Volltext Seite (XML)
Mai 1887. 51 STAHL UND EISEN.“ Nr. 5. 311 holtes Niederschmelzen vor dem Winde wurde es »gereinigt«, d. h. in schmiedbares Eisen um gewandelt. Man betrachtete es als ein durch ungenügende »Reinigung« der Erze entstandenes Halberzeugnifs. Schon im Alterthume scheint dieses Verfahren üblich gewesen zu sein. Dafs nicht mancher alte Schmelzmeister die Vortheile erkannt haben sollte, welche eine regelmäfsige zuvorige Darstellung des Roheisens und Um wandlung desselben in schmiedbares Eisen ge währt, ist kaum anzunehmen; aber die allgemeinere Einführung dieses Verfahrens scheiterte jedenfalls lange Zeit an dem Mangel an Uebung in dem neuen Arbeitsverfahren und der Vorliebe aller Betheiligten für das Althergebrachte. Jars sagt an der oben erwähnten Stelle über die steierischen Stücköfen, nachdem er den Betrieb derselben aus führlich geschildert: „man sichet hieraus, um wie viel diese Art zu arbeiten beschwerlicher und kostbarer ist, als die vorhergehende (die Robeisendarstellung), weil man mehr Kohlen dabei verbraucht. Diese Art ist sehr alt, das Flofsschmelzen aber weit neuer, und man hat selbiges mit vieler Mühe eingeführt, denn die meisten Schmelzer arbeiten lieber vor Stück- als vor Flofsöfen.“ Die ältesten Oefen zur Roheisenerzeugung be- safsen also jedenfalls ganz dieselbe Form wie die damals gebräuchlichen Stücköfen zur Darstellung von Schmiedeisen und Stahl. Unsere Vorfahren im Eisenhüttenfache vor fünfhundert Jahren be schäftigten sich nun allerdings weniger als wir mit literarischer Thätigkeit; unmittelbare schrift liche Ueberlieferungen über die Einrichtung der Stücköfen jener Zeit besitzen wir daher nicht. Vorgefundene Ueberresle sowohl als die Ein richtung der im 18. Jahrhunderte noch zahlreich vorhandenen Stücköfen lassen jedoch erkennen, dafs ihre Gestalt und ihre Gröfsenverhältnisse in verschiedenen Gegenden ziemlich grofse Abwei chungen zeigten. Im wesentlichen waren diese Abweichungen ganz die nämlichen, denen wir noch heute bei einem Vergleiche der zur Eisen- darstellung benutzten Schmelzöfen wilder Volks- Stämme begegnen. Sie waren bedingt theils durch die Gröfse des Eisenbedarfs, theils durch die Leistungsfähigkeit der zur Verfügung stehen den Gebläse. Die Urform aller Schmelzöfen war eine Grube, mit Holzkohlen gefüllt, auf welche man, sobald sie in volle Glut gekommen waren, die Erze in beschränkter Menge aufschüttete, um sie zum Schmelzen zu bringen und später die entstandene, mit Schlacke durchsetzte Luppe herauszuholen. Zum Ablassen der miterfolgenden Schlacke sowie zum besseren Anfachen des Feuers fand man cs dann bequemer, dasselbe oberhalb des Erdbodens statt in einer Grube zu entzünden und die Kohlen durch eine gemauerte Umfassung zusammen zu hallen, in welcher man Oeffnungen zum Zutritte ' V.7 der Luft anbrachte; mehr oder minder früh er fand man auch Gebläse, um durch eine künst liche Luftzuführung den Procefs zu beschleunigen. Führte man hierbei den Luftstrom durch eine schräg abwärts gerichtete Düse von oben hei - in die Kohlen, so entstand das »Feuer«, dessen Höhenabmessung in allen Fällen nur eine be schränkte sein konnte (Rennfeuer, welches nach der Einführung der Roheisendarstellung auch vor wiegend zum Frischen desselben — als Frisch feuer — benutzt wurde); führte man den Wind unten ein, eine Mafsregel, welche die Durch führung von Reductionsprocessen jedenfalls er leichtert, so entstand der Stückofen. Waren der Eisenbedarf und demnach die Abmessungen des Ofens gering, so gab man diesem senkrechte Wände oder noch häufiger eine nach oben sich verjüngende Form, welche das Niederrücken der Schmelzmassen erleichterte ; bei gröfserem Raum inhalte des Ofens aber, wie er zur Erzielung gröfserer Leistungen unerläfslich war, machte sich eine Aenderung der Ofenform nothwendig. Eine alleinige Vergröfserung der Höhenabmessung würde nicht allein eine Vermehrung der uner wünschten Roheisenbildung zur Folge gehabt, sondern auch die zur Ueberwindung der Wider stände im Ofen erforderliche Windspannung bald über das beschränkte Mafs hinaus gesteigert haben, welches die einfachen Gebläsemaschinen des Mittel alters zu liefern imstande waren; man konnte demnach eine wesentliche Vergröfserung des Ofen inhaltes über ein gewisses Mafs hinaus nur durch Vergröfserung des Ofendurchmessers erreichen. Der in den unteren Theil des Ofens eintretende Wind aber mufste, da die Oefen nur einförmig zu sein pflegten, bis an die gegenüberliegende Wand vordringen können, um eine annähernd gleichmäfsige Verbrennung in dem Ofenquer schnitte hervorzubringen; hieraus ergab sich von selbst die Noth Wendigkeit, an dieser Stelle den Ofendurchmesser ziemlich klein zu nehmen und erst nach oben hin die Erweiterung eintreten zu lassen. So entstanden jene trichterförmigen Oefen, von denen der schwedische, in Schriften des vorigen Jahrhunderts vielfach, auch in Percy- Weddings Eisenhüttenkunde* abgebildete Osmund- ofen als Beispiel dienen kann. Jene Erweiterung des Ofens nach oben aber mufste eine Grenze haben, wenn nicht manche Unzuträglichkeiten — Stauung der niederrücken den Massen, Schwierigkeit der Bedienung des Ofens wegen allzu grofsen Gichtdurchmessers u. a. m. — eintreten sollten. Nachdem daher die Vervollkommnung der Gebläse die Möglichkeit gewährt hatte, auch die Ofenhöhe zu steigern (auf 3 m und darüber), gab man dem unteren Trichter einen Aufsatz mit steilen oder nach oben hin etwas sich nähernden Begrenzungslinien, * Abtheilung 1, Seite 562. 2