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November 1886. noch keine Erfindung. Der Gedanke mufs ver körpert sein, es mufs etwas Materielles vorliegen, was ihn in die Erscheinung führt und verwirk licht. Schon in dem Worte »Erfindung« liegt, dafs es sich um die Ausführung eines Ge dankens handelt. Das wird, glaube ich, auch ganz deutlich durch den Zusatz des Gesetzes ausgedrückt: „welche eine gewerbliche Ver- werthung gestattet“. Eine Erfindung, die eine gewerbliche Verwerthung gestattet, ist nicht ein Gedanke; einen Gedanken kann ich nicht ge werblich verwerthen. Der Gedanke mufs also so weit in die That umgesetzt sein, dafs er die gewerbliche Verwerthung gestattet. Das würde sowohl für die Patentfähigkeit wie für die Druckschriften gelten, welche bei dem Einspruch in Frage kommen. Das Reichsgericht hat ja auch diese Ansicht ausgesprochen. Ein Einspruch auf Grund des Inhalts einer Druckschrift ist nach meinem Dafürhalten allemal nur dann be gründet, wenn die Druckschrift von der Be- schaffenheit. ist, dafs der Patentinhaber, wenn er damals die Druckschrift in der Hand hatte, auf Grund derselben ohne weiteres die Sache hätte patentiren lassen können, wenn die Druckschrift eine vollständig reife Erfindung enthält. Ist das nicht der Fall, so kann man nicht sagen, dafs ein Plagiat vorliegt. Dann hat der Erfinder eben diesen unreifen Gedanken, den er vorfand, zu einem reifen gemacht, und da kann man nun zwischen reif und unreif nicht weiter unter scheiden. Das Obst ist eben nur reif, wenn man cs essen kann, und die Erfindung ist nur reif, wenn sie verwerthet werden kann. Also der Erfinder ist allemal der, welcher den Ge danken ausfülirt. Eine Druckschrift, die nicht so weit geht, einen reifen Gedanken zu ent halten, kann dem Erfinder nicht entgegengehalten werden. Nun sagt Hr. Langen: ich theile diese Ansicht vollständig, bin aber besorgt, dafs das in der Praxis nicht entsprechend gehand habt wird. Ich wünsche also einen bestimmten Riegel vorgeschoben zu sehen und aufserdem glaube ich, ein Gedanke, so gut wie er auch ist, kommt zu einem wirklichen concreten Ausdruck doch erst dann, wenn man die gepflückte reife Frucht vor sich sieht. Also ich verlange, die zu patentirenden Erfindungen sollen ausgeführt sein, nicht in dem Sinne, dafs von einer Ma schine, die vorgeführt wird, nun 500 oder 600 Exemplare schon verkauft sein müssen; es soll nur durch die Ausführung nachgewiesen werden, dafs eine gewerbliche Verwerthung sich darauf begründen kann, nicht etwa, dafs das Gewerbe auch lucrativ oder nützlich ist. Von dieser Forderung spricht Hr. Langen nicht, er sagt nur, um ein Beispiel zu geben: wenn Sie einen Gebrauchsgegenstand patentiren lassen wollen, dann müssen Sie ihn nicht blofs beschreiben, sondern auch den Gegenstand, wie er ist und Nr. 11. 737 verkauft werden soll, wenigstens in einem Exemplar vorzeigen, damit ich sehen kann, was daran ist. Wenn Sie eine Maschine paten tiren lassen wollen, müssen Sie mir die Ma schine so zeigen, dafs sie in diesem einen Exemplar etwas leistet, was einen gewerblichen Werth hat, mag es wenig oder viel sein. Es soll aber nicht ein Modell vorgeführt werden, sondern eine fertige Maschine, die arbeiten kann, wenn auch wenig. Der Grad der Arbeitsfähig keit kommt dabei nicht in Frage, auch nicht die Gröfse der Maschine. Wenn Sie ein chemi sches Verfahren patentiren lassen wollen, müssen Sie mir das Verfahren nicht blofs beschreiben, sondern auch zeigen: das ist das erste, zweite, dritte, vierte und dies ist das Endproduct. Am wenigsten Schwierigkeiten macht die Sache wahrscheinlich in der Chemie. Der Verein der chemischen Interessen scheint sich daher auch mit dieser Anforderung eher zu befreunden. Schwieriger ist aber die Sache für die Mechanik und namentlich für die Maschinentechnik. Han delt es sich blofs um ein kleines Object, um einen Bleistifthalter u. s. w., so läfst es sich ja machen. Schwierigkeiten gröfserer Art entstehen aber auf alle Fälle, wenn man bei einer Maschine die Forderung stellen will, dafs sie vorgezeigt werden mufs, wenn sie patentirt werden soll. Wenn man also bei Verbesserungen fördert, dafs die Verbesserungen an einer zur Arbeit geeigneten Maschine angebracht sind, so müssen Sie zeigen, wie die Maschine mit dieser Verbesserung arbeitet. Dafs der Erfolg des Langen sehen Antrages der sein würde, eine ganze Masse von unbrauch baren und nutzlosen Patentgesuchen sofort zu beseitigen, weil es nämlich der Patentsucher nicht vermag, die Sache in fertiger Gestalt vor zuführen , ist ganz zweifellos. Das Patentamt würde also wesentlich in seiner Arbeit erleichtert und das Publicum von einer grofsen Masse von Patentbeschreibungen befreit werden. Die Frage ist auch nicht die, ob die aufgestellte Forderung juristisch richtig ist. Es könnte ja ein Gedanke technisch ganz gut sein, sich aber juristisch schlecht fassen lassen. So liegt die Sache in dessen hier nicht; den Gedanken kann man auch sogar im Rahmen des jetzigen Gesetzes juristisch fassen, das ist zweifellos. Man kann vorschreiben, dafs nicht blofs ein Modell vorge führt werden mufs, sondern eine Maschine. Die Bedenken, die mir gegen die Sache aufstofsen und die ich vorläufig nur andeuten will, bestehen in etwas Anderem. Sie bestehen darin, dafs nach meiner Meinung eine ganz wesentliche Be schränkung des Erfindungsschutzes darin liegt. Ich glaube, eine sehr grofse Mehrzahl der In dustriellen in Deutschland wird sich scheuen, schon im gegenwärtigen Augenblick, besonders den ganz diametral entgegengesetzten Wünschen auf noch weitere Erleichterung des Patentschutzes «STAHL UND EISEN.“