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416 Nr. 6. „STAHL UND EISEN.“ Juni 1887. zu erkennen bei einem 24 Stunden hindurch ohne Unterbrechung in zwölfstündigen Arbeits schichten fortgesetzten Betriebe. Wird hier, wie der Redner der Socialdemokraten im Reichstage verlangte, die Arbeitszeit auf 8 Stunden herab gesetzt , so mufs an die Stelle der doppelten die dreifache Belegschaft treten, und da die Ma schinen in den 24 Stunden nur die gleiche Ar beitsmenge liefern werden, so wird die bis dahin auf zwei Arbeiter entfallende Lohnquote auf drei vertheilt werden müssen. Dieses Verhältnifs liegt für jeden wirklich Sachverständigen so klar, dafs wir auf weitere Beweisführung hier wohl ver zichten können. Die Annahme, dafs eine Kürzung der Arbeits zeit eine Verminderung des Arbeitsver dienstes nicht herbeiführen würde, dürfte aus dem soeben Gesagten gleichfalls als widerlegt erachtet werden können. Diese Annahme ist aber, wie die ganze, auf Einführung eines Maxi malarbeitstages gerichtete Bewegung, socialde mokratischen Ursprunges, die Befürworter des Maximalarbeitstages in anderen Parteien haben sich in dieser Beziehung lediglich der Social demokratie angeschlossen; daher sei es uns gestattet, diesen Punkt etwas eingehender zu erörtern. Die Führer der Socialdemokraten brauchten den Normalarbeitstag als Agitationsmittel; sie versuchten denselben ihren Anhängern werthvoll zu machen, indem sie die Sache so darstellten, dafs die gleiche Arbeitszeit für Alle, durch welche auch der gleiche Lebensgenufs für Alle bewirkt werden sollte, nicht nur die Erhaltung des derzeitigen Lohnes, sondern eine Erhöhung desselben herbeiführen würde. Die dabei an gewendete Argumentation sollte beweisen, dafs durch Verkürzung der Arbeitszeit zur Herstellung der gleichen Menge von Producten mehr Arbeiter beschäftigt werden müfsten, dafs dann das An gebot von Arbeit sinken und die Nachfrage nach Arbeitern steigen werde, dafs somit die Minde rung der Arbeitszeit eine Steigerung der Löhne ergeben müsse. Diese Beweisführung widerspricht vollständig der Behauptung des Antragstellers und seiner Genossen, dafs die Kürzung der Arbeitszeit die Gröfse der Production nicht beeinflusse. Mit ihrer Beweisführung setzt sich jedoch auch die Socialdemokratie in scharfen Gegensatz zu ihrem hauptsächlichsten Agitationsmitte], dem »ehernen Lohngesetz«. Die Beweisführung der Socialdemokratie ist aber falsch. Würde beispielsweise die Arbeits zeit von 12 auf 10 Stunden — letzteres bean tragten die Socialdemokraten — herabgesetzt, so würde dies eine Verkürzung um 1/6 bedeuten. Wenn nun mit dem gleichen Arbeiterpersonal nicht 1/5 weniger producirt werden soll — wir sprechen selbstverständlich hier nur von Ma schinenarbeit — so müfste zur gleichen Her stellung der gleichen Menge von Producten 1/5 Arbeiter mehr eingestellt werden. In letzterem Falle würde der Unternehmer bei gleicher Lohn höhe 1/5 Mehr an Arbeitslohn für die gleiche Productionsmenge zu zahlen haben. Er würde demgemäfs den Preis seiner Erzeugnisse um 1/6 des bisher darin enthaltenen Arbeitslohnes er höhen, oder, wenn er dies nicht durchsetzen kann, den Lohn um 1/5 herabsetzen müssen. Wo der auswärtige Wettbewerb in Frage kommt, wird der Unternehmer aber sicher die Preissteigerung nicht durchsetzen können. Die in Frage kommende Preiserhöhung würde daher' zunächst den Verlust unseres Exportes bedeuten; aber auch auf dem inländischen Markte würde der Unternehmer genau um so viel schlechter gegen die ausländische Goncurrenz gestellt werden, als sein im Preise enthaltener Antheil am Ar beitslohn steigt. Bei den vielfach bekannten ungenügenden Ergebnissen unserer industriellen Betriebe bedarf es keines weiteren Beweises, dafs in Zeiten, in denen die Möglichkeit der Production und des Absatzes häufig genug von Pfennigen abhängt, es nicht möglich ist, die Erhöhung der Lohn- quote von dem Kapital- oder Unlernehmergewinn abzuziehen. Der deutsche Arbeitgeber würde daher gezwungen sein, entweder der Goncurrenz zu weichen und den Betrieb einzustellen, oder mehr Arbeitskräfte, aber gegen entsprechend geringeren Lohn, einzustellen. Beide Folgen der Einführung des Maximal arbeitstages würden für die Arbeiter gleich ver- hängnifsvoll sein. Wollte der Unternehmer aber mit der gleichen Arbeiterzahl fortarbeiten und, der gekürzten Ar beitszeit gemäfs, 1/5 weniger produciren, so würde keine vermehrte Nachfrage nach Arbeitskräften entstehen. Es könnte nun zwar angenommen werden, dafs bei der verminderten Production und gleichbleibenden Nachfrage die Preise steigen würden. Das hierin liegende Moment für eine Lohnerhöhung würde aber Ausgleichung finden, einmal in dem Umstande, dafs der Arbeiter dann auch seine Bedürfnisse theurer bezahlen müfste, ferner aber in der gröfseren Concurrenzfähigkeit des Auslandes auf unseren und den fremden Märkten. Dadurch würde unsere Production zu rückgedrängt und demgemäfs das Arbeitsquantum verkleinert, also ein Moment für Kürzung des Lohnes geschaffen werden. Diese Umstände machen also die Erwartung der Socialdemokratie, dafs die Kürzung der Ar beitszeit die Frage nach Arbeit mehren würde, ebenso hinfällig, wie die Behauptung der sonstigen Freunde des Maximalarbeitstages, dafs ein Minder verdienst nicht eintreten würde. Die humanitären Absichten der Letzteren würden damit auch zu nichte werden; denn unzweifelhaft würde das