Volltext Seite (XML)
748 Nr. 11. „STAHL UND EISEN.“ November 1886. Rede stehenden einfache Weisung in der Lage sei, in Frage stehen ¬ dem belgischen Ministerium die zu ging, dafs man dort nicht ausländische Werke bei der den Lieferung zu betheiligen. Ob die Zuweisung der in Rente der in unserer bestgeleiteten Industrie angelegten Kapitalien fürder nicht mehr gewähr leisten. — Es wird anstandslos zugegeben, dafs unsere Technik, namentlich auf dem Gebiete der Montan-Industrie, derjenigen aller Concurrenz- länder ebenbürtig, ja, dafs die qualitative Leistung der deutschen Industrie derjenigen anderer Länder vielfach überlegen ist, und gleichwohl hat sich eine Thatsache ereignen können, welche bei um gekehrter Sachlage nach actenmäfsig vorliegenden Erfahrungen schwerlich denkbar gewesen wäre. Der Abgabe von Offerten für belgisches Staats- Material hat sich unsere Industrie längst entwöhnt, nachdem ihr s. Z. trotz der billigsten Angebote und trotz nachdrücklichster Vorstellungen von unsere deutschen Arbeiter sehr wesentlich besser gestellt sind als ihre belgischen Standesgenossen. Bezüglich der Löhne hat ja allerdings die Gesetzgebung an Sich keinen Einflufs, vielmehr regelt sich der Stand derselben nach dem durch aus allgemeinen Gesetz von Angebot und Nach frage, wenn auch gewifs in bezug auf die Herab setzung des Arbeitsverdienstes gewisse Grenzen niemals überschritten werden können, ohne die gesammte sociale Lage in bedenklicher Weise zu gefährden. Anders liegt es mit der weit gehenden Ausbeutung der Arbeitskraft, und in dieser Beziehung hat der belgische National-Oeko- nom Emil de Laveleye gewifs vollständig recht, wenn er in einem anläfslich der Arbeiter-Revolten geschriebenen Aufsatze die Frage stellt: „Ist es nicht ungerecht, dafs die Industriellen fremder Länder das Opfer der Billigkeit ihrer Landesgesetzgebung sind, und dafs Andere durch die Unmenschlichkeit der herrschenden Gesetzgebung den Vortheil haben, billiger zu sein?“ Wie es uns scheint, wird diese im Augenblick für die deutsche Industrie bereits eine tragische Bedeutung gewinnende Wahrheit nicht überall in dem Mafse gewürdigt, wie es nach Lage unserer volkswirthschaftlichen und socialen Verhältnisse der Fall sein sollte. Es wäre eine Thorheit, leugnen zu wollen, dafs, selbst von der Lohnfrage ganz abgesehen, die belgische Montan-Industrie zur Zeit durch die Gunst der in jenem Lande mangelnden Gesetz gebung in der Lage ist, ihre Verkaufspreise auf dem internationalen Markte nicht unwesentlich billiger stellen zu können als die deutschen Werke, — vorausgesetzt, dafs die Frachten nicht zu Gunsten der letzteren den Ausschlag geben. Dazu kommt, dafs die deutsche Bergwerks-Industrie eine zweiprocentige Steuer von dem ihrer Förde rung zu tragen hat, welche ebenfalls in Belgien nicht bekannt ist und so, wenn auch nur um ein Geringes, immerhin die Selbstkosten der Production zu Gunsten der dortigen Concurrenz beeinflufst. Unter solchen Umständen mufs es in der That ein peinliches Befremden verursachen, wenn selbst bei an sich geringfügigen Unterschieden seitens unserer Reichs- und Staats-Verwaltung einem belgischen Werke auf Grund der von ihm abgegebenen Schleuderofferten ein Theil des öffentlich ausgeschriebenen Material-Bedarfs un serer Bahnen überwiesen wurde. Dafs die zeitigen Preise für Eisen und Stahl auf dem gesammten Weltmärkte eine noch nie dagewesene Billigkeit aufweisen, wird von keiner Seite bestritten. — Die trotz des bestehenden Schienen- und Schwellen-Gartells der deutschen Werke bei manchen Actien-Gesellschaften vorlie genden negativen Ergebnisse der wirthschaftlichen Arbeit lehren mit trauriger Deutlichkeit, dafs die herrschenden Preisverhältnisse eine gesicherte Aufträge nach Belgien in den vorliegenden Fällen zum gewissen Theile den Bemühungen des bel gischen General-Consuls zu danken ist, oder ob nur fiscalische Erwägungen sich als entscheidend geltend gemacht haben, mag dahin gestellt bleiben; staatswirthschaftliche Rücksichten scheinen dabei nicht in Berechnung gezogen zu sein, da anders die Betheiligung der belgischen Werke an der Lieferung deutschen Staatsbedarfs nicht wohl hätte stattfinden können. Dafs unsere Eisenbahn-Verwaltung durch Aus nutzung der ihr entgegengetragenen billigsten An gebote momentan einseitige Vortheile erzielt, ist nicht zu bestreiten. Man wird auch die »natio nale« Seite der Angelegenheit unmöglich dahin zuspitzen können, dafs irgend eine Staatsbehörde als verpflichtet zu erachten wäre, trotz entgegen stehender billigerer Forderungen des Auslandes, die theureren Preise inländischer Werke zu ge nehmigen, um der heimischen Industrie unter allen Umständen das betreffende Arbeits object zu überlassen. Eine andere Frage ist es jedoch, ob — wir reden hier immer nur von Staats-Verwaltungen — bei der Vergleichung der Preise nicht stets und überall billige Rück sicht auf diejenigen Momente genommen werden sollte, welche wir oben in der Kürze unter Hin weis auf die in Deutschland bestehende Ver sicherungs-, Arbeiterschutz- und Steuergesetz gebung hervorgehoben haben. Hierzu sollte um so mehr Veranlassung vor liegen, als mit den durch jene Gesetzgebung ge forderten Leistungen die Summe der materiellen Belastung der deutschen Industrie keineswegs er reicht ist, vielmehr werden die Staatsregierung ebenso wie der deutsche Steuerzahler bei einem kritischen Vergleich der Concurrenz-Bedingungen des heimischen Gewerbes mit denjenigen anderer Länder den sehr wesentlichen Umstand nicht aufser acht lassen können, dafs unsere Industrie