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84 Nr. 2. »STAHL UND EISEN.“ Februar 1887. ein ‘vollständig ebenes, also polirtes Eisen unter dem Mikroskop betrachtet wird. Die erste Aufgabe ist daher, die Probestücke von dem Eisen, welches untersucht werden soll, vollständig glatt zu poliren, so glatt, dafs Schleifrisse, welche Sie allerdings auch vorhin in meinen Bildern ge sehen haben, zu den Ausnahmen gehören. Zur Herstellung solcher glatt polirter Eisenstücke ge hört grofse Geduld und unausgesetzte Sorgfalt. Es hat mich gefreut, feststellen zu können, dafs unser Schleifer in der chemisch-technischen Versuchsanstalt seine Sache sehr gut macht. Ich hatte das Vergnügen , einem der ersten Stahlfabrikanten von Remscheid die Methode und die Resultate zu zeigen und von ihm zu hören, dafs sonst gut polirte Schliffe für den Handel nicht die Fein heit unserer Schliffe erreichten. Ist die zuletzt mit dem feinsten geschlemmten Eisenoxyd ganz blank polirte Fläche fertig, so kommt das Stück zur Aetzung. Es handelt sich nun darum, die einzelnen Constituenten des Eisens, sie mögen Elemente oder chemische Verbindungen sein, durch Aetzung ein wenig aus ihrer Lage gegen die vollkommen ebene Fläche zu verschieben. Dazu genügen unmefsbare Dimensionen. Die Aetzung darf also nur ganz schwach erfolgen. Die vielen Versuche haben gezeigt, dafs ein Bad von 0,5 ccm Salzsäure auf 1000 ccm Wasser das geeignetste ist und dafs 2 Minuten zur Aetzung genügen. Bevor die Aetzung vorgenommen wird, mufs das polirte Stück von allem Schleifstaub, Fett u. s. w. vollständig gereinigt sein; man wäscht es daher ab und behandelt es mit fettlösenden Mitteln, wie Chloroform, Alkohol und Aether, mit letzterem zuletzt, um das Rosten auszuschliefsen. Hierauf wird die Aetzflüssigkeit wieder durch Wasser ab gespült, das Wasser mit Alkohol fortgenommen und der Alkohol durch Aether, und nun das Stück in einem Gefäfse mit gebranntem Kalk bis zur weiteren Behandlung aufbewahrt. Sieht man ein solches Stück unter dem Mikroskop an, so kann man zwar oft die einzelnen constituirenden Theilchen schon unterscheiden, und bei Spiegeleisen, Ferromangan, grauem Eisen sie sogar recht deutlich erkennen, aber bei Flufseisen und Schweifseisen ist das grau in grau getönte Bild un deutlich, oft unerkennbar. Man mufs daher die einzelnen Constituenten verschieden färben und das geschieht durch Anlassen bei geeigneter Temperatur. Die einzelnen Constituenten haben nämlich verschiedene Fähigkeit, sich zu oxydiren. Bringt man also das Stück unter Luftzutritt in höhere Temperatur, so bilden sich dünne Oxydhäutchen, welche in reflectirtem Lichte verschiedenfarbig erscheinen, je nach ihrer Dicke. Auf einen gufseisernen Topf (ein Luftbad) kommt zu diesem Zweck eine Platinschaale, welche ein zweites ganz gleichmäfsig erwärmtes Luftbad bildet. Ein Thermometer geht durch den Glasdeckel, und seine Kugel liegt an dem anzulassenden Eisenstück an. Das Anlassen ist eine schwierige und grofse Sorgfalt erfordernde Arbeit. Leider mufs ich zugeben, dafs alle Zahlen, welche ich in den verschiedenen Lehrbüchern über die Temperatur des Anlaufens gefunden, und welche ich in gutem Glauben auch in meine Werke aufgenommen habe, falsch sind. (Heiterkeit.) Die bestimmte Anlauffarbe und die Temperatur, bei der sie erscheint, sind ganz abhängig von der Constitution des Eisens; ich habe z. B. gefunden, dafs ein siliciumfreies Eisen viel schneller an läuft als ein siliciumreiches Eisen, ein manganhaltiges umgekehrt schneller als ein manganfreies, und dafs sich ferner die Anlauffarbe bei gleicher Temperatur ganz besonders nach dem Kohlen- stoffgehalte richtet. Es kommt darauf an, ein deutliches farbiges Bild zu erhalten. Die Erfahrung hat gelehrt, dafs die beste Grundfarbe hierfür gelb ist, dann heben sich deutlich daraus orange und rothe, und andererseits blaue und violette Theile ab.* Man hat also nun ein farbiges Bild, das unter dem Mikroskop vollständig klar und deutlich ist, wenn man es in hellem, unter einem Winkel von ungefähr 45° reflectirtem Lichte betrachtet. Damit ist also diese Arbeit abgeschlossen. Nun kommt aber eine weitere Schwierigkeit. Wer solche Untersuchungen für sich machen will, der kann mit dem Schliffe zufrieden sein, falls er ihn rostfrei erhält. Die Anstalt versendet die im Auftrage gemachten Schliffe daher mit gebranntem Kalk verpackt; aber schon ein unvorsichtiges Anfassen mit feuchter Hand ruinirt die mühevolle Arbeit der Herstellung. Aus diesem Grunde erschien es zweckmäfsig, sofort Abbildungen des mikroskopischen Gesichtsfeldes herzustellen. Sie kennen derartige aus Stahl und Eisen und den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleifses. Ich will Ihnen hier noch einige zeigen, die ich auf Veranlassung der amerikanischen Holzkohlen-Hochöfener, deren Verein mich zu seinem Ehrenmitgliede gemacht hat, habe anfertigen lassen. Es sind dies mikroskopische Bilder von Koks- und Holzkohleneisen thunlichst gleicher chemischer Zusammensetzung.** Dasselbe Holzkohlenroheisen haben Sie vorhin vergröfsert gesehen. Ein Vergleich zeigt, dafs trotz der gröfsten Sorgfalt unseres überaus geschickten Zeichners, Herrn Ohmann, die Zeichnung der Struktur das bei weitem nicht wiedergiebt, noch wiedergeben kann, was Sie vorhin gesehen haben. Wenn ich den Zeichner auch neben mich setze und ihn auf Alles aufmerksam mache, was er sehen soll, so sehen doch zwei Leute der Regel nach etwas Verschiedenes, und dann versagt doch Bleistift * Vergleiche auch Seite 144 dieser Nummer. ** Vergleiche Journal of the United States Association of Charcoal Iron Workers, 1886 Nr. 3 (Vol. 7), p. 120