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Bericht an die am 13. Januar 1887 stattgefundene General-Versammlung der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller. Die Periode, über welche sich der vorliegende Bericht zu erstrecken hat, beginnt mit dem Zeit punkt der letzten, am 26. November 1885 ab gehaltenen General-Versammlung, er umfafst also das ganze Jahr 1886. In diesem Jahr sind auf allen Gebieten, die mit den wirthschaftlichen Ver hältnissen in Beziehung stehen, Erscheinungen hervorgetreten, welche für die Industrie, speciell für die Eisen- und Stahl-Industrie, wenig günstig waren. Die allgemeine geschäftliche Lage wurde hauptsächlich gekennzeichnet durch den grofsen Ueberflufs an Geld und den Mangel an Geschäf ten. Dazu kamen in der zweiten Hälfte des Jahres politische Beunruhigungen ernstester Art, welche die Unternehmungslust darniederhielten und den Druck auf die gesammten wirthschaft lichen Verhältnisse vermehrten. Unter diesem Druck hatte ganz besonders die Eisen- und Stahl - Industrie zu leiden, denn für die aufserordentlich entwickelte Productionsfähig- keit bot sich nur ungenügende Beschäftigung. Demgemäfs mufste das von der Noth bedingte äufserste Streben, von der vorhandenen Arbeits menge einen möglichst grofsen Antheil zu erlan gen, zu einem immer weiteren Niedergang der Preise führen. In dieser Beziehung wurden im Jahre 1886 die traurigsten Erfahrungen gemacht; denn einen solch niedrigen Stand hatten in der Geschichte der Stahl- und Eisen-Industrie die Preise noch niemals erreicht. Trotzdem der Werth der Roh materialien so gesunken war, dafs die Förderung derselben in den meisten Fällen Verlust brachte, demgemäfs auch die Herstellungskosten der Haib und Ganz - Fabricale wesentlich ermäfsigt werden konnten, gelang es doch häufig nicht, in den Verkaufspreisen Ersatz für die gemachten Aus lagen zu finden, geschweige denn einen irgend angemessenen Gewinn zu erzielen. Folgerichtig hätte erwartet werden müssen, dafs der seit Jahren sich vollziehende fortgesetzte Rückgang der Preise den Verbrauch vermehren und den Werken wenigstens in der Steigerung der Arbeitsmenge einen gewissen Ausgleich bieten würde. Diese Folge ist jedoch nur in sehr be schränktem Umfange eingetreten. Die Ursache für diese Erscheinung liegt in dem Umstande, dafs die Ermäfsigung der Preise an der Productionsstätte dem allgemeinen un mittelbaren Verbrauch zunächst gar nicht oder nur in sehr geringem Mafse zu gute kommt. Als ein Beispiel mag angeführt werden, dafs dem Berichterstatter nur in den letzten Tagen die । durchaus verbürgte Mittheilung zugegangen ist, nach welcher in Ostpreufsen für Stabeisen in den Abmessungen, die in den dortigen grofsen Land- wirthschaften zum gewöhnlichen Betriebe ge braucht werden, vom Grofshändler bezogen, ge- ■ genwärtig noch 7 bis 9 8 pro Pfund bezahlt werden mufs. Das macht 140 bis 180 •6 für 1000 kg, während von den Werken zu 85 bis 90 •46 verkauft wurde. Ferner betrachtet der Händler das Mehr, welches er bei fallenden Prei sen für den vorher abgeschlossenen Posten ge zahlt hat, als baaren Verlust; er kauft datier bei sinkender Gonjunctur so wenig als möglich und ist bestrebt, sein Lager thunlichst einzuschränken. Hierin ist ein wesentlicher Grund für den Ar beitsmangel und die gedrückte Geschäftslage zu erblicken. Nach ähnlichen Geschäftsgrundsätzen verfah ren aber auch die gröfseren Verbraucher, Welche, wie beispielsweise die Eisenbahnen, direct mit den Producenten in Verbindung treten. Es hat sich dies bei dem Umschläge gezeigt, der gegen Ende des Jahres 1886 eintrat und die Hoffnung auf erfreulichere Zustände, nicht nur in der Eisen- und Stahl-Industrie, sondern in der ganzen Wirthschaftslage der Nation, belebte. Bereits zu Beginn des Jahres 1886. glaubte man eine von Amerika ausgehende kleine Besse rung zu bemerken; die Anzeichen gingen aber bald vorüber und die Zeit der gröfsten Flaue trat an deren Stelle. In den Vereinigten Staaten aber war nach mehrjähriger verhältnifsmäfsiger Ruhe der Unternehmungsgeist auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues wieder erwacht. Eine gleiche Bewegung zu Ende der siebziger Jahre hatte in aufserordentlicher Ueberstürzung dahin geführt, dafs im Jahre 1882 11 568 Meilen — engl. — Bahnen zur Eröffnung gelangt waren. Darauf trat ein empfindlicher Rückschlag ein; denn es wurden nur eröffnet: iin Jahre 1883 . . . 6741 Meilen „ 1884 . . . 3825 , , 1885 . . . 3200 „