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430 Nr. 6. „STAHL UND EISEN.“ Juni 1887. Ende dieses Jahres ablaufenden Handelsvertrages zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn in Kraft treten sollen und gemäfs welchen die feuerfesten Steine mit dem doppelten bis vierfachen des deutschen Zollsatzes belegt werden sollen. Da die Ausfuhr feuer fester Steine von Deutschland nach Oesterreich-Ungarn über 1/a der deutschen Gesammtausfuhr, und anderer seits die Einfuhr feuerfester Steine aus Oesterreich- Ungarn nach Deutschland beinahe die Hälfte der Ge sammtausfuhr feuerfester Steine aus Oesterreich-Un- garn ausmacht, so ist der Verein an mafsgebender Stelle vorstellig geworden, dafs die österreich-ungari schen Zölle im Handelsverkehr mit Deutschland den deutschen Zöllen auf feuerfeste Steine und Chamotte- speise (zollfrei) gleichgestellt, keinesfalls aber höher bemessen werden. — Ferner kam zur Sprache, dafs die Gasöfen in die höchste Gefahrenklasse der Ziegeleiberufsgenossen schaft eingereiht worden seien. Es wurde auf die Unge fährlichkeit des Gasofenbetriebes mit Einstimmigkeit hingewiesen und die Hoffnung ausgesprochen, dafs diese technische Abnormität baldige Berichtigung finde. — Zum technischen Theil der Tagesordnung über gehend, berichtete Hr. Schlickeysen-Berlin, dafs die Firma Martin & Pagenstecher in Mülheim a. Rhein seit drei Jahren von ihm gelieferte Ziegelstrangpressen mit Abschneidevorrichtung für feuerfeste Ziegel in Gebrauch habe, welche 6000 Ghamotteziegel in 10 Arbeitsstunden liefern. Aehnliche Einrichtungen habe er auch für die Kruppsche Ghamottefabrik und die Königin-Marienhütte in Cainsdorf bei Zwickau zur Herstellung von Dinasziegeln hergestellt. Hierauf hielt Hr. Ingenieur Mendheim-München einen Vortrag über die zum Brennen feuerfester Pro ducts gebräuchlichen Oefen. Bezüglich desselben ver weisen wir auf die für diese Zeitschrift vom Redner besonders angefertigte Bearbeitung in voriger Nummer. Nach einigen Mittheilungen über Pelzers Ent stäubungsapparate und Cohrsche oder ähnliche Trocken- einrichtungen für feuerfeste Producte, legte Herr Dr. Heintz bei der Besprechung über Magnesia- und Bauxit-Ziegel einen südfranzösischen Bauxitstein aus einer sehr renommirten Bezugsquelle vor. Diese Ziegel enthalten nach einer Analyse: 33,7 % Kieselsäure, 60,4 „ Thonerde, 5,4 „ Eisen, als Oxyd berechnet. Die geflissentlich angestellte Prüfung auf Titan säure habe nur 1/10 % ergeben. Letztere dürfe bei gewissenhaften Analysen nicht vernachlässigt werden und komme besonders in Schieferthonen als Titan eisen vor, über dessen Schädlichkeit vor einigen Jahren Hr. Professor Dr. Seger bereits Mittheilungen gemacht habe. Die eine Hälfte des Bauxitziegels sei einige Tage der Temperatur ausgesetzt gewesen, wel cher Segers Pyroskope 17 bis 18 entsprechen, also 1600 bis 1650°, und ist an dem Stein zu erkennen, wie sehr er schon nach dieser kurzen Zeit geschwun den ist, nämlich um mehrere Procente; und doch war er anscheinend von Hause aus verhältnifsmäfsig scharf gebrannt. Dieser Stein dient somit als Be weismittel gegenüber oft übermäfsiger Vorliebe für Bauxitziegel. Hr. Max J. Sachs: Auf dem französischen Stahl werk in Dombrowa in Russ.-Polen habe man aus französischem Bauxit Ziegel für den Martinofen her zustellen versucht. Da dieselben aber im Gebrauch zu sehr gebröckelt und zersprungen seien, sei man davon wieder abgekommen. Hr. Lezius zeigte Proben der von ihm ohne Theerzusatz hergestellten Magnesiaziegel vor, welche durch gleichmäfsige Dichte und Gompactheit sich aus zeichnen, besprach das Brennen von Magnesia und Magnesiasteinen im Mendheimschen Ofen, sowie im allgemeinen die Herstellung dieser Steine in Schlesien und dem Rheinland. Hr. Dr. Heintz beschrieb noch unter Miltheilung von Analysen die in Steiermark gebräuchlichsten Magnesiasteine, welche dort aus Magnesit mit Thon als Bindemittel hergestellt werden und sich somit von Lezius-Magnesiaziegeln wesentlich unterscheiden (wie etwa Thondinas- von Kalkdinassteinen). — Ueber »Erfahrungen mit Segers Pyroskopen oder sonstigen Apparaten zur Messung höchster Betriebs temperaturen in der Praxis« berichtet Hr. Dr. Heintz, dafs in der Saarauer Fabrik die Segerschen Pyroskope als äufserst handlich, einfach und zuverlässig sich be währt haben. „Auch zu Temperaturmessungen in Feuerungsan lagen der chemischen Industrie, in Retortenöfen u. s. w. sind dieselben benutzt worden. Ich habe darüber im vorigen Jahr einiges veröffentlicht.* In den Händen der Betriebsbeamten und tüchtigen Feuerleute sind sie recht werthvoll behufs objectiver anschaulicher Wärmemessung. Ob irgend eine bestimmte damit ausgedrückte Betriebshitze gleich etwa 1600 oder 1650“ ist, das ist uns Praktikern wohl Nebensache; aber gesetzt, man will den Einflufs veränderter Quer schnitte von Luft- und Gaskanälen oder Betriebshitzen voneinander entfernter Oefen unabhängig von sub- jectiver Auffassung und ohne grofse Kosten direct vergleichen, so giebt es nichts Einfacheres und Deut licheres als die Benutzung der Segerschen Pyroskope.“ Hr. Professor Dr. Seger : Ueber die wissenschaft liche Grundlage dieser Pyroskope habe ich mich im vorigen Jahr ausgelassen. Aehnliche Schmelzkegel, Schmelzkörper, sind auch anderwärts schon seit langer Zeit als praktisch erwiesen und benutzt. Man hat nun meinen Pyroskopen vorgeworfen, dafs sie nicht ihrer numerirten Reihenfolge nach niederschmelzen. Diese Einwürfe stützten sich indefs nur auf Versuche in so kleinen Oefchen, welche nicht im entferntesten die constante Temperaturgleichmäfsig- keit und Sicherheit der Beobachtungen bieten, wie sie die Feuerungsanlagen der Praxis, die wirklichen Brennöfen, gewähren. In letzteren habe nicht nur ich diese Schmelz körper hinlänglich durchprobirt, sondern die kerami sche Praxis hat sie in sehr vielen Betrieben gutge- heifsen. Seit Mai v. J. hat man von der keramischen Versuchsstation über 60 000 Stück derselben bezogen ; von vielen Fabriken werden sie fortlaufend, regelmäfsig beim Brennprocefs benutzt. Man hat ferner getadelt, dafs die ursprünglich mit Nr. 20 abschliefsende Pyroskopenreihe nicht bis zur völligen Platinschmelzhitze reiche. Dieses ist aber eine Temperatur, die bei den Brennprocessen der Praxis doch gerade nicht immer verlangt wird. Hr. Ingenieur Blafs in Essen a. d. Ruhr hat als Vertreter der Wassergas-Industrie von mir Pyroskope höherer Schmelzgrade gewünscht, und habe ich ana log der Abstufung der ursprünglichen höchsten Num mern durch Vermehrung des Kieselsäure- und Thon erdegehalts noch 6 Nummern, also 21 bis 26 Hrn. Blafs geschickt. In der Hitze seines Wassergasfeuers hat er sie allerdings alle dünnflüssig niedergeschmolzen. Die vorgelegten Pyroskope zeigen, dafs sie unge brannt jetzt nicht mehr so zerbrechlich wie die ersten sind. Den Schlufs der Verhandlungen bildete eine Mit- theilung von Ingenieur Queva über Gontrol-Melde- und Zählapparate. * Vergl. »Stahl und Eisen« 1887, Seite 62.