sind. Ueberdies bestätigen Ebers** und Lepsius,*** dafs bei der farbigen Behand lung der die Metalle darstellenden Hieroglyphen für Eisen ebenfalls die blaue Farbe gewählt, während dabei Kupfer durch Roth und Bronze durch Grün dargestellt worden ist. In den prächtigen Grabesgrotten von Beni-Hassan, die in der Glanzperiode des alten Reichs unter den Königen der 12. Dynastie erbaut wurden, und an anderen Denkmälern finden wir zahlreiche Abbildungen über allerlei Handleistungen der Steinhauer, in denen das Zurichten der Quadern, das Zuhauen, Glätten und Poliren von Steinkolossen u. s. w. anschaulich vor die Augen geführt-wird. Sie lehren uns, dafs die Bau kunst von den Aegyptern als vornehmste Kunst er achtet wurde. Namen vieler Meister dieser Kunst haben die Denkmale erhalten, während Namen von Bildhauern,. Dichtern, Musikern, selbst von Staats männern und Heerführern selten genannt werden. Besonders mit Bezug auf die gewaltigen, unerreichten Leistungen in der Baukunst durften die ägyptischen Priester, aus deren Stande die Baukünstler hervor gingen, dem Solon, als er ihre Heiligthümer besichtigte, die Worte zurufen: „Griechen, ihr seid nur Kinder!“ Die Aegypter verfügten daneben über ausgedehnte Steinbrüche mit vorzüglichem Material und in den mannigfaltigsten Farben, als: Kalksteine, Porphyre, Basalte, Granite und Syenite. Es ist bekannt, welche Riesenarbeiten die grofsen Könige der 4. Dynastie be hufs Transport jener ungeheuren Massen von Kalkstein, welche die Pyramiden verschlangen, ins Werk setzten. Die Werkzeuge der Steinmetzen waren, nach den Ab bildungen zu urtheilen, Meifsel und Spitzhammer, aus einer schmalen mit Holzstiel versehenen Metallspitze bestehend. Diese Spitzen können ihrer Form nach und in Anbetracht der aufserordentlichen Härte des be arbeiteten Materials nur aus Stahl hergestellt ge wesen sein. Lange Zeit hat man sich gesträubt, diese zur Zeit in berufenen Fachkreisen für richtig gehaltene An nahme gelten zu lassen. Man hat gemeint, die Aepypter hätten vielleicht die geheime Kunst verstanden, Bronze durch besondere Legirung wie Stahl zu härten, sei doch auch die Kunst, Bronzeklingen eine gewisse Elasticität zu verleihen, sowie auch die künstliche Erzeugung einer weichen Patina von dunklem oder lichtem Grün oder einer andern Farbe, welche die ägyptische Bronze, obwohl sie Jahrtausende lang in der Erde lag, allen Einflüssen des europäischen Klimas zum Trotz bis auf den heutigen Tag weich und glänzend erhalten hat, ebenso wie manche andere Erfindung, ein Geheimnifs des alten Nilvolkes gewesen.- Man berief sich dabei auch auf einen Bronzemeifsel , der in den Kalkfelsen der thebanischen Gräber mitten unter abge- sprengten Felsstücken aufgefunden wurde. Der Kopf des Meifsels erschien wie von den Schlägen eines Hammers gebogen, während die Spitze merkwürdiger- * Wilkinson: A populär Account of the ancient Egyptians. 1871. II. S. 155. ** Zeitschrift für ägyptische Sprache. 1871. 19. *** Die Metalle in den ägyptischen Inschriften. S. 102. Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften.